Peter Lehel, Kalman Olah, Mini Schulz: Lyrical Album

Peter Lehel, Kalman Olah, Mini Schulz: Lyrical Album

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Finetone Music FTM 8038

Bereits mit dem Cover – es zeigt ein langhorniges Graurind – sind wir auf die Puszta, eine einmalige europäische Steppenlandschaft, und damit auf Ungarn eingestimmt, im übertragenen Sinne auch auf die Musik von Béla Bartók, die das Trio zum Anlass genommen hat, ihre eigenen ungarischen Melodien zu finden und zu präsentieren. Das beginnt bereits mit „Bartók Impressions“, zeigt sich in „Hungarian Research Nr. 1“ und „Hungarian Research Nr. 2“, zudem in „Hungarian Sketch Nr. 4“. Abgerundet wird das vorliegende Album mit „Dark Rose“. Die Kompositionen stammen entweder von Kálmán Oláh, so „Bartok Impressions“ und „Always“, oder von Peter Lehel,  u. a. „Hungarian Research 1 und 2“ sowie „Dark Rose“.

Die Instrumentierung des Trios besteht aus Klavier (Kálmán Oláh), Kontrabass (Mini Schulz) sowie Sopran-, Alt- und Tenorsaxofon, Alt- und Bassklarinette, aber auch Tárogató (auch Taragot). Das Taragot ist ein Holzblasinstrument mit einfachem Rohrblatt und ähnelt äußerlich der Klarinette, ist allerdings eher mit einem Saxofon vergleichbar. Dieses Instrument wurde in Ungarn gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt und gilt auch als Nationalinstrument Ungarns.

Mit „Bartók Impressions“ wird der musikalische Reigen eröffnet. Dabei rinnen die Töne, die den schwarzen und weißen Tasten des Klaviers entstammen, dahin, als würde die Bewegung eines schmalen Rinnsals eingefangen und als würde man das Treibgut auf der Wasserfläche mit den Augen verfolgen. Teilweise ist die Basshand Kálmán Oláhs sehr dominant. Im weiteren Verlauf steigert sich die Dramatik, so als würde ein Gewitter im Anmarsch sein. Man könnte sich angesichts der Klavierpassagen aber auch eine Horde wilder Pferde vorstellen, die über die Ebene jagt. Beinahe wehklagend hört sich das Saxofon an. Wenn man denn nicht von wehklagend sprechen will, dann muss man jedoch eine gewisse Melancholie konstatieren, die den Harmonien und Melodielinien innewohnt. Vielleicht fängt Peter Lehel ja auch den Wind ein, der stetig über die ungarische Steppe hinwegfegt. Sprunghaftigkeit zeichnet das weitere Spiel von Kálmán Oláh aus. Steht das für das Grauvieh, das in der Steppe unterwegs ist und auch das Cover des Albums ziert? Die nachfolgende Saxofonsequenz ist sehr lyrisch ausgeformt. Auffallend ist der Tatbestand, dass sich Peter Lehel und Kálmán Oláh dialogisch gegenübertreten, immer dabei auch paraphrasierend und den Dialog fortsetzend. Im Hintergrund hält sich über weite Strecken der Bassist Mini Schulz. Gerne wüsste man, welche Kompositionen von Béla Bartók denn für „Bartóks Impressionen“ Pate gestanden haben.

Doch verharren wir bei dem Stück, das hier und da auch Ansätze eines Volkstanzes durchscheinen lässt, ohne in 'Balkanova' abzugleiten. Dabei entwickeln sich sehr schöne „Duette“ zwischen Peter Lehel und Kálmán Oláh, die darauf Wert gelegt haben, dass eine thematische Grundstruktur an diversen Stellen immer wiederkehrt.

