Pierre Vaiana - Amuri & Spiranza (fdp)
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Homerecords
Pierre Vaiana ist ein Geschichtenerzähler, ein Reisender, ein Suchender, einer, der zwischen den Kulturen driftet. Geboren wurde er in Waterschei (Flandern). Doch sein „Sehnsuchtsort“ ist Sizilien, woher seine Eltern stammen. Auf seiner Homepage lesen wir Nachstehendes: “Without really seeking to, I explored paths that filled me with a profound joy, by climbing paths that led me to the source of San Calogero, looking with fascination at the water’s course flowing in on itself, as it followed its various itineraries to then swirl into the natural lake of the «Nacuni di San Calogero». And also by the paths I took, returning to my home, by writing down this music, which seemed also to flow from a source, to swirl and take me to places that seemed new, only to resonate as if they had always been there, in the manner of a profound desire for peace, for harmony, for love and for hope.“
Und wer mehr zu den Geschichten und den Träumen des Sopransaxofonisten Pierre Vaiana wissen möchte, der vertiefe sich in das Booklet. Hier findet man Wort um Wort, was in der Musik zum Ausdruck gebracht wird. Gleich drei Saiteninstrumente spielen Vaianas jeweilige Begleiter: Bass, Cello und Gitarre. An diesen Instrumenten hören wir Boris Schmidt, Lode Vercampt und Artan Buleshkaj. Schließlich vervollständigt die Band der Drummer Lionel Beuvens.
Zuerst unternehmen wir eine musikalische Exkursion in das weiße Gebirge („Bianca muntagna“): Zarte Gitarrenklänge vereinen sich mit dem Samt-Klang des Sopransaxofons. Dessen Singsang gleicht einem sommerlichen Gebirgswind, wenn man dieses Bild zur Charakterisierung heranziehen mag. Und symbolisieren die Gitarrenriffs vielleicht die Schellen um die Hälse des Viehs, das im Gebirge umherzieht und grast? Ansonsten greift der Gitarrist auf, was Vaiana thematisch angestoßen hat. Zugleich meint man, man höre Rufe im Gebirge. Und dann, ja dann vereinen sich Saxofon und Bass. Oder ist es gar das Cello? Geschwirr nehmen wir wahr, als würden Myriaden von Insekten unterwegs sein. Ein wenig schräg und ungezügelt, hört sich an, was uns die Musiker präsentieren. Und dann vereinen sie sich, und es klingt ein wenig liedhaft-folkloristisch, oder? Serenaden-Klang oder was? Schließlich mündet alles im von Saxofonisten vorgetragenen Thema ein, wie zu Beginn.
Bei „Aqua“ wird eine Tonleiter erklommen, im wahrsten Sinne. Das ist Vaiana geschuldet. Derweil hören wir auch ein stetes Saiten-Plop-Plop. Irgendwie überkommt den Hörer der Eindruck, dass dieser Track auch ein bisschen etwas von einem Kinderlied hat, für wenige Momente. Zu dezentem Drumming entfaltet Artan Buleshkaj gläserne Klänge und Pierre Vaiana vermittelt den Eindruck, er spiele sein Saxofon ab und an mit einem Klarinettenansatz wie dies einst auch Paul Desmond tat. Alles fließt dahin. Man stelle sich ein Landschaftsgemälde mit See und Flüsschen vor, Ausfluss einer romantischen Bildkomposition. Idylle wird vermittelt. Für diesen Track findet Vaiana bezogen auf die Musik Worte wie „silbriger Schein des Wasser“, „perlendes Wasser“, „stetig tropfendes Wasser auf abgerundete Steine“ – siehe dazu das Beiheft der CD!
Verhalten und noch nicht mit hohen Werten auf der Beaufortskala entfaltet sich „Vento“. Zwischenzeitlich meint man, nur ein Lüftchen wahrzunehmen, wenn Vaiana sein Saxofon zum Säuseln und Schnurren bringt. Hört man da nicht auch Segeltuch im Wind flattern? Ein wenig wehmütig klingen die melodischen Linien schon, oder? Nur wenn der Gitarrist zum Solo ausholt sind sommerliche Klangfärbungen wahrzunehmen. Wie auch in anderen Stücken ist das Drumming sehr zurückhaltend und im Hintergrund zu hören. Einer der beiden Tieftöner meldet sich zu Wort, mit gestrichenen Saiten. Das klingt dann sogar eher nach Wehklage. Übrigens, laut Booklet assoziiert Vaiana seine Komposition mit dem warmen Wind aus der Sahara, der roten Sand übers Mittelmeer treibt. Nachfolgend hören wir die Komposition „Sàbbia“. Dabei vereinen sich zu Beginn Tief- und Hochtöner in einem Dialog. Erdigkeit trifft dabei auf scheinbare Schwerelosigkeit, so könnte man es formulieren. Im Laufe des Stücks entwickeln sich Wirbel und Verwirbelungen, dank an den Drummer und Gitarristen. Die dunkle Klangfärbung setzt sich allerdings fort.
“Waterschei“ ist eine Rückbesinnung auf den eigenen Geburtsort, ist Erinnerung an den legendären Popsänger Renato Granata, an italienisches Essen und tanzende Eltern. So schreibt Pierre Vaiana im Booklet. Gedämpft ist die Musik, in die sich auch einer der gestrichenen Tieftöner einmischt. Nach anfänglicher Melancholie geht das Stück in einen Tanzduktus mir Rumba-Anmutungen über. Würde man Vaianas Erklärungen nicht kennen, müsste man beim Hören an Musik zum Tanztee denken. Das ist längst eine Fußnote der Geschichte, aber Tanztees waren in den 1950er Jahren durchaus en vogue! Schließlich sei noch auf „Amuri & spiranza“ eingegangen: Liebe und Hoffnung sind in diesem Stück vereint. Auffallend ist anfänglich das Verschmelzen zweier Saiteninstrumente, ehe dann die sonore Stimme Vaianas die Klangmelange bestimmt.
© fdp2023
https://www.pierrevaiana.com
Tracks
Bianca muntagna
Aqua
Vento
Sàbbia
Palazzo Adriano (Finalmente)
Non ho l'intenzione di morire !
Giufà
Waterschei
Amuri & spiranza
Adàsciu adàsciu