Perry Smith Quartet: Street Sense
P
BJUR 039
Zum Quartett des in Brooklyn beheimateten Gitarristen und Komponisten Perry Smith gehören Dayna Stephens (saxophone), Sam Minaie (bass) und Ross Pederson (drums). Im „Waschzettel“ des Labels lesen wir: „Das Ergebnis der Zusammenarbeit zeigt sich darin, dass die Kompositionen stark in der Jazz-Tradition verwurzelt sind, zugleich aber dank der beteiligten Musiker und deren Kreativität eine frische Note bekommen.
Mit "Mr. R. A. The Warrior", inspiriert durch Smiths Kompositionslehrer Ralph Alessi, beginnt das Album. Smith äußert sich über seinen Lehrer mit folgenden Worten:“He often talked about the importance of 'repetition', and I used that as a compositional tool to write this song. I found a melody and harmony that I could effectively repeat and develop at the same time.“ Selbstverständlich ist auch der Titel auf dem Album zu hören, der zur Namensgebung führte: "Street Sense". Aus diesem Stück und dessen Thema entwickelte Smith "Talking Points": "I wanted to write a song in 5/4 time that had a more unpredictable, but still simply, melody. When seeing the notes written on the page, I equated them to points on a map. Understanding that music is a language I came up with the title.“.Mit "Happy Jungle" schließt das Album. Es ist zugleich Smiths Hommage an New York City.
In New York ist Smith überhaupt kein unbekannter Jazzer, tritt er doch regelmäßig in Clubs wie dem Blue Note Jazz Club oder The Village Vanguard Dizzy's Club Coca-Cola auf.
Eine Hommage an den eigenen Gitarrenlehrer eröffnet den musikalischen Potpourri: Nicht etwa dem Gitarristen und Bandleader Perry Smith ist die Einleitung überlassen worden, sondern dem Saxofonisten Dayna Stephens. Smith hält sich eher bedeckt und setzt wenige Akzente, derweil sich Stephens im Spielfluss befindet. Losgelöst und unbeschwert, so als solle die Schwerelosigkeit besungen werden, erscheint nachfolgend das Duett, dass sich zwischen Stephens und Smith entwickelt. Es scheint ein Spiel von Wort und Widerwort, ja auch das eines Widerstreits und des strittigen Dialogs. Von der Klangfarbe her erscheint dabei Smiths Spiel eher beschwichtigend, während dem Saxofonisten die Rolle zufällt, sich aufzuregen und zu erregen. Auch der Bassist beteiligt sich am Rande am munteren Gespräch mit der ihm eigenen Tieftönigkeit, die jedoch in ihren Sequenzen aufnimmt, was die Mitspieler angerissen haben. Einschmeichelnd dank der Hörfarben ist die Melodie von „Street Sense“, einer Komposition, die wiederum durch das dialogische Zusammenspiel von Gitarre und Saxofon bestimmt wird. Dabei ist nicht zu überhören, welche Dynamik und Kraft in den Händen eines Saxofonisten liegt. Nur wenn der Saxofonist leisere und beschwingt-lyrische Sequenzen anstimmt, kommt auch der sanfte Klang der Gitarre zur Geltung. Hört man dem Stück zu, so fühlt man sich an die Szenerie einer Shopping Mall oder eines Kaufhausbummels erinnert. Gitarre und Saxofon scheinen in ihren angestimmten Passagen das Für und Wider eines Kaufes musikalisch umzusetzen. Wenn etwa in der Hälfte der Komposition Smith das musikalische Zepter in die Hand nimmt, dann meint man auch Freundinnen beim Tratsch zu erleben bzw. bei gegenseitiger Kaufberatung. „Abwägend“ meldet sich auch der Bass zu Wort.
Nein, nicht um Landmarken geht es, sondern um Punkte in der Stadt, die eine ganz individuelle und keine allgemeine Bedeutung haben. „Talking Points“ ist ein sehr flotter Song, mit dem man auch ein Roadmovie über New York untermalen könnte. Man stelle sich eine Fahrt in einem gelben Cab vor. Am Steuer sitzt wie in „Night on Earth“ Armin Müller-Stahl, der so seine Schwierigkeiten mit dem Taxi und mit der Orientierung hat. Seine DDR-Vergangenheit ist ihm dabei nicht hilfreich. So cruisen wir durch Brooklyn und Manhattan, fahren zum Times Square und nach Greenwich.
„Open Space“ besingt Orte, an denen man im Dschungel der Wolkenkratzer urbane Weite spürt. Vielleicht entführt uns Smith ja mit seinem Song in den Central Park oder in einen der zahlreichen Gärten, die im Zuge von Guerilla Gardening entstanden sind? Leichtigkeit strahlt der Song auf alle Fälle aus, so als hätte Perry Smith einem Gleitflieger zugeschaut und ihm Teile der Melodielinie auf den Leib geschrieben. Zu Leichtigkeit fällt wohl dem einen oder anderen assoziativ der Begriff Unbeschwertheit ein. Jedenfalls drängt sich beim Zuhören dieser Eindruck auf. Übrigens, bei diesem Stück fällt dem Saxofon mal eine weniger tragende Rolle zu.
Zum Schluss begeben wir uns in den „Glücklichen Dschungel“: Wie wir aus dem Mund von Smith erfahren, meint er damit New York. Das mögen nicht alle, die dort leben, vor allem nicht die, die auf der Schattenseite stehen, so sehen. Dank des überaus gekonnten, wenn auch teilweise divergierenden Spiels des Saxofonisten und des Gitarristen des 4tets entsteht ein vielfarbiges Kaleidoskop. Man spürt Gelassenheit, aber auch Anspannung im Spiel.
Vielleicht treibt es Perry Smith ja mal nach Europa, um einer der hiesigen Großstädte ein Hohelied zu komponieren. Man darf jedenfalls auf die Projekte gespannt sein, die noch folgen werden.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Brooklyn Jazz Underground Records
http://www.bjurecords.com
Perry Smith
www.perrysmithmusic.com