Rik van den Bergh / Bart van Lier 5tet: HIGH SLIDE LOW BLOW
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Maxanter Records, MAX 75990, 2013/14
Nein, Medizin war für den in Breda geboren Rik van den Bergh nicht das richtige Studienfach, sodass er nach zwei Jahren Medizinstudium ans Königliche Konservatorium in Den Haag wechselte. Dass Rik einer der wenigen niederländischen Saxofonisten ist, der ausschließlich Baritonsaxofon spielt, soll an dieser Stelle besonders hervorgehoben werden. Neben der eigenen Band, die jetzt ihr Debütalbum herausgebracht hat, spielt Rik außerdem mit Formationen wie der Frits Landenbergen's Baileo Big Band, den Young Sinatras und dem Rotterdam Jazz Orchestra.
Dass er als Niederländer auch beim North Sea Jazz Festival aufgetreten ist, verwundert kaum. Triple World, einem Trio, in dem Rik Baritonsaxofon, Klarinette und Bassklarinette spielt, ist eine weitere Band, der sich Rik verschrieben hat. Als Frontmann der Band ist auch der Posaunist und Basstrompeter Bart van Lier anzusehen, der unter anderem bei der Peter Herbolzheimers Rhythm Combination & Brass Formation aktiv war. Die Rhythmusgruppe des 5tets wird angeführt vom Bassisten Marius Beets, der sich auch als Komponist und Arrangeur einen Namen gemacht hat. Beets liebt die wirklich leisen Töne, was viele Jazzmusiker, die mit ihm spielen, sehr zu schätzen wissen. Mit dem Schlagzeuger Eric Ineke ist er in The Eric Ineke JazzXpress aktiv. Darüber hinaus kennt man den Kontrabassisten als Mitglied der Beets Brothers, der Houdini’s und des Rein de Graaff Trios. Doch auch mit der Marius Beets Powerhouse Big Band sorgt er mächtig für Furore.
Unheimlich vielseitig ist das Spiel des Pianisten Edgar van Asselt, dessen Album 'Penpals' hochgelobt wurde. Schließlich ist da noch der Drummer Eric Ineke als essenzieller Teil der Rhythmusgruppe. Also lassen wir uns mit dem 5tet ein auf 'High Slide Low Blow'.
Wer die CD auspackt, glaubt Vinyl in den Händen zu halten, denn die Silberscheibe sieht wie eine, wenn auch geschrumpfte, klassische LP mit schwarzen Rillen aus. Neben Eigenkompositionen der Bandmitglieder „vertonte“ das 5tet auf ganz eigene Wiese u.a. auch Standards von Billy Strayhorn, dem Mann, der eigentlich Duke Ellington zu dem gemacht hat, was er war, von Joe Henderson und zudem von Thad Jones. Also unternehmen wir eine musikalische Jazzreise in die 50er und 60er Jahre, als Bebop und Hard Bop angesagt waren. Flott und beschwingt ist die erste Einspielung der CD.
Mit dem „frühen Vogel“ steigen wir aus den Federn und lauschen Rik van den Berg bei seinem „schnalzenden“ und „grunzenden“' Saxofonspiel, ehe der Pianist Edgar van Asselt das Zepter übernimmt. Ihm ist auch diese erste Komposition der aktuellen CD zu verdanken. Dezent den Beat bestimmend – das ist die Aufgabe von Eric Ineke. Auch Marius Beets darf in einem sehr kurzen Solo sein Zupfwerk vollenden. Doch die Band, das hätte man sich denken können, lebt von dem Bläserduett von Baritonsaxofon und Posaune.
'Exotic Vibes' lässt vielleicht ein wenig an Dave Brubeck und Gary Mulligan denken, wenn man diesem Stück aus der Feder von Marius Beets lauscht. Getragen ist das Solo, das van Lier anstimmt. Schnell gleiten die Finger über die Tasten und lassen Tonkaskaden an unsere Ohren dringen, wenn von Asselt seinen Teil zum Gelingen der „exotischen Schwingungen“ beisteuert. Und dann, ja dann setzt wieder der satte Klangmix ein, den van den Bergh und van Lier erzeugen.
Na, einen musikalisch bestimmten 'Body Check' lässt sich wohl jeder Jazzfan gefallen, oder etwa nicht? Mit 'Step Lightning' haben sich die Mannen um Rik van den Bergh einer Komposition von Joe Henderson gewidmet. Ein Jazzmusiker, der ungerechtfertigterweise im Schatten von Duke Ellington stand, war der 1967 verstorbene Billy Strayhorn. Von ihm stammt nicht nur 'Chelsea Bridge', sondern auch das berühmte, Duke Ellington zugeschriebene Stück 'Take the A Train'. 'Chelsea Bridge' gibt es in unterschiedlichen Einspielungen, ob von Strayhorn selbst mit und ohne Trompete wie auf dem Album 'Don't Mind If I Do' und von Ben Webster. Auch Rik van den Bergh und seine Combo haben sich diesem Titel verschrieben und dabei überzeugt der satte Sound des Baritonsaxofons anstelle der gedämpften Trompete bei der Strayhorn-Einspielung. Welche Bilder kommen uns in den Sinn, wenn wir Strayhorn aka Rik van den Bergh & Co zuhören? Die von einem abendlichen Spaziergang über die Chelsea Bridge, vielleicht? Die von einer gemütlichen Fahrt im Coupé bei sommerlichen Temperaturen? Das Aufflackern der Lichter der Großstadt? Lassen wir uns einfach von der Musik mitnehmen. 'Vox Populi', des Volkes Stimme, scheint mehrstimmig, kein Wunder bei einem 5tet, oder? Wüsste man nicht, dass 'Three and One' eine Komposition von Thad Jones und nicht von Marius Beets ist, dann käme man beim Zuhören nicht auf die Idee, dass das 5tet erneut einen Standard bearbeitet hat. „Big Band Sound“ vom besten bietet 'It Could Happen To All Of Us', komponiert vom Bassisten Marius Beets Nicht mit einer Eigenkomposition, sondern mit 'Sue's Blues' (Ronnie Ross) klingt die aktuelle CD aus, und wir sind wieder in der Gegenwart angekommen. Der Ausflug ins einstige europäische Mekka des Bop, Paris, und zu 'Round Midnight' ist leider schon zu Ende, aber es gibt ja immer auch ein zweites Mal. Nicht wahr?
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Band
http://www.rikvandenbergh.com/
https://myspace.com/edgarvanasselt
Audio
http://www.rikvandenbergh.com/#!media/c3aq
Billy Strayhorn Chelsea Bridge
https://www.youtube.com/watch?v=7-jQ9lFiV7U
http://www.myvideo.de/watch/8982493/Billy_Strayhorn_Chelsea_Bridge
Billy Strayhorn Chelsea Bridge by Ben Webster and Trio
https://www.youtube.com/watch?v=wLeIisTxyXw