Piotr Schmidt 4tet - Dark Forecast
P
o-tone music
Der polnische Trompeter und Komponist Piotr Schmidt legt in diesen Krisenzeiten gemeinsam mit seinem Quartett ein neues Album vor. Was zeigt uns zum Titel des Albums das Cover? Eine aufgewühlte See mit weißen Turbulenzen? Man muss es annehmen. Oder sind es Momente eines Schneebrettabgangs bei nächtlichem Himmel, an dem vereinzelt Sterne funkeln. Düster scheinen die Aussichten, so suggeriert es das Cover und bringt es der Titel des Albums zum Ausdruck. Zu hören sind auf dem Album neben Piotr Schmidt drei polnische Spitzenjazzmusiker: der Pianist Wojciech Niedziela, der Bassist Maciej Garbowski und der Schlagzeuger Krzysztof Gradziuk. Eingespielt wurden neun wunderbare Eigenkompositionen und zwei Bearbeitungen von Kompositionen des „Godfather des polnischen Jazz“, Krzysztof Komeda. Letzterem ist unter anderen das Eröffnungsstück zu verdanken, eine Ballade aus dem in Schwarz-Weiß gedrehten Film „Messer im Wasser“. Von Komeda stammt außerdem „Ballad For Bernt“, das vorletzte Stück des Albums und vor dem Schlussakkord „A Place of Hope“(P. Schmidt) platziert. So endet die „düstere Aussicht“ doch noch mit einem Hoffnungsschimmer, oder?
Übrigens, bei sechs Stücken sind auch zwei Gäste zu hören, der kanadische Gitarrist Matthew Stevens und der US-amerikanische Saxofonist Walter Smith III. Der eine oder andere mag den Namen Piotr Schmidt schon vor dieser Albumveröffentlichung gehört haben, sind doch bereits elf Alben des polnischen Trompeters verlegt worden, darunter auch drei mit Schmidt Electric. Dass darunter obendrein ein Album ist, mit dem sich Piotr Schmidt vor dem berühmten polnischen Trompeter Tomasz Stańko verneigt, sei an dieser Stelle nur erwähnt.
Wie das an den Bug eines kleinen Segelschiffs plätschernde Wasser eines See hört sich an, was der Pianist des Quartetts den schwarzen und weißen Tasten entlockt. Wie lang gezogene Wolken, die am Himmel vorbeiziehen, erscheint das Spiel des Trompeters. Er scheint einen entspannten Sommertag zu besingen. Leichte Lüftchen wehen. Der Blick schweift in die Ferne. Die Hektik ist fern. Das sind Assoziationen, die beim Hören der Ballade aus dem Film „Messer im Wasser“ auftreten. Und dann ist es erneut am Pianisten, uns mit kleinen Stromschnellen des Klangs zu konfrontieren. Schließlich gibt es auch Raum für den solistischen Auftritt vom Bassisten Maciej Garbowski, wenn das Eröffnungsstück zu hören ist. Durchaus beschwingt und in frühlingshafte Pastellfarben getaucht erscheint „Don’t Know What You Got (Till It’s Gone)“. Darin eingebunden ist ein wunderbar melodisches Duett zwischen dem Bandleader und dem Gitarristen Matthew Stevens, der sich nach und nach aus der Zweisamkeit löst und ein sehr ausgereiftes Saitenspiel zum Besten gibt. Dabei streift er hier und da nicht nur das, was man von einem Jazzgitarristen erwartet, sondern wagt sich durchaus auch kurz in die Gefilde von Rhythm 'n' Blues. Perlende Tastensequenzen schließen sich an, tanzend und aufscheinend wie ein Heer von funkelnden Glühwürmchen. Nachfolgend ist es an Piotr Schmidt den warmen Klang seines Horns verströmen zu lassen. Zart und zerbrechlich klingen die Passagen zu Beginn von „A Melancholy Time“, die uns Wojciech Niedziela zu Gehör bringt. Eine gewisse Verzagtheit scheint dabei klanglich mitzuschwingen. Piotr Schmidt taucht mit seinem klaren Trompetenklang auf. In den Harmonien scheint er dabei einem Lamento verbunden. Er vereint sich in seinem Spiel mit dem gestrichenen Bass und dahinrinnenden Tastenfolgen. Man meint, es würde das Leben in Windeseile vorbeiziehen. Im Fortgang hören wir „Dark Forecast“. Der Höreindruck ist weit von dunklen Vorahnungen entfernt. Im gemeinsamen Spiel von Piotr Schmidt und Walter Smith III drängen sich keine Bilder von Krise und Katastrophen auf. Sehr quirlig erweist sich Smith III in der Ausformung seiner Phrasierungen. Diese gleichen dabei den gewagten Loops eines Kunstfliegers, oder? Sehr verspielt und im Diskant unterwegs erleben wir den Pianisten. Also woher rührt dann der düster anmutende Titel des Stücks?
Schmeichelnde Klangpassagen vernehmen wir bei „Little Leo“. Dabei haben wir teilweise den Eindruck, Schmidt suche die Nähe zum klassischen Modern Jazz und sei unterwegs zur Schönheit der Melodie. In keiner Sekunde überzieht der Trompeter sein Spiel. Nichts von Aufgeregtheit und von Gereiztheit ist dem Spiel zu entnehmen, anders als zum Beispiel bei Miles Davis. Würde man ein Bild bemühen, so ziehen bei Schmidt aufgeladene Klangwolken am zartblauen Jazzhimmel dahin. In dieses Bild passt auch das Solo des Gitarristen, dessen Spiel das Aufscheinen von zartem Frühlingsgrün nahe ist. „Shadows of Darkness“ ist erneut ein Titel, bei dem man an die dunklen Seiten des Lebens erinnert wird. Und setzt sich dies auch im Klangbild fort? Schlagwerk nimmt man zu Beginn wahr. Becken schwirren, Sticks tätscheln Felle, berühren einander. Ein Bass tritt an die Seite des Schlagwerks. Gewimmer und Geseufze einer gequälten Kreatur sind zu hören, so meint man. Zu verdanken ist Letzteres dem Trompeter des Quartetts. Nervös agiert derweil dazu der Schlagzeuger. Das Stück ist in dem Arrangement wirklich ein Kontrapunkt zu anderen auf dem Album. Es ist eher fragmentiert, ohne stringenten schönen Melodiefluss. Es ist freier als die anderen in den Klangsetzungen, gleicht eher einer Collage oder einem Schattenspiel im wahrsten Sinne des Wortes. Mit „Ballad For Bernt“ erklingt der Weichklang der Trompete, dabei durchaus an die Musik von Parker und Coltrane erinnernd, vor allem wenn der Tenorsaxofonist seine Stimme erhebt. Schließlich heißt es „ A Place of Hope“. Und damit endet ein wahrer Hörgenuss!
© ferdinand dupuis-panther
Infos
http://schmidtjazz.com
Line-Up:
Piotr Schmidt – Trompete
Walter Smith III– Tenorsaxophon
Matthew Stevens – Gitarre (Don’t Know What You Got (Till It’s Gone), Little Leo, Sharks, Fat Cats & Other Whales)
Wojciech Niedziela – Piano
Maciej Garbowski – Bass
Krzysztof Gradziuk – Schlagzeug
https://www.o-tonemusic.de