Phalanx - Wild
P
Berthold Records
Angekündigt wird die Musik des Albums als ein „Amalgam aus Jazz und Avantrock, elegischen Klaviermelodien und einer frei drehenden Gitarre“. Also kann man wohl Jazz, Rock, Noise und mehr erwarten, wenn die vier Musiker von Phalanx aufspielen. Der Bandname klingt nach Geschlossenheit, doch wer die Musik hört, wird eines Besseren belehrt.
Die Musiker um Bandleader Mathieu Bech (Klavier) – Axel Zajac (Gitarre), Michael Haupt (Bass) und Johannes Pfingsten (Schlagzeug) – sind die Akteure von Phalanx, einer Band, die mit „Wild“ ihr Debütalbum präsentiert. Über diese Musiker lesen wir Nachstehendes: „Axel Zajac spielt Gitarre bei der Metal-Freejazz-Band Malstrom und hat das Prinzip der Noise-Infusion in diesem Rahmen perfektioniert. Der Bassist Michael Haupt bildet so etwas wie einen Gegenpol, mit dem eher sonnig temperierten Jazztrio Joern And The Michaels. Und Schlagzeuger Johannes Pfingsten ist in zahllosen Projekten unterwegs, unter anderem mit dem Drum'n'Bass-Duo Wallfacer.“
Schon bei den ersten Takten fragt man sich, ob sich da eine Heavy Metal oder Hard Rock Band an Jazzimpressionen versucht. Zunächst einmal hat man eher den Höreindruck von Metal und Hard Rock, denkt an Rory Gallagher, Black Sabbath oder Gary Moore und andere Musiker der harten Rockklänge. Doch Phalanx ist nicht ausschließlich im Hard-Rock-Fahrwasser unterwegs. Da werden auch feine Klangsequenzen auf dem Piano eingewoben, hört man feinst gewirkte Saitenklänge. Und das gilt auch für „Köln“, einem Stück, in dem es explodierende Klangsequenzen zu erleben gibt, einschließlich jaulendender Gitarrenpassagen im Schnelldurchgang. Wird da etwa der Lärm eines Großstadtdschungels zu Gehör gebracht, der klangliche Wolkenbruch im Stadtgedränge? Ja und nochmals ja. Und zwischendurch scheint die Musik auch in Richtung Uriah Heep und ähnlicher Bands abzudriften. Weiter geht es, nachdem „Köln“ verklungen ist. „Vollgas“ wird gegeben und im Fokus stehen erneut der Gitarrist Axel Zajac und der Pianist und Bandleader Mathieu Bech. Klang-Stampeden werden inszeniert. Neben harten Beats des Drummers vernimmt man die klanglichen Windhosen des Pianisten, der sehr energievoll die Tasten seines Klaviers traktiert und das wohl im wahrsten Sinn des Wortes. Da schießen Tastenklänge gleichsam über Klippen, sind Brüche und Stürze auszumachen, werden Bilder von kaskadierenden Wassermassen wachgerufen. Hier und da vernimmt man auch eine weichgezeichnete Gitarre. Zum Schluss allerdings scheint das Klanginferno sehr nahe, oder?
Eher verhalten-lyrisch ist der Anfang von „Hansa 55“. Beim Hören entstehen Bilder von einer Landschaft flach wie ein Kuchenblech über die zerrissene Wolken dahinziehen. Beinahe perlend ist das Klavierspiel von Mathieu Bech. Zwischendrin meint man gar Anlehnungen an klassische Musik auszumachen. Tiefgründiges gibt der Bassist in einem eingestreuten Solo zum Besten. Dabei erlebt man den Bass jenseits des sonst üblichen Phlegma einen beinahe „tanznden Bass“. Zugleich ist dann auch das Rockige völlig vergessen, das wir zu Beginn des Albums erlebten. Eher elegisch geht es bei dem Stück zu. Sprunghaftes zelebriert der Pianist auf den weißen und schwarzen Tasten. Losgelöst scheint das, was wir erleben. Vierteilig ist die anschließende „Hymne“ auf „Mexiko“. „Mexiko 1“ lebt von nervösem Rhythmus, dank an den Schlagzeuger. Doch auch die übrigen Musiker stimmen in der Kurzatmigkeit der Klänge darin ein. Drummingstakkato ist auszumachen und ebenso eher langwelliges Tastenspiel. Und dann ja dann meint man, man tauche in Musik von Mussorsky ein, bewege sich zwischen Hummelflug und Säbeltanz. Schließlich dringen Wauhwauh und anderes Saitengejaule an unsere Ohren. Alvin Lee, Ten Years After oder was? – das mag der eine oder andere angesichts des Gitarren-Tsunamis denken. Phalanx aber verharrt nicht in einem Spielmodus, sondern zeigt sich variantenreich, wechselt von Rock zu elegischem Klavierklang, so auch gegen Ende von „Mexiko 1“. Beim intensiven Hören beschlich den Rezensenten zudem der Eindruck, Keith Emerson sei im Geiste auch zugegen.
Mit einer gewissen Melodramatik eröffnet „Mexiko 2“. Dabei fokussiert sich alles auf den Pianisten. Dessen Spiel wird ein wenig Noise beigegeben, ohne den Klang der Tasten in den Hintergrund abzudrängen. Weiter geht es mit dem dritten Teil von „Mexiko“: Aufgefaltet wird nachfolgend das Saiten-Gezupfe, begleitet von Klavier“trillern“ und schnellenden Basssaiten. Unruhig wirkt das, was wir hören. An Ausbruch und Aufbruch muss man denken, nimmt das Stück seinen Fortgang. Klangrotationen werden zu Schleudergängen im Klangmix. Schließlich mündet alles in den vierten Teil von „Mexiko“ ein, zunächst mit verhaltenem Klavierspiel im Solo. Beinah fragil erscheint das Gehörte. Und diesen Eindruck konterkarieren auch die anderen Bandmitglieder nicht durch ihre Beiträge. Etwas Liedhaftes und ein wenig Barockes wohnen dem Stück bei. Mit „September“ rundet das Quartett das Debütalbum ab, bei dem auf die klassische Jazzinstrumentierung, Saxofone eingeschlossen, verzichtet wird. Und das tut dem Album überhaupt keinen Abbruch. Im Gegenteil, es eröffnet den Blick auf eine Melange von Rock und Jazz jenseits des klassischen Jazz Rock der 1970er und 1980er Jahre.
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