Rainer Böhm 4tet: Familia

Rainer Böhm 4tet: Familia

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Laika Records, CD3510384.2

Das jüngste Album des 4tetts um den Ravensburger Pianisten Rainer Böhm trägt den Titel 'Familia'. Warum er diesen Titel wählte, erläutert Böhm mit folgenden Worten: „Ich bin dankbar für die Liebe, den Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung in meiner Familie. Das möchte ich mit dem Album zum Ausdruck bringen.“ Die Besetzung der Combo besteht für die vorliegende Einspielung aus Rainer Böhm (piano), Johannes Enders (tenorsaxophone), Phil Donkin ( bass) und Peter Gall (drums). Der Bandleader des 4tetts spielte in der Vergangenheit auch mit bekannten Jazzmusikern wie Albert Mangelsdorff, Rolf Kühn, Dave Liebman, Randy Brecker, Tony Lakatos und Ack van Rooyen.

 

Eine nicht unwesentliche Rolle spielt bei der aktuellen Band von Böhm der aus Weilheim stammende Saxofonist Johannes Enders, für den Böhm den Titel 'Jo's Mind“ komponierte. Enders hat übrigens beim Label Laika Records jüngst die CD „ZeitGeistMaschine“ veröffentlicht. Dabei brilliert er wie im vorliegenden 4tet am Saxofon an der Seite weiterer Saxofonisten, die Alt-, Tenor- und Baritonsaxofon spielen, und als Begleiter nur noch einen Schlagzeuger neben sich „dulden“.

Doch nun zu 'Familia' und Rainer Böhm nebst Begleitern. Was dürfen wir nun von diesem 4tett erwarten? Flotte Melodien, romantische Passagen, verträumte Songs, Idylle in Musik transponiert? Schauen wir mal. Aufgemacht wird die CD nicht vom Titel 'Familia“ – so heißt ja auch die aktuelle Scheibe –, sondern von 'Pop Waltz'. Hm, also Tanzbares zu Beginn? Volkstanz und Ballroom Dancing oder was? Nein, wer den ersten Song anspielt, wird gleich merken, dass von einem Tanz nichts zu vernehmen ist. Die Melodieführung ist gefällig, aber die Taktung eines Walzers fehlt. Zart schweben die Passagen des Saxofons dahin, ehe dann unaufdringliche Pianosequenzen einsetzen. Bei den angestimmten Themen denkt man eher an 5-Uhr-Tee und gegebenenfalls einem Tänzchen um Mitternacht im Café Keese. Nach den auslaufenden Pianoläufen meldet sich Johannes Enders mit seinem vibrierenden Saxofon und ändert mit seinem Spiel die Grundstimmung des Songs. Enders verpasst dem Song eine energetische Infusion und moduliert das Stück entsprechend. Beschwingt ist der Modus , in dem sich das 4tet nun einrichtet.

Nachfolgend hören wir den namensgebenden Titel der CD. Eingeleitet wird die Hymne auf die Familie von Rainer Böhms teilweise beinahe ausufernden Pianoläufen. Hört man genau zu, dann meint man, dass hier und da klassische Musik angestimmt wird. Konzertant wirkt die Einführung, in die sich der Bass nach und nach einmischt. Dezent ist der Umgang des Schlagzeugers Peter Gall mit Trommeln und Becken. Ertönt das Saxofon, dann ist die Basslinie nicht zu überhören, die Rainer Böhm den entsprechenden Passagen, die Johannes Enders spielt, unterlegt. Auch der Bass tut ein Übriges, um diese Basslinie zu stützen. Lyrisch-melodisch ist wohl die am nächsten liegendste Kennzeichnung des Stücks, das wegen der Grundstimmung sehr an das Zusammenspiel von Ben Webster und Gary Mulligan erinnert. Nach dem Saxofonintermezzo ist dann der Mann an den weißen und schwarzen Tasten wieder am Zug. Die Familie, die Rainer Böhm besingt, scheint frei von Konflikten. Harmonie scheint allgegenwärtig. Welch eine Idylle! Gibt es denn gar nichts Dramatisches, Aufregendes, Konfliktreiches beim Thema „Familie“? Für Rainer Böhm augenscheinlich nicht, folgt man der musikalischen Linie des Stücks.

