Ramon Diaz Group – Conversaciones con Chopin
R
self production
Nein, hier wird nicht irgendeine Komposition von Chopin kopiert oder einfach linear arrangiert, sondern die Musiker lassen sich von den Präludien, Nocturnes und Balladen sowie den Walzern, sprich den romantischen Melodien des polnischen Komponisten Frédéric Chopin inspirieren und bauen Passagen aus Werken Chopins in ihre eigene Musik ein, beginnend mit „Los Viajes“ über „Ida y Vuelta“, „Amantine“ und „Majorca“ bis hin zum „Winter in Warschau“ („Invierno en Varsovia“) und zum Schlussstück „Noctambulo“.
Dabei lässt ein Titel wie „Majorca“ an die im Jahr 1838 stattgefundene Reise des Liebespaares George Sand und Frédéric Chopin nach Mallorca denken. „Winter in Warschau“ scheint ein Fingerzeig auf die Kinder- und Jugendjahre des Komponisten, die er in der polnischen Hauptstadt verbrachte. Schließlich gibt es auch den Bezug zwischen „Noctambulo“ und den 21 von Chopin geschaffenen Nocturnes, Solostücke für Klavier aus der Zeit zwischen 1827 und 1846.
Das Quartett meidet jene offensichtliche Nähe zu Chopins überwiegend für Klavier geschriebenen Kompositionen, indem es bewusst auf das klassische Harmonieinstrument im Jazz verzichtet. Statt dessen hört man den weichen Klang von Alt- und Sopransaxofon – so der Höreindruck – und Gitarrensequenzen, die im Duktus an die Granden des Gitarrenjazz - man denke an Joe Pass oder Jim Hall – anknüpfen. Unaufdringlich und sich im Hintergrund haltend ist das Drumming von Ramon Diaz, sieht man einmal von der dramatisch gestalteten Einführung in das Stück „Winter in Warschau“ ab.
Schon bei den ersten Takten von „Los Viajes“ fühlt man sich auf eine Reise mitgenommen, meint man mit knatternden Segeln auf dem Mittelmeer unterwegs zu sein. Sehr fein sind die Saxofonpassagen angelegt, denen der Gitarrist in seinem Saitenspiel folgt. Teilweise verschmelzen die beiden Instrumentalisten in ihrem Spiel. Ein Genuss ist das Gitarrensolo, das bildhaft dahinziehenden Wolken in einem expressionistischen Gemälde gleicht. Der Höreindruck ist obendrein der, dass das Licht des Südens uns begleitet. Teilweise scheint Jeppe Rasmussen einen Ansatz zu pflegen, der uns an eine Klarinette denken lässt. Das ist im Ansatz eher selten, sieht man einmal von Paul Desmond ab. Schließlich ist das Eröffnungsstück gegen Ende mit Wiederholungsschleifen versehen, hat Groove und auch ein wenig Funk!
Es ist keineswegs meditativ, was wir hören, aber überaus lyrisch ausgeformt und entspannend. Da scheint die Musik die alltägliche Hektik des Urbanen zu verdrängen. Das gilt auch für die nachfolgenden Stücke wie „Ida y Vuelta“, gleichsam eine Fortsetzung der Reisen zu Beginn des Albums. Sommerliche Klänge umwehen den Hörer bei „Hin- und Rückfahrt“ mit weichem Saxofonklang und tropfenden Saitenklängen. Dabei wohnt der Gitarre beinahe das Klangspektrum eines Vibrafons inne, oder? Wie ein säuselnder Fahrtwind bei einer Tour im Coupé mutet an, was der Saxofonist vorträgt. Beim Hören muss man auch an einen entspannten Nachmittag denken, den man ohne Zeitvorgaben verbringt. Man lässt die Zeit passieren. Das suggerieren Saxofonist und Gitarrist, oder?
George Sand, die Geliebte Chopins, hieß eigentlich Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil. Und so scheint das Stück „Amantine“ Hinweis auf das Paar Chopin-Sand. Beim Hören des Stücks kann man nicht umhin, hier und da etwas Tänzerisches und Folkloristisches in der Melodieführung und in dem Duktus herausfiltern zu können. Prägnant sind neben den Weichzeichnungen des Saxofonisten auch die lang gezogenen Saitenlinien des Gitarristen Rubén Luis und das distinkte rhythmische Durchwirken des Stücks durch den Schlagzeuger. Auffällig ist das Wechselspiel zwischen dem Gitarristen und dem Bassisten des Quartetts. „Majorca“ („Mallorca“) ist ein weiterer musikalischer Bezugspunkt zur Biografie Chopins. Gleiches gilt für „Winter in Warschau“ („Invierno en Varsovia“).
Eher geheimnisvoll und ein wenig düster klingt der Beginn von „Majorca“, und man wartet auf eine feurige Entladung. Doch ruhig und verhalten ist im Weiteren der Duktus des Stücks. Glockenhell ertönt das Saxofon. Dabei ist die Frage, ob Jesse Rasmussen gar Sopransaxofon spielt. Jedenfalls nimmt mit der Saxofonsequenz das Stück eine klangliche Wendung, wird eher beschwingt, bekommt eine leichte Bop-Note und glänzt in Frühlingsfarben. Das wird auch durch das temporeiche Spiel des Gitarristen unterstrichen. Sehr beschwingt ausgestaltet ist „Ludwika“. Zugleich vernimmt man die Aufforderung zu einem Tanz, mal links und mal rechts herum. Zum Schluss erklingt dann „Noctambulo“ („Schlafwandlerin). Das musikalische Arrangement nimmt gegenüber den anderen Stücken durchaus eine Wendung, will sagen eine sehr rhythmisch, beinahe rockige Wendung dank an Ramon Diaz. Beinahe an Psychedelic Rock erinnert bisweilen das folgende Gitarrenspiel. Und dann sind die „Romanzen“ eines Chopin doch sehr fern!
© f. dupuis-panther
Ramón Díaz | drummer
Jeppe Rasmussen | saxophones
Marco Boi | bass
Rubén Luis | guitar
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