Pierre Favre & Samuel Blaser notes - Same Place, Another Time
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Blaser Music DL/LP
Seit 2020 verlegt der Schweizer Posaunist Samuel Blaser beim eigenen Label Blaser Music seine Musik. Bisher sind acht digitale Alben herausgegeben worden. „Same Place, Another Time“, aufgenommen in Luzern, ist das erste Album des Labels auf Vinyl und enthält sieben Kompositionen. Die digitale Version zum Download umfasst neun Tracks. Das aktuelle Album erscheint übrigens zum 85. Geburtstag von Pierre Favre.
Über das Duo verschiedener Generationen im Jazz lesen wir: „When drummer Pierre Favre and trombonist Samuel Blaser perform together, Favre often tells audiences that they are from the same part of Switzerland, but born at different times. Since their differences of vintage are instantly evident — Favre was born in Le Locle in 1937, Blaser a few kilometers away in La Chaux-de-Fonds in 1981 — the comment usually earns a laugh. And there’s a good chance that the audience won’t be the only ones laughing; for evidence, check out Blaser cracking up at Favre’s introduction to “La danse des ours” (“Dance of the bears”).“
Es ist der ausgeprägte Sinn für Humor, der beide Musiker verbindet. Sie sind seit der Herausgabe ihres ersten gemeinsamen Albums „Vol À Voile“ (Intakt Records) ausgiebig in China, den USA und Europa unterwegs gewesen. Beide stammen aus einem Umfeld, das nicht unbedingt als Jazz affin anzusehen ist, sondern eher für die Tradition des Uhrenmachens bekannt geworden ist. Und dennoch … beide haben mit den Größen des Jazz auf der Bühne gestanden: Favre spielte mit Don Cherry, Dexter Gordon, Albert Mangelsdorff, Irène Schweizer, und Peter Brötzmann; Blaser mit Daniel Humair, Gerry Hemingway und Paul Motian.
Auf dem weitgehend improvisierten experimentell ausgerichteten Album stechen Monks “Round Midnight” und Dukes “Mood Indigo” hervor und fallen aus der Reihe.
Zunächst flattert ein „Farbvogel“ („L'oiseau de couleur“) am Hörer vorbei. Aufgemacht wird das Stück mit dem steten Getrommel Favres. Anschließend lässt Blaser seine Posaune vor allem in den tiefen Klangregionen erklingen. Da gibt es ein Schnurren und Brummen, selten ein in die Höhensteigen. Favres Trommelwerk klingt in einem Bild gesprochen wie eine Ansammlung von Wehren mit entsprechenden Wasserwalzen. Bedächtig setzt Blaser seine Töne, ab und an auch mal ein Tremolo. Dreierschritte sind bei Blasers Gebläse außerdem auszumachen. Und diesen folgt Favre in seinem Spiel, das selten auf die Bleche setzt. Verflüchtigend wie Schlieren, die die Maler des Informel auf Leinwänden hinterließen, erscheint Blasers Spiel obendrein. Gelegentlich gewinnt man den Eindruck, der Posaunist würde klanglich die Schritte eines Davonlaufenden einfangen.
Mit einem geblasenen Wowowowow beginnt “La Moretta”, ehe dann ein Ausbruch ins Falsett erfolgt. Sogleich aber kehrt Blaser wieder in die „Brusttöne“ seines Instruments zurück. Da hört man Gemurmel und Rumoren, begleitet von Blechschwirren. Versucht sich der Posaunist nicht auch im Fado? Man möchte es glauben. Doch in erster Linie ist das Spiel mit Bodenhaftung ausgestattet, gründet sich in der Bassausformung. Bedingte Lebendigkeit ist auszumachen. Eher scheint Phlegma angesagt und die Verlangsamung des Seins. Und auch Favre setzt gelegentlich die Basstrommel in Szene. Dann aber ändert sich der Charakter des Stück, scheint der Posaunist entfesselt und in der Stimmung, mit einer Marching Band durch die Straßen zu ziehen. Nachfolgend hören wir den Titel „Same Place, Another Time“, der auch dem Album seinen Namen gab. Flott ist das Tempo, nicht zuletzt dem Drummer Pierre Favre geschuldet. Und auch der Posaunist lässt sich nicht lumpen und zeigt sich munter. „Fliegende und fallende Linien“ vernehmen wir. Da werden tonale Parallelen hörbar gemacht. Beinahe im Stakkato-Modus befinden sich beide Musiker, die musikalisch auf einen Höhepunkt zusteuern.
Ein Klassiker ist „Round Midnight“, nicht zuletzt aufgrund des gleichnamigen 1986 vollendeten Films über die Jazzszene der 1950er Jahre in Paris auch popularisiert. In diesem Film spielen neben Dexter Gordon auch Wayne Shorter, Tony Williams, Billy Higgins (Schlagzeug), John McLaughlin, Éric Le Lann, Michel Perez, Freddie Hubbard, Pierre Michelot und Ron Carter mit. Geführt wird das Musikerensemble von Herbie Hancock, dem Komponisten der Filmmusik, der als Pianist auch selbst im Film auftritt. Die Adaptation der Monkschen Komposition ist bei Blaser und Favre sehr puristisch und lehnt sich stark an Monks Aufnahme an. Und doch bekommt der Hörer einen ganz eigenen Hörgenuss geboten, ist doch kein Bass und kein Piano mit von der Partie. Man könnte zwar sagen, dass Blaser auch den Bass abdeckt, aber in erster Linie ist er auf das Thema und die Phrasierungen fokussiert.
Bei “La danse des ours” („Tanz der Bären“) scheint zunächst eine gedämpfte Posaune mit im Spiel. Vom Rhythmus und den Harmonien her müssen die Zuhörer ohne Frage an die Auftritte von Marching Bands in New Orleans und an Mardi Gras denken, aber auch die Aufzüge zu Beerdigungen durch die Straßen des „French Quarter“. Da ist Kid Ory näher als jedwede freie Improvisationen. Zum Schluss steht dann Duke Ellingtons „Mood Indigo“ auf dem Programm der beiden Schweizer Musiker.
© ferdinand dupuis-panther
Info
BANDCAMP
https://www.jazzhalo.be/interviews/samuel-blaser-a-conversation-with-the-swiss-trombonist/
https://www.jazzhalo.be/interviews/ontmoeting-met-samuel-blaser/
Line-up
Samuel Blaser - Posaune
Pierre Favre – drums
Tracklisting
1. L'oiseau de couleur 08:11
2. La Moretta 06:52
3. Same Place, Another Time. 05:10
4. Round Midnight 05:27
5. La Pinocchio 06:32
6. La danse des ours 04:09
7. Mood Indigo 06:42