Rolf Kristensen - Timelines
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Losen Rec.
Instrumentalmusik zwischen Dire Straits und Fleetwood Mac – so könnte man ein wenig vereinfacht beschreiben, was das Album „Timelines“ im Kern ausmacht. Bisweilen liest man auch von Vergleichen mit der Musik von Steely Dan und von Terje Rypdal. Übrigens, wer die Filmmusik zu „Local Hero“ kennt, wird in den Stücken Kristensens hier und da „offene und versteckte Zitate“ finden, so mein Eindruck. Von den Melodielinien und Harmonien her existiert jedenfalls eine Nähe zu verschiedenen Kompositionen von Mark Knopfler.
Neben Rolf Kristensen ist auf dem Album der Tenorsaxofonist Bendik Hofseth zu hören, der unter anderem mit Mike Mainieri und mit Steps Ahead zusammenarbeitet. Im Übrigen wissen wohl wenige, dass Rolf Kristensen Teil von Secret Garden ist, einer Band, die 1995 den Eurovision Song Contest gewonnen hat, und zwar mit einem mehr oder weniger instrumentalen Stück. Neben den oben genannten gehören zur Band des Gitarristen Rolf Kristensen noch der beim Titel „Who Knows“ eingebundene Baritonsaxofonist Niclas Pedersen, der Trompeter Idar Eliassen Pedersen und der Geiger Marin Stallemo Bakke, der Bassist Per Elias Drabløs. Für die elektronischen Effekte ist Alf Henrik Spilde und am Schlagwerk agieren mal Jan Inge Nilsen und mal Marius Trøan.
Aufgemacht wird das vorliegende Album mit „Stone Town“, gefolgt von „Timelines“ und „Relief“. Im weiteren erleben wir „kosmischen Regen“ („Cosmic Rain“) und auch einen Abschied („Departure“), ehe das Album mit „Echoes“ beschlossen wird.
Noch einige Zitate betreffs der Charakterisierung der Musik Kristensens seien der nachfolgenden Review vorangestellt:
„Kristensen takes us to a number of melodic landscapes that one should have a cold heart not to like. Rolf Kristensen is a highly sophisticated guitarist.“
(Tor Hammerø, Puls)
„Well-composed melodies are the starting point for the songs and some melodies might as well be written by Terje Rypdal, others by Bugge Wesseltoft. Kristensen’s classical background comes forth as he lets the notes roll out of the acoustic nylon string guitar, and on the electric guitar he weighs each note carefully (…) It seems like he is mastering all the musical styles equally well.“
(Audun Reithaug Rasmussen, Jazznytt)
„Stone Town“ - so heißt ein Weltkulturerbe auf der Insel Sansibar und auch der Eröffnungstitel des Albums. Doch mit dem fernen Afrika kann ich die Verbindung von der Musik zum Titel nicht bauen. Eher scheinen mir Bilder vom Nordlicht, von den Weiten des Hardangerviddas, von den Moränenhügeln von Femundsmarka in den Sinn zu kommen. Auch der Atlantik mit seinen Stürmen scheint sich bildlich aufzudrängen. Gewiss bedingt auch dadurch, das Rolf Kristensen aus Norwegen stammt, dem Land der Fjorde und der Hochebenen, wo Rentiere und Lemminge heimisch sind. Menschenleere ist auch eine Assoziation zur Musik, die aufkommen kann.
Wie klingen wohl Zeitleisten, Zeitachsen, Zeitlinien, also „Timelines“? Rolf Kristensen gibt darauf die Antwort: Aus dem Off entwickelt sich die Musik. Über einem eher dumpfen Klangteppich breitet Kristensen seine Saitenstrahlen aus, lässt Klangbänder und -schleifen entstehen, überzeugt mit Dichte und Wohlklang. Die Zeit scheint nicht zu rasen, sondern eher wie der Sand in einer Sanduhr zu rinnen. Perlend ist das Spiel vor allem in den höheren Registern des Pianos, auf das sich dann auch Kristensen einstellt. Doch wer spielt es? Es ist Bernt Moen, der auch bei „Relief“ mitwirkt.
Die Eingangspassagen des Stücks „Relief“ und auch die folgenden Saxofonsequenzen klingen nach Tenor; gleiches gilt für‘s Duett mit Kristensens Gitarre. Dazu kommen im Hintergrund gestrichene Saiten der Geige und auch der Diskant des Tasteninstruments ist zu hören. Wenn der Streicher sich mit dem Saxofonisten musikalisch paart, denkt man im Übrigen nicht an ein Relief, sondern eher an frühlingshaften Aufbruch, an erste Sonnentage, an unbeschwert flanierende Paare, an Verliebte im Vigelundpark von Oslo, oder?
Lassen wir uns anschließend auf „kosmischen Regen“ ein, den uns Kristensen präsentiert, dabei auch elektronische Effekte nutzend, jedoch auf Loops und Distortions für die Gitarre verzichtend. Hören wir da nicht einen Synthesizer oder ein Rhodes? Im Hintergrund ist ein regelmäßiges Klatschen als rhythmische Komponente wahrzunehmen. Bei „kosmischem Regen“ denkt man vielleicht an Sternschnuppen und an Lichtblitze. Doch explosive Strahlkraft ist musikalisch nicht umgesetzt worden. Das Stück bindet sich eher in den Duktus der vorherigen ein, und der Songtitel scheint wohl eher eine Zufallswahl.
Der Duktus, der dem schwebenden Flug von Albatrossen und Fregattvögeln gleicht, schwerelos und nicht erdverbunden, wird von Kristensen und seiner Band bis zum Schluss des Albums beibehalten. Gar mit ein wenig klassischer Anmutung wartet allerdings der Song „Echoes“ auf. Dabei setzt sich Kristensen mit seiner „klanglichen Himmelsleiter“ gekonnt in Szene.
Fazit: Die Schönheit der Melodien ist wohl das Verbindende aller Songs. Und der Flow!
Text: © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht public commons.
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