Rez Abbasi - Django-shift
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Whirlwind Records
Der Gitarrist Rez Abbasi, den einige Kritiker als Gitarrenalchemist titulieren, hat im Laufe seiner Karriere insgesamt 14 Alben als Bandleader veröffentlicht. Abbasi ist im Gegenwartsjazz ebenso heimisch wie in der klassischen indischen Musik und der Fusion-Musik der 1970er Jahre. Dank eines Auftrags vom Freight & Salvage's Django Festival in California konnte er sich seinem aktuellen musikalischen Projekt widmen, in dessen Mittelpunkt der belgo-französische Gitarrist Django Reinhardt steht, der maßgeblich den europäischen Swing geprägt hat. Vielfach wird von Reinhardt als Sinti-Gitarrist geredet. Dies ist eine Zuordnung, die der Musiker selbst nicht schätzte. Aus Djangos vielfältigem Repertoire hat Abbasi sieben Kompositionen ausgewählt, jedoch nicht so bekannte Titel wie „Nuages“ oder „Minor Swing“. Arrangiert wurden die Stücke für ein Trio, das dem aktuellen Jazz verbunden ist. Neben Abbasi gehören zu diesem Trio der Organist Neil Alexander und der Drummer Michael Sarin.
Dem aktuellen Album dienten die Melodien Djangos als Basis für das Hinzufügen der eigenen Handschrift Abbasis. Über den Prozess des Arrangierens und des Variierens sagt Abbasi Folgendes: „Neil tells a story when he improvises - he has a storehouse of musical knowledge but never just plays licks, which has always been central in my own approach to improvising. I've been playing with Michael for 25 years and he remains one of my favourite drummers. Both are very creative in how they sustain yet depart from various musical traditions, which is what it's all about for me. I live that!" Und noch etwas sollte man über dieses Django-Projekt wissen: "When I was working on Django-shift I was also immersed in Robin Kelley's book on Thelonious Monk. It influenced me in surprising ways and I started hearing connections in their compositions. There's a joy and bounce within both their styles so I approached arranging a few of Django's tunes with Monk in mind."
Hört man die ersten Takte von „Diminishing“, so meint man nicht, eine Komposition von Django Reinhardt zu hören. Es fehlt der so kennzeichnende Swing. Das Saitenspiel von Abbasi ist weicher und weniger rhythmisiert als bei Django. Zudem fügt Neil Alexander eine ganz eigene samtene Klangfarbe hinzu. Dabei hat man beim Zuhören gar den Eindruck, man höre eine niederländische Drehorgel, die dank Lochkarten bekanntere und unbekannte Weisen anstimmt. Und immer wieder interveniert Abbasi während des Vortrags mit fein gewobenem Saitenspiel. Dabei gleichen die Melodielinien, die wir hören, dem tanzenden Flug eines Falters, Es ist die Rolle des Organisten „Swing 42“ mit welligen Klangbildern zu eröffnen, ehe Abbasi hinzutritt und sich in fragile Linien versteigt. Doch auch eine gewisse melodische Sprunghaftigkeit ist in Abbasis Spiel auszumachen. Hier und da scheint dann auch Django mit seinem Stil durch, wenn auch verwässert, weil der Organist ganz eigene Klangflächen beisteuert. Das hat dann schon mehr den Anflug von Fusion oder Jazz Rock der 1970er Jahre. Balladenhaft kommt „Heavy Artillery“ daher, so denkt man bei den ersten Takten. Doch sobald sich der Organist zu Wort meldet, ist man in der Welt von Yardbirds, Eric Burdon und Konsorten, oder? Und hat es nicht auch den Anschein, als wären Keith Emerson und Brian Auger im Geiste anwesend? Ja, da schweben die vielfach schwingenden, vollen Tastenklänge im Raum, und es verbreiten sich verdichtete Klangwolken. Irgendwie hat man auch die Vorstellung, Rhythm and Blues sei dem Arrangement beigemischt worden. Sobald allerdings Abbasi solistisch agiert, taucht man in die Welt der Granden des Gitarrenjazz ein. Man denke an Jim Hall oder Joe Pass.“Anniversary Song“ strahlt ein bisschen Latin Fever aus und hier und da meint man, Steel Drums zu hören. Das aber ist wahrscheinlich den Synthesizerklängen zu verdanken, die Neil Alexander vorträgt. Übrigens diese Komposition von 1880 – Komponist ist Ion Ivanovici – ist auch als „Donauwellen“ bekannt und als sehr getragener Walzer konzipiert. Doch auf Walzerrhythmen hat das Trio im vorliegenden Fall verzichtet. Ein wenig rätselhaft bleibt die Verbindung zu der Musik Djangos, die ja einer anderen Zeit entstammt und mit dem Quintette du Hot Club de France in Verbindung zu bringen ist. „Cavalerie“ überzeugt mit sanften Schraffuren und Konturen, die vor allem Abbasi zu verdanken sind. Woher nur stammt der an Schalmeien angelegte Hintergrundklang, der zeitweilig ans Ohr des Zuhörers dringt? Wie ein warmer Sommerwind aus der Sahara erscheint das, was Abbasi uns zu Gehör bringt. Abbasi ist dabei mit flinkem Saitenspiel zu vernehmen. Sehr lyrisch ist der Charakter von „Douce Ambience“. Dabei wird das getragene Saitenspiel von gewischtem Besenspiel des Drummers Michael Sarin begleitet, ehe sich der Organist zu Wort meldet. Dann ist für Momente der satte Klang einer Kirchenorgel zu vernehmen, der von weichen Gitarrensequenzen abgelöst wird. Und zum Schluss erleben wir den „September Song“ (comp Kurt Weill). Dabei scheint es so, als ob eine Sitar zum Klanggemälde beiträgt. Doch das ist wohl eher der Spieltechnik und der Elektronik zu verdanken, auf die das Trio nicht verzichtet.
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Informationen
Line-up:
Rez Abbasi - fretted and fretless acoustic guitars
Neil Alexander - organ, electronics and synthesizers
Michael Sarin - drums