Roditi - Ignatzek – Rassinfosse: For A Long Time

Roditi - Ignatzek – Rassinfosse: For A Long Time

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HGBS 20040

Der nun in den USA lebende brasilianische Trompeter und Flügelhornist Claudio Roditi gehört zum Kleeblatt Roditi-Ignatzek-Rassinfosse, sprich zum Pianisten Klaus Ignatzek und zum Kontrabassisten Jean-Louis Rassinfosse, der dem einen oder anderen auch von der belgischen Jazz-Combo L'Âme des Poètes bekannt ist. Von dieser Band wurde bei Jazz'halo die Einspielung „L'interview: Brel, Brassens, Ferré“ besprochen.

 

Doch nun kommen wir zum aktuellen Trio, in dem der belgische Bassist am E-Kontrabass zu hören ist. Nein, Rassinfosse versucht nicht Eberhard Weber zu kopieren, zumal er auch mit Roditi und Ignatzek eher Cool Jazz und Post-Bop spielt. Zudem sind Webers E-Kontrabass und Rassinfosses E-Kontrabass komplett unterschiedlich gebaute Instrumente, abhängig von dem Jazz, den beide Bassisten bevorzugen bzw. im Falle von Weber bevorzugten.

Die vorliegenden Einspielungen sind Liveaufnahmen aus Graz und Zagreb, zum einen eine CD vom Auftritt in Graz und zum anderen eine DVD mit dem Auftritt in Zagreb. Bis auf „Change of Air“, angelehnt an die Bach'sche Komposition „Air“, gibt es zwischen den beiden Live-Einspielungen keine weitere Überschneidung. Im Kern spielt das Trio Eigenkompositionen, die einerseits von Klaus Ignatzek und zum anderen von Claudio Roditi stammen. Zu erwähnen ist zudem, dass bei „Love Dance“ und „Message of Art“ als Gast der Trompeter Jim Rotondi in Graz mit auf der Bühne stand.

Bei der Vorstellung der Band während des Konzerts in Zagreb verwies Ignatzek darauf, dass man ohne Schlagzeuger spiele. Auch Chet Baker vermied es möglichst, mit Schlagzeugern aufzutreten. Der Klangkörper Roditi-Ignatzek-Rassinfosse nimmt dieses schlagzeuglose Konzept auf und erscheint dennoch vollkommen. Die präsentierte Musik ist nicht besonders spektakulär, weil sie sehr linear angelegt ist und Ausschweifungen weder im Chorus noch in den Improvisationen vorkommen. Die Melodie ist ein tragendes Element für die Musik des Trios, ohne dass dabei Geschichten erzählt werden.

Samt ist der Klang, den Roditi seinem Blechbläser bei „Light in the dark“ (K. Ignatzek) entlockt. Dabei legt sich deren Klang über den gezupften Bass von Rassinfosse, der hin und wieder auch auf die Saiten schlägt, sodass man an den Klang eines konventionellen E-Basses bei Rocknummern denken muss. Sprudelnde Sequenzen entlockt Ignatzek bei seiner Eigenkomposition seinem Tastenklangkörper. Ins Solo von Ignatzek greift schließlich Rassinfosse ein, der weitgehend mit der Linken am oberen Hals seines Tieftöners agiert – nicht nur in diesem, sondern auch in allen anderen vorgestellten Aufnahmen. Weitläufig klingt danach der Blechbläser, dem Roditi die richtigen Töne abringt. Hört man dem Melodiefluss mit geschlossenen Augen zu, könnte man sich gut vorstellen, damit eine gefilmte Ballonfahrt über Norwegens Fjord-Landschaft unterlegen zu können.

Auf der Bühne standen in Graz und Zagreb gestandene Jazzmusiker: Rassinfosse hat jahrelang an der Seite von Chet Baker und Toots Tielemans gespielt, Roditi mit Dizzy Gillespie. Horace Silver und Paquito D'Rivera, um nur einige der bekanntesten Jazzer zu erwähnen. Diese beiden Urgesteine bilden nun mit dem „jungen Mann aus Oldenburg in Oldenburg“ – so Roditi scherzhaft beim Zagreber Konzert – ein Trio.

