Piet Verbist Flamenco Jazz Summit – El Mar Empieza Aqui
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Über das Album schreibt das Label folgende Zeilen: „Forceful and mystic, with a beauty and intensity that reminded him of his first hearings of Miles, Mingus, or Monk, Belgian bassist & composer Piet Verbist was pulled into his deep study of Flamenco culture several years ago through a grant from the Royal Conservatory of Antwerp. After a dozen immersive trips to Andalusia to study, perform, and develop a repertoire, Piet presented concerts in Belgium and Málaga with his joint Spanish/Belgian ensemble, recording this album live in Antwerp at the end of 2023. Featuring Carmelo Muriel on the Bansuriney (a Muriel-designed wooden flute), Carlos Cortés on percussion and flamenco guitar, and Juan Sainz on drums, with Belgians Tom Van Dyck on saxophones, and Verbist's son, Milan Verbist on piano, the Flamenco Jazz Summit paints a sonic portrait both exotic and popular at first sight, but the dual cultural melting-pot conceived traditions of jazz and flamenco actually combine to prove deep and inimitable.“
Manitas de Plata, Paco de Lucia, Tomatito oder Pata Negra, d.h. Raimundo und Rafael Amador – das sind gewiss Referenzen bezogen auf den klassischen Flamenco. Piet Verbist ist im Übrigen nicht der erste Bassist, der sich dem Flamenco zugewendet hat, auch der französische Kontrabassist Renaud Garcia-Fons ist der „Versuchung“ erlegen, Flamencos in sein Repertoire aufzunehmen.
„Al-Andablues“ knüpft im Titel an die Zeit an, als die Mauren den Süden der iberischen Halbinsel beherrschten, als Toleranz der Religionen ein Gebot war, ehe mit der Reconquista und der Inquisition dies alles zunichte gemacht wurde. Aufgemacht wird dieses Stück mit einem Bass-Solo. Dabei scheint Piet Verbist bisweilen den Anschlag zu imitieren, die Flamenco-Gitarristen pflegen. Zum anderen vermeint man, dass der Bass die schweren Schritte der Flamenco-Tänzer einfängt, ehe dann das gesamte Ensemble zu hören ist. Herausragend dabei die Flöten- und die Saxofonstimme. Von der Melodielinie meint man, man lausche Musik des Orients gepaart mit Bop, insbesondere beim Saxofonsolo von Tom Van Dyck. Zugleich erlebt man die feurigen Tanz-Schwünge des Flamenco und muss dabei auch an die Verfilmung von „Carmen“ denken. Ein besonderer Genuss ist zudem das Flötensolo, bei dem die Leichtigkeit der Melodie zelebriert wird. Pianist und Drummer hingegen lassen uns die klickenden und stampfenden Tanzschritte auf den Dielen erleben. Das ist noch präsenter, wenn der Perkussionist ein Solo hinlegt, Felle wischt und wohl auch Darbuka oder Rahmentrommel spielt, mit harten Schlagfolgen Schlag auf Schlag.
Der Pianist Milan Verbist eröffnet „El Mar Empieza Aqui“, dabei starke Akzentuierungen setzend. Und dann folgt der Flötist Carmelo Muriel, der sein Instrument so klingen lässt, als würde eine Flamenco-Sängerin ihre Stimme hören lassen. Milan Verbist ist im Folgenden nochmals solistisch präsent und nimmt dabei auf, was Muriel angestimmt hat. Weich gezeichnet ist die anschließende Saxofon-Passage, die wir im Verlauf genießen können. Ja und dann zeigt uns der Saxofonist auch ein bisschen Bop und mehr; dabei seine Stimme über die des Harmonieinstruments erhebend. Im Kontrast steht dagegen die beinahe zerbrechlich klingende Flötenstimme, die immer wieder auszumachen ist.
Carmelo Muriel gewidmet ist das Stück „La Filosoía Del Jamón“. Blechrauschen und Tastenkaskaden vereinen sich. Zudem hört man Kastagnetten klacken. Vor allem aber bestimmen die Klangschraffuren der Flötist und der Saxofonist das Stück. Beide scheinen uns zuzurufen: „Baila, baila!“ Und dies setzt sich auch im sonoren Saxofonsolo fort. Da kann man sich das Klacken der Hacken und die Schritte mit gerafften langen Kleidern vorstellen, oder? Wenn allerdings der Flötist das musikalische Zepter führt, dann klingt das Gehörte durchaus auch ein wenig schwermütig und nach nicht realisierten Sehnsüchten.
An die Flüchtlinge dieser Welt, deren Zahl wegen der Kriege auf dem Globus stetig wächst, erinnert „Asylum“. Mit großer Geste ist die musikalische Inszenierung angelegt. Da mischen sich auch orientalisch anmutende Melodielinien mit einem wiederkehrenden „Bassmuster“ des Pianisten. Bisweilen hat man den Eindruck, man erlebe einen Abend auf dem Markt von Marrakesch mit Schlangenbeschwörern, Musikanten und Gauklern, als wäre der Suq des Vorderen Orients näher als die Mezquita von Cordoba oder die Alhambra von Granada. Und mit „Bull“, einer Buleria, endet das Album. Übrigens, eine Buleria ist eine der populärsten und vielseitigsten Varianten des Flamenco. Die Stimmung ist meist fröhlich ausgelassen; der Rhythmus ist schnell.
Das Album lebt von dem harmonischen Zusammenspiel des Ensembles, vor allem durch den Perkussionisten, den Flötisten und den Saxofonisten. Auch wenn Piet Verbist namentlich fürs Album zeichnet, so ist die Bass-Stimme abgesehen vom Eröffnungsstück und dem Stück „A child is born“ weniger prägend, oder? Nur gut, dass das Ensemble mit einer Ausnahme auf einen Flamenco-Gitarristen verzichtet hat, sodass das Album mit einer ganz eigenständigen Klangfärbung versehen ist. Das folkloristische Moment und das Klischee des Flamenco sind nicht vorhanden - und das ist gut so. Zum Abschluss noch Folgendes: „Y Allá Ella Está“ Ist das einzige Stück, auf der Carlos Cortés in die Saiten der Flamenco-Gitarre greift!
© ferdinand dupuis-panther
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Line-up
Carmelo Muriel - bansuri ney
Tom Van Dyck - alto & soprano sax
Milan Verbist - piano
Piet Verbist - double bass
Carlos Cortés - percussion & flamenco guitar
Juan Sainz - drums
TRACK LISTING
1 Al-Andablues 7:01 (Bulerias)
2 Nuevo Alterado 7:33 (Tanguillos)
3 El Mar Empieza Aqui 7:37 (Alegrias)
4 A Child Is Born 6:50 (Soleá)
5 La Filosoía Del Jamón 13:26 dedicated to Carmelo Muriel
6 Asylum 10:09 dedicated to all refugees in the world
7 Y Allá Ella Está 10:31 (Seguiriyas) dedicated to Griet Van Steen
8 Bull 6:08 (Buleias)
All compositions and arrangements by Piet Verbist,
except (4) comp. by Thad Jones, arr. by Piet Verbist