Rebirth:Collective (feat. Jesse Van Ruller): Raincheck (Ferdinand Dupuis-Panther)
R
Soulfactory Records SFR-CD005
Der Bandname enthält den Begriff „Wiedergeburt“ und das scheint mir angesichts der aufgenommenen Titel, die Billy Strayhorn einst komponierte, angefangen von „Isfahan“ über „Lush Life“ bis hin zu „Satin Doll“, durchaus naheliegend. Wiedergeboren wird die Musik eines Komponisten, der heute weitgehend vergessen ist und zumeist im Schatten von Duke Ellington stand. Zu Unrecht, aber Strayhorn war schwarz, dandyhaft und schwul – alles zusammen passte nicht so recht in die us-amerikanische Mainstream-Gesellschaft. So wird in Diskografien bei „Isfahan“ der Name Ellingtons stets ins Spiel gebracht, ohne Strayhorn auch nur zu erwähnen, obgleich dessen Anteil an der Komposition ganz wesentlich ist.
Das Kollektiv der Wiedergeburt besteht aus Jo Hermans und Carlo Nardozza (tp, flügelhorn), Bruno Vansina (as), Wietse Meys (ts), Joppe Bestevaar (bar), Dree Peremans (tb), Ewout Pierreux (p), Jos Machtel (bs). Toni Vitacolonna (dr) und Jesse Van Ruller (git). Die Arrangements für die Strayhorn-Kompositionen besorgte mehrheitlich Dree Peremans, wenn auch „Satin Doll“ von Wietse Meys für die Band arrangiert wurde.
Das Cover ist in Schwarz-Weiß gestaltet und zeigt ein angeschnittenes Porträt von Billy Strayhorn, während auf den Innenklappen Mitglieder der Band und ein abgelegtes Saxofon nebst Notenblättern zu sehen sind.
Noch eine Bemerkung vorweg: Das vorliegende Album ist nicht das erste mir bekannte Album, das sich als Hommage an Billy Strayhorn versteht. Der Altsaxofonist Malte Dürrschnabel hat mit seinem Quartett bei Laika Records ein Album mit zehn Strayhorn-Titeln eingespielt. Auf ihm finden sich wie auf dem von Rebirth Collective u. a. „Lush Life“, „Raincheck“ und „Isfahan“. Doch welch ein Unterschied gibt es im Klangerlebnis: Bei Dürrschnabel liegt der Fokus auf dem Altsaxofon; bei Rebirth Collective wird die Musik durch ein Tentett mit einem starken Bläsersatz getragen. Interventionen des Gitarristen Jesse Van Ruller geben den Arrangements jedoch ein ganz eigenes Klangbild.
Gleich zu Beginn hören wir einen Jazz-Klassiker: „Isfahan“. Nach kurzer Bläsereröffnung im bekannten satten Big-Band-Klang, ist es dann an Jesse Van Ruller dem Song eine Wendung zu geben. Das sind jedoch nur Momente, da danach beinahe in einem zu erwartenden Schema Solos zu hören sind, so des Tenorsaxofonisten Wietse Meys. Nachfolgend vereinen sich Bläser und Gitarrist zu einem Chorus. In den Tuttis zeigen sich der Kern der Musik und die Verwurzelung im Big-Band-Jazz. Wäre da nicht immer wieder Jesse Van Ruller, man glaubte sich in die Welt von Duke Ellington und anderer Musiker aus der Blütezeit der Big Bands zurückversetzt. So aber driften wir zwischen den Hörfarben der Saxofone und der Trompeten sowie des sechssaitigen Zupfinstruments hin und her.
Sehr bedächtig geleiten uns die Musiker von Takt zu Takt, wenn sie „Chelsea Bridge“ vortragen. Beinahe hat man den Eindruck, es ginge auch um die sogenannte blaue Stunde. Zugleich drängt sich der Eindruck auf, Rebirth Collective spiele in einer verrauchten Bar. Schwaden von Nikotin schweben im Raum. Einzelne Paare tanzen eng umschlungen. Die Nacht scheint fortgeschritten. Die Hektik des Alltags ist beiseitegeschoben. Auch bei diesem Arrangement ist charakteristisch, dass die Allgewalt der Bläser durch Gitarrensequenzen und auch durch kurze Pianopassagen gebrochen wird. Oh, da meldet sich auch der Bassist Jos Machtel, begleitet von Ewout Pierreux am Piano. Dessen akzentuiertes Tastenspiel können wir nachfolgend noch genießen. Doch die Bläser sind unablässig dabei, die musikalische Regie für sich zu beanspruchen. Kein Wunder, denn die Kompositionen Strayhorns waren ja vor allem für das Orchester von Ellington gedacht.
Frisch und dynamisch kommt „Raincheck“ („Ersatzeintrittskarte“) daher. Auch hier hat Jesse Van Ruller seine Momente und stellt auf seinem Zupfinstrument die Melodielinie vor, während sich die Bläser als seine Begleiter eher im Hintergrund halten. Doch dann, ja dann, drängen sie sich wieder auf. So entsteht ein Wechselspiel zwischen Bläsern und Gitarristen.
Carlo Nardozza brilliert vor allem, das sei hervorgehoben, mit einem Solo in „Lush life“. Verhalten im Hintergrund agiert dazu Jesse Van Ruller. Zu dem getragenen Vortrag muss man sich nachstehende Lyrik denken: „I used to visit all the very gay places / those come what may places / where one relaxes on the axis of the wheel of life / to get the feel of life / from jazz and cocktails / the girls I knew had sad and sullen gray faces with distingué traces / ...“. Es ist im Übrigen ein Song, den der Saxofonist John Coltrane ebenso gespielt hat wie die Bassistin Esperanza Spalding, jeder mit einer anderen Schwerpunktsetzung bezüglich der Hörfarbe, aber immer in verhaltenem Tempo.
Zum Schluss geht es auf dem aktuellen Album um „Satin Doll“: Statt der Eröffnung durch das Piano, an dem Ellington bei den ursprünglichen Einspielungen saß, hören wir in der vorliegenden Aufnahme Jesse Van Ruller, ehe dann der Rest der Band aufspielt. Dabei wird immer mal ein Bläsersolo eingestreut, ganz beschwingt im Hier und Heute.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
SFR
http://www.soulfactory.be
Musiker
Rebirth Collective
http://www.rebirthcollective.com/