Die eingespielten Aufnahmen sind nicht frei von Reminiszenzen. So schrieb Roditi eine Komposition in Erinnerung an Lee Morgan mit dem Titel „Sincere Lee“ und verneigt sich damit vor einem der bekannten Jazztrompeter der USA. Die Klangfarben und Harmonieschemen des Stückes gleichen sehr stark denen anderer Aufnahmen, die nun aktuell vorliegen. Müsste man nicht auch mal Lee Morgan im Original anhören, um zu sehen, ob, und wenn ja, in welcher Weise Roditi in den Fußstapfen von Morgan unterwegs ist? Nein keine Bach'sche Fuge hat sich das Trio vorgenommen, als „Change of Air“ vorgetragen wurde, sondern das berühmte, sehr getragene Stück „Air“ von Johann Sebastian Bach. Allein die Tatsache, dass klassische Musik Eingang in den Jazz aus Europa findet, unterstreicht die unterschiedlichen Wurzeln des Jazz afroamerikanischer und europäischer Prägung. Interessant ist, dass die Rhythmik und das Tempo von „Change of Air“ völlig gegenläufig zu Bachs Komposition gestrickt sind, wenn auch die Melodie und die Basslinien hier und da deutlich auszumachen sind. Die Piccolo-Trompete nahm Roditi an die Lippen, als er den "Piccolo Blues" spielte, eine "Hymne" für den Drummer Bob Durham, wie Roditi erläuterte.

Im Laufe des Hörens der Live-Aufnahmen drängt sich außerdem der Eindruck auf, dass das Trio sehr stark dem American Songbook verpflichtet scheint. „Autumn Leaves“ und „All the things you are“ scheinen stets gegenwärtig.

Kommen wir nun zu den Aufnahmen aus Graz: Balladenhaft erscheint Ignatzeks Komposition „Between Lines“, mit der die CD vom Livemitschnitt des Grazer Konzerts aufmacht. Roditi gehört dabei der Klangraum, den er mit verspielten Sequenzen auszufüllen versteht, während Rassinfosse im Hintergrund agiert. Im Laufe des Stücks wandelt sich die Stimmung von Getragenheit zu Fröhlichkeit. Irgendwie aber hat man als Zuhörer den Eindruck einer gewissen Kühle und gedämpften Emotionalität. „It's cool, man“ scheint das Motto des Trios, auch wenn Ignatzek seine Finger quirlig über die Tasten huschen lässt und für uns einen „klanglichen Tropfenvorhang“ webt.

Wie bereits zuvor angeführt hat „Change of Air“ nur wenig mit „Air“ von Bach zu tun, daher heißt der Titel auch „Change of Air“ und nicht anders. Trompete und Klavier wechseln sich in diesem Stück mit ihren ausladenden Solos ab. Das ist ein wahrer Hörgenuss, wenn auch ohne Überraschungen. Bei „Love Dance“ hat man nicht den Eindruck, Verliebte würden ihren Gefühlen auf dem Tanzboden freien Lauf lassen. Eher meint man beim Wechselspiel von Roditi und Rotondi, wir würden eine Tanzbar weit nach Mitternacht betreten und wären Zeuge eines Tanzmarathons mit bereits völlig erschöpften Tanzpaaren. Irgendwie scheint es Zeit, dass der Tanzschuppen seine Türen schließt. Doch aufhören wollen die Paare nicht, auch wenn sie mehr über die Tanzfläche schleichen und eigentlich übermüdet sind. Es fehlt bei „Love Dance“ an Pepp und an Euphorie.

Mit einer anfänglichen Prise eines verhaltenen Boogie beginnt „Message for Art“. Doch alsbald übernehmen die beiden Blechbläser, Rotondi und Roditi, das musikalische Kommando. Stellenweise hat man den Eindruck, Jazz aus der Zeit von Nat und Cannonball Adderley feiere ein Revival. Fazit: Wer Cool Jazz und Post-Bop mag, der sollte sich die Livemitschnitte durchaus zulegen.

© ferdinand dupuis-panther

English press release by HGBS

Recorded live ind Graz and Zagreb 2012 and 2013 - The world famous Brazilian trumpet player Claudio Roditi, the German pianist Klaus Ignatzek who is one of the leading of his kind in Europe, and the international renowned Belgian bass player Jean-Louis Rassinfosse have been playing together for more than 20 consecutive years now. The three musicians, who understand each other blindly, form a unity in which musical equality goes without saying. The three of them are always able to lead the audience into their world of sound without being obtrusive but intensive and border-crossing. The trio reveals its unmistakable class as a chamber ensemble. The trio´s music consists of specially arranged standards and mainly their own compositions in the jazz & Latin jazz genre, which has been recorded live 2012 and 2013 in Zagreb and Graz. In their concerts, Claudio Roditi, Klaus Ignatzek and Jean-Louis Rassinfosse demonstrate that they belong to the top of the jazz scene. With years of experience, the combination of breathtaking improvisations and daring tempi makes their energetical performance a special occasion even for non-jazz fans. Enjoy this music.

Informationen

Label

www.hgbs.de

Musiker

Claudio Roditi
https://de.wikipedia.org/wiki/Claudio_Roditi

Klaus Ignatzek
http://www.klausignatzek.de/

Jean-Louis Rassinfosse
http://www.jazzinbelgium.com/person/jeanlouis.rassinfosse


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