Es ist ja nicht so, dass „Bartóks Impressionen“ nicht dazu angetan sind, sich dem Nachsinnen und Besinnen hinzugeben. Dazu hat man allerdings vermehrt bei der Komposition „Contemplation“ (Peter Lehel) die Gelegenheit. Klavierpassagen und Bassgezupfe eröffnen das Stück, ehe Peter Lehel seinen weichen Saxofonklang beimischt. Leichtigkeit und Unbeschwertheit bündeln sich  in den nachfolgenden Klaviersetzungen, die perlend-verspielt daherkommen. Mit beinahe romantischer Attitüde findet das Stück seine Fortsetzung, ohne jedoch süßlich zu wirken. Was wird eigentlich besungen? Ein Tag in der Puszta? Das scheinbar idyllische Landleben fernab einer Metropole?

Eingespielt wurde auf diesem Album außerdem „Cry from East“, ein „Schrei aus dem Osten“. Fürwahr das, was wir hören, erscheint mehr Orient denn Okzident. Es scheint eher der Gebetsruf des Muezzins als der Glockenschlag, der an unser Ohr dringt. Peter Lehel lässt dabei seine Blasrohre so klingen, als würde er türkische Kunstmusik oder die Volksweisen des Balkans zum Besten gebe. Doch das ist nur zu Beginn der Komposition von Peter Lehel der Fall. Anschließend gewinnt man mehr und mehr den Eindruck, europäische und nicht vorderasiatische Folklore habe als Anregung gedient, um das Stück zu konzipieren. Auch klassische Anmutungen sind zu erleben, vor allem wenn das musikalische Zepter in den Händen von Kálmán Oláh liegt und dessen Finger „akrobatische Tastensprünge“ vollziehen. Die zweite Hälfte der Komposition wird durch das intensive musikalische Gespräch zwischen Peter Lehel und Kálmán Oláh bestimmt. Da fliegen die musikalischen Wortfetzen hin und her, Kommentare und Widerrufe. Endlich ist im Nachgang dann auch Mini Schulz solistisch an seinem Tieftöner zu vernehmen. Auch er phrasiert zu den Passagen, die zuvor seine Mitmusiker gemeinsam gestaltet haben. Tanzen da gar am Ende wilde Derwische oder sind es musikalische Bilder von verwegenen Reitern, die uns die Mannen um Peter Lehel vermitteln?

Es gibt „feuchte Träume“ und augenscheinlich auch trockene, denn „Dry dreams“ heißt das Stück, dem wir uns zuwenden wollen. Zu Beginn der Komposition von Peter Lehel hat man den Eindruck, man lausche Smooth Jazz. In ruhigem Fahrwasser sind wir auf jeden Fall unterwegs. Aufgeregtheit fehlt völlig. Eher denkt man beim Zuhören an einen Sonnenuntergang, den da Peter Lehel mit seinem Blasrohr einfängt. Auch an sonntägliche Beschaulichkeit fühlt man sich erinnert, folgt man der Melodieausformung. Für tonale Verwirbelungen ist über weite Strecken Kálmán Oláh  am Piano verantwortlich.

In die Welt von Béla Bartók tauchen wir ein, wenn „Hungarian sketch Nr. 4“ (Kálmán Oláh) zu Gehör gebracht wird. Zum Schluss reicht uns das Trio eine „Dark Rose“, ein von Peter Lehel geschriebenes Stück . Dieser spielt dabei Bassklarinette und wandert durch die Welt der Tieftönigkeit, beinahe möchte man sagen durch die musikalische Unterwelt. Eher in den Diskant hingegen bewegen sich die Hände von Kálmán Oláh. Dieses Spannungsverhältnis – hier Bass und dort Sopran, hier eine gewisse Erdverbundenheit und dort eher Losgelöstheit und Verspieltheit – machen den Reiz dieser Komposition aus.

Text © ferdinand dupuis-panther

Informationen

Label
http://www.finetone.de

Musiker
Peter Lehel
http://www.peterlehel.net
http://peterlehel.net/german/projects/peter-lehel-kalman-olah/


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