ONDŘEJ ŠTVERÁČEK QUARTET Calm
O
Newportline NPL0016-14
Ruhig und still geht es auf der vorliegenden Scheibe ganz und gar nicht zu, wenn Ondřej Štveráček am Tenorsaxofon, Klaudius Kováč am Piano, Tomáš Baroš am Bass und Gene Jackson am Drums zu hören sind. Kein Wunder, denn ein Saxofon ist ein sehr einnehmendes musikalisches Sprachrohr. Eröffnet wird das Album mit einer Komposition von Ondřej Štveráček namens „Spanish“ - und das kommt uns beim Zuhören im übertragenen Sinne ganz und gar nicht spanisch vor. Vom Leader des Quartetts stammen zudem „Jin-Fizz“ und „Calm“. Der Bassist Tomáš Baroš steuerte mit „Red in Brown“ und „D1“ zwei Titel bei. „King of Saxophone“ aus der Feder des Amsterdamer Saxofonisten Emiel Wienholts und „Meditation“ komponiert von Ondřej Štveráček runden das vorliegende Album ab.
Anlässlich des 10. Geburtstags des Jazzfestival Steyr (Austria) konnte ich das Quartett live erleben: „Klangstürme des Saxofons fegten durch das ehrwürdige Alte Theater. … Das Saxofon ist schon ein mächtiger Klangkörper, vor allem das Tenorsaxofon. Zu diesem gesellte sich dann auch Gene Jackson mit ein wenig Schlagzeuggetöse – aber nur sehr begrenzt und umrissen. So servierte uns das Quartett ihren „Jin Fizz“. … „Calm“, also ruhig, wie der Albumtitel suggeriert, war keiner der Songs, die die Band spielte. Zu mächtig war der Klangkörper in Gestalt des Saxofons. „Calm“ war keine sanfte und leise Komposition, aber eine, die zum Teil nicht gar so kräftig und blasgewaltig daherkam. Zwischenstücke waren bedächtig im Tempo, doch der tonale Schwall war überwältigend, so als ob sich eine Welle über den Köpfen der Zuhörer mit Wucht bricht.“ So mein Bericht vom Konzert!
Furios eröffnet das Quartett das aktuelle Album. Nein, nicht irgendeine Adaptation von Bizet steht auf dem Programm, sondern eine Komposition von Ondřej Štveráček, der sich spanisch gibt und doch eher die Klaviatur des Jazz spielt. Wüsste man es nicht besser, so könnte man die Komposition für die Filmmusik eines Cinema Noir-Streifens halten. Dramatik pur ist von der ersten Sekunde an zu spüren. Stellenweise meint man gar die musikalische Untermalung für einen der blutigen, aber für viele Spanier so attraktiven Stierkämpfe in der Arena zu erleben. Wild und zügellos zeigt sich Ondřej Štveráček am Saxofon, temperamentvoll Klaudius Kováč am schwarz-weißen Tastenmöbel. Kaskadierend ergießt sich der Klang des Saxofons. Dabei wird auf den einen oder anderen Triller nicht verzichtet. Neben Ondřej Štveráček agiert auch Klaudius Kováč mit vollem Energieeinsatz, derweil Gene Jackson am Schlagwerk für allerlei Wirbel sorgt.
Genehmigen wir uns nachfolgend einen musikalischen Jin-Fizz. Auch bei dieser Komposition liegt die musikalische Dominanz ganz eindeutig beim Saxofonisten Ondřej Štveráček, der mit nervös-dramatischem Spiel für Aufsehen sorgt. Gekonnt scheint er das Nachtleben New Yorks einzufangen, die funkelnde Neonreklame, den nie abreißenden Autofluss, die zahlreichen Gäste, die in die Bars und zu den Shows eilen. Einige tun dies auf Stöckelschuhe, was augenscheinlich Klaudius Kováč mit seinem rasanten und tippelnden Tastenspiel einzufangen versucht. Und in den Bars der Stadt genehmigt man sich einen Cocktail, bei dem Gin der Hauptbestandteil ist. Gut geeignet scheint der Song auch als Untermalung eines Gangsterfilms zu Zeiten der Prohibition, das wilde Ausschießen untereinander dabei ebenso inbegriffen wie fiese, korrupte Polizisten. Al Capone lässt grüßen.