Auch der nachfolgende Titel – einer von insgesamt neun Eigenkompositionen Rainer Böhms – wird mit einem Klaviersatz eingeläutet. Worum aber handelt es sich bei „Kenny's World“? Ist es vielleicht eine Ode an den jüngst verstorbenen Kenny Wheeler? Wir müssten Rainer Böhm fragen, ansonsten bleibt es nur Spekulation. Zur Musik: Ostinato ist das Spiel Böhms, während sich Johannes Enders phrasierend zu diesem Ostinato einfindet und sich, wie so oft auf den Einspielungen der aktuellen CD, in den Dialog mit Rainer Böhm begibt. Der Grundmodus ist entspannt-bedächtig. Von Hektik ist keine Spur. Die Musik scheint sich als ein Ruhepol im Alltagsstress beweisen zu wollen. Die Annahme des dialogischen Spiels zwischen Böhm und Enders unterstreicht ein O-Ton des Bandleaders: „Johannes ist ein äußerst kommunikativer Spieler. Wenn wir auf die Parts des Anderen reagieren, erinnert das stark an einen Dialog.“

Johannes Enders auf den Leib komponiert hat Böhm den Titel 'Jo's Mind'. O-Ton Böhm: „Schon beim Komponieren konnte ich Johannes vor mir sehen – wie er bestimmte Melodien spielen, bestimmte Passagen interpretieren würde. Und genauso klangen sie nachher auch“. Bei der Arbeit von 'Unspielbar' drängte sich Rainer Böhm die Annahme auf, dass das Werk insbesondere bezogen auf den Bass nicht spielbar sei, doch der Bassist Phil Donkin belehrte ihn eines Besseren, und das können wir nun hören. Mit flotter Rhythmik überzeugt diese Komposition, die außerdem durch das Duett von Rainer Böhm mit Phil Donkin überaus besticht. Auch in seinem Solo zeigt Donkin, welche Qualitäten in ihm stecken und dass auch ein Bass mehr als nur behäbig daherkommen kann.

Die weiteren Titel der CD, die mit einer Hommage an Böhms Vater endet, sind vor allem lyrisch-poetischer Natur. Der Hörer kann sich fallen lassen, wenn Rainer Böhm und Co. aufspielen. Dass Böhms Kompositionen bis in das letzte Detail ausgestaltet sind, ist dabei kein Problem. Ganz im Gegenteil, so hat man als Zuhörer nichts Unvorhergesehenes zu erwarten, sondern kann sich dem entspannten Hören hingeben und die Musik in vollen Zügen genießen. Welche Wohltat!

© ferdinand dupuis-panther

English abstracht (press release - text by Laika Records)

To catch moods and to express emotions, this is the musical universe of Rainer Böhm. With his new album Familia the 36 year old pianist presents an album whose compositions remind of small songs.

Rainer Böhm belongs to the generation of young musicians who enrich the German jazz scene with her creativity. During the past years the Ravensburger by birth - which lives meanwhile in Cologne - won numerous national and international music awards. At the age of four years he began with piano lessons at the local music school, however, learnt also a lot from his father. His father could play pop songs on the piano, after he had heard them several times on the radio. An ability Böhm junior entranced and animated to play already very early also after hearing with which he laid an important basis for his today's musical access. „Even then I found more attractive to change pieces instead of playing them faithfully. There it was reminded itself to me quickly boringly“ explain the pianist.

At the end, nevertheless, Böhm clarifies, it is for him above all about the emotional content of music. „Other people write to express themselves, I have my compositions in which I find myself.“ And it's less for him more. He abhors the musical mallet which presses with much too striking motives in the auditory canals. „If things are coming too obviously, they does not touch me. Substantially more amusing I find it if it is more subtly and certain feelings and emotions are only indicated. "

Informationen

Label
www.laika-records.com

Band

Rainer Böhm
https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_B%F6hm_%28Pianist%29
http://www.musikrat.eu/index.php?id=4589&p_id=22

Johannes Enders
http://www.johannes-enders.com/de/


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