Sachie Matsushita: Free
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fixcel records 11
Ist es nicht ein wenig frivol, sein Debütalbum „free“ zu nennen und dabei Bezug auf Ornette Colemans legendäres Album „Free“ zu nehmen? Kein Geringerer als der Vertreter des Action-Paintings Jackson Pollock gestaltete übrigens das Cover dieses Meilensteins der Jazzgeschichte. Mit diesem Album brach wohl auch die Zeit der fortschreitenden Intellektualisierung des Jazz an. Macht sich also Sachie Matsushita auf, dem Titanen des Free Jazz zu folgen und dieser Stilrichtung ihre eigene Würze beizumischen? Eigentlich sind wir ja mit einem Trio konfrontiert, das sich dem freien Spiel hingibt. Die Namen der beiden anderen Musiker, Erwin Ditzner am Schlagzeug und Vitold Rek am Kontrabass, stehen allerdings auf dem Cover an untergeordneter Stelle. Das befremdet auf den ersten Blick.
Von der Pharmazie zur Musik
Die Pianistin Sachie Matsushita wuchs in den 1970er und 1980er Jahren in einem durch und durch konservativ geprägten Japan auf. „Die klassische Musikausbildung am Piano begann bereits im Alter von vier Jahren. Allerdings war nach der Hochschulreife sehr schnell klar, in welchem Bereich die junge Frau studieren sollte: Pharmazie. Trotz der großen Leidenschaft und Euphorie für die Kunst und ihr Instrument, das Piano. Nach Abschluss des Studiums sammelte die Künstlerin auch direkt die ersten beruflichen Erfahrungen im medizinischen Bereich der Universität Kagoshima in Japan. Das Glück, oder auch Schicksal, der Musikerin war letztendlich ein Forschungsauftrag in Deutschland. So kam sie von Japan nach Würzburg.“ So liest man es in der Presseinfo zum Erscheinen des Albums „Free“. „In Japan wird immer versucht sehr wenig zu sprechen, wenn Menschen nicht viel reden, ist das dort gut. In Deutschland ist es genau umgekehrt, die deutsche Kultur ist sehr kommunikativ, das war eine tolle, neue Erfahrung.“ Mit diesen Worten beschreibt die heutige Pianistin ihre ersten Erfahrungen in Deutschland.
Von Würzburg übersiedelte sie nach Frankfurt. Der neue Forschungsstandort befand sich in der Nähe der Musikhochschule Frankfurt. War das nicht schon ein Fingerzeig des Schicksals? Vitold Rek lernte sie als ihren Lehrer dort kennen. Dieser führte Sachie in die Kunst des frei improvisierten Jazz ein und faszinierte die junge Künstlerin damit so sehr, dass diese allmählich an ihrer Forschungstätigkeit zweifelte. Die Liebe zur improvisierten Musik war entbrannt, und mit ihr kam auch das private Liebesglück, sodass ihr neuer Lebensmittelpunkt seither in Deutschland ist.
Faszination improvisierte Musik
Ein O-Ton: „Es ist so spannend. Die improvisierte Musik fasziniert mich sehr, die Menschen hier sind toll, und ich konnte die berufliche Bürde der letzten Jahre endlich ablegen“. Und weiter äußert sie sich zum vorliegenden Album derart:. „Das besondere an improvisierter Musik ist, dass es immer spannend bleibt. Im Zusammenspiel ist es manchmal wie Telepathie - es funktioniert einfach wunderbar“, so beschreibt Sachie freie Musik und die Arbeit an ihrem Album. Titel, in denen der Begriff „frei“ vorkommt, dominieren auf dem Album, aber es finden sich auch Kompositionen wie „Schweine im Weltall“ und „Schlitztrommel“.
Warum der Titel „Free 5“ und nicht „Free 1“ das Album eröffnet, erschließt sich nicht unmittelbar. Gleiches gilt für die Reihenfolge der Titel.
Tastenklang sprudelt, überschlägt sich fast, kommt in Fluss, eilt davon, bleibt dabei durchaus basslastig, geht in starke rhythmische Strukturen über. So könnte man sich vielleicht „Free 5“ nähern, einer Komposition, bei der die beiden anderen Musiker des Trios erst nach der Hälfte einsteigen und dann für viel Rabatz sorgen, besonders Erwin Ditzner am Schlagzeug, das sich sehr fordernd gibt.
Muss man bei einer Komposition namens „Swing“ den Swing spüren? Vielleicht ja? Vielleicht auch nein? Bass und Schlagzeug scheinen im Swing-Modus, wenn auch sehr versteckt. Bei Sachie Matsuhitas Klavierspiel kann man davon nicht reden. Da springen die Töne und Akkorde, gibt es Stille und einen Neubeginn, der sich fließend fortsetzt. Auch Bass und Schlagzeug zeigen sich mehr und mehr aufgewühlt und wenig beschwingt.
„Free 1“ wurde als fünfte Komposition auf der CD platziert. Ein signalhaftes Trommeln drängt sich auf, und ein gestrichener Bass zeigt Mut zu schrägen Tönen. Es klingt fast wie ein Heulen und Jaulen, was Vitold Rek seinem Instrument entlockt. Sachie Matsuhita hält sich derweil weitgehend zurück, setzt wenige tonale Linien und pausiert dann wieder für Momente. Das Gejaule im Hintergrund setzt sich fort. Dunkel erscheinen die Sequenzen, die der Pianistin zu verdanken sind. Ab und an lässt sie dazu ein hohes Plink einfließen, so als würden Wassertropfen zu Boden fallen oder Eiszapfen klirrend zerspringen.
Was machen „Schweine im Weltall“ und wie kam die Bandleaderin eigentlich auf einen solchen Titel? Das wird an keiner Stelle des Albums aufgedeckt, um die Frage gleich mal zu beantworten. Zudem: Muss die Komposition nicht sphärisch klingen? Muss es nicht ein Grunzen und Quieken geben? Letzteres scheint es tatsächlich zu geben. Irgendwie klingt es aber eher nach Tropenhaus und Zoo, nach Äffchengekeife und weniger nach Schweinequieken. Zu dem nicht zu überhörenden Geräuschschwall setzt der Bass seine ruhigen Klangmodule, gestrichen in diesem Fall. Weltallbilder werden jedoch m. E. nicht evoziert.
Bei „Schlitztrommel“ denkt man zu allererst an eine schlichte, zylindrische Holztrommel, die in Teilen der afrikanischen Musik eine Rolle spielt. Ob Erwin Ditzner auf einer trommelt, ist anzunehmen. Es kann aber auch sein, dass er die Felle seines Schlagwerks dem Klang der Schlitztrommel entsprechend gestimmt hat. Dumpf und mit Rockfeeling zupft und streicht Vitold Rek seinen Tieftöner. Die Afrobeats werden durch die Pianistin zunächst konterkariert, auch wenn sie im weiteren Verlauf durchaus „afrikanische Grooves“ an den Tag legt.
Fazit:
Ein spannendes Hörerlebnis für die, die freie Musikformen bevorzugen.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
http://www.fixcelrecords.de
Musiker
Sachie Matsushita
http://jazznetz.de/Matsushita_WP/
Erwin Ditzner
http://www.ditzner.de
Vitold Rek
http://jazzpages.com/VitoldRek/index.html