Raphaël Malfliet Trio - Noumenon

Raphaël Malfliet Trio - Noumenon

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Ruweh Records

Neben dem Bassgitarristen Raphael Malfliet gehört zum Trio der Gitarrist Todd Neufeld und der Perkussionist Carlo Costa. Mit “Kandy” wird das Album eröffnet. Wir hören zudem “My Name” und “Kort” sowie “Samen”. Zum Schluss erklingt dann “Boog”. Alle Tracks wurden von Raphael Malfliet komponiert. Ausnahmen sind “Kort” und “Samen” (Malfliet-Neufeld) sowie “Boog” (Malfliet-Costa).

In Zeiten, in denen eine CD-Hülle wenig Raum für künstlerische Gestaltungen lässt, ragt das vorliegende Album insoweit heraus, als hier eine Zeichnung, möglicherweise eine Radierung, das Cover ziert. Es scheint als sehe man fein gezeichnete Wolkenformationen. Solche Zeichnungen bzw. Aufzeichnungen von Wetterphänomenen sind in der Kunstgeschichte keine Seltenheit. Man denke dabei an den dänischen Künstler Christoffer Wilhelm Eckersberg, der der Nachwelt ausgiebige, empirische Studien mit genauen Wolkenbildern hinterlassen hat. Nun zum Titel des Albums: Noumenon. Was verbirgt sich dahinter? Es handelt sich um einen philosophischen Begriff, der auch in der kantischen Erkenntnistheorie von Bedeutung ist. Auf einen Punkt gebracht, bedeutet der Begriff das Gedachte und die rein intellektuelle Erkenntnis. Ist das gar ein Fingerzeig auf die Musik des Raphael-Malfliet-Trio? Können wir also mit Kopfgeburten und verkopften musikalischen Modulen rechnen?

Bei allen Tracks stellt sich der Zuhörer die Frage danach, ob sich hier kontrollierter Kontrollverlust in improvisierter Musik durchgesetzt hat. Zudem fragt man sich, ob man Atonales, Improvisiertes oder gar nur Geräuschreihen präsentiert bekommt. Im Deutschen existiert der Begriff Hörspiel, der im übertragenen Sinne auch tonale Inszenierungen einschließen kann. In diesem Sinn kann man die musikalische Präsentation durchaus auch verstehen, ohne dass ein stringenter Erzählfaden auszumachen ist.

Einzelne Stücke sind durchaus lang angelegt, teilweise 15 Minuten und länger, sodass sich auch ein Fluss des Improvisierens entwickeln kann oder sich tonale Dramatisierungen darstellen lassen können wie bei „Kandy“. Hier treffen einzelne Glockentöne auf lang gestrichene Basstöne. Schriller Beckenklang erzeugt durch das Streichen mit dem Stick vereint sich mit Gitarrensound. Verwirbelungen und sirenengleiche Klänge sind hörbar. Knarren und Knarzen sind zu vernehmen. Pausen von kurzer Dauer sind eingestreut. Sind da nicht Klangstäbe wahrnehmbar? Tiefes Brummen trifft auf Geräuschgeschwirr. Plong! Pause … Diese gesetzten Pausen erscheinen als eine Art Zäsur, als wollten die Musiker uns verdeutlichen, es beginne wie in einem Theaterstück eine neue Szene. Kristallines dringt ans Ohr des Zuhörers. Da, ja da scheinen Tropfen niederzufallen. Wasser scheint in kleinen Kaskaden zu rinnen, wenn die Gitarre leicht rauschende Tonfälle anstimmt. Basslastiges Aufbrausen drängt sich auf. Pause … Untergründiges trifft auf Spitztönigkeit und Triangelklang, so scheint es. Felle werden gewischt und eine Saite der Bassgitarre dem Bogen ausgesetzt. Dramatische Beckenwirbel folgen … Hörspiel, ein Spiel zum Hören, immer in der Erwartung einer dramatischen Wende, eines Ansteuerns des Höhepunktes. Doch das Trio setzt keine offensichtlichen Höhepunkte, sondern kleine szenische Hörmodule aneinander, die eben nicht ausbrechen, sondern teilweise dem Sphärischen verbunden sind. Hier mal ein schrill schwingender Weckruf mit kurzem Getrommel, da mal ein Pling mit Trommelwirbeln. Eine Schelle wird bespielt und der Rand eines Beckens mit dem Stick gestreift. Wiederum eine kleine Szene in der Gesamtinszenierung von „Kandy“. Woher kommt bloß der Name für das Stück? Sollte es sich um Kandy, die Hauptstadt des letzten singhalesischen Königreiches, das sich gegen zahlreiche Eroberungsversuche der Kolonialmächte behaupten konnte, handeln?

Melodisches mischt sich mit Ansätzen von Kakofonem in „Kort“ („Kurz“), geprägt in den Klangfarben von der unverfremdet daherkommenden Gitarre. Sie scheint uns Fragmente, die aufgereiht wurden, zu präsentieren.

Angesichts des Titels „Rotation“ sollte man wohl Dynamik erwarten, oder? Die Bassgitarre bewegt sich untergründig zwischen den tiefen Tönen, während die Gitarre aus sich herausgeht, mal in kleinen tonalen Kreisformen, mal aber auch schrill und schwirrend zu vernehmen ist, so als sei man in einer großen Maschinenhalle, in der Fräsen und Sägen im Einsatz sind, um Stahl in Form zu bringen. Nervöse Gebrumme ist zu vernehmen, über das sich ein Pling und noch ein Pling legen. Zudem nehmen wir Schlägel wahr, die auf hart gespannte Felle treffen. Am Ende spannt dann das Trio seinen Klangbogen. Aus dem Off hören wir dabei die Bassgitarre, gestrichen und nach Geröchel klingend. Dazu tritt Perkussives. Der Klangschwall steigert sich von Mal zu Mal. Industrieklang kommt dem Zuhörer in den Sinn, eine Begegnung mit Thomasbirne und Walzstraße, mit CAD gesteuerten Fräsen und Schneidbrennern. Man hat den Eindruck, das Trio wolle uns auch noch den Klang von langen Güterzügen liefern, die ohne Lärmschutz über veraltete Gleise rattern. Sind da noch Zikaden zu vernehmen? Meldet sich da nicht noch ein Vogelstimmchen? Derartige Geräusch- und Klangvielfalt fordert den Zuhörer heraus.

Text © ferdinand dupuis-panther

Informationen

Label
Ruweh Records
http://www.ruweh.com

Musiker
http://www.raphaelmalfliet.com/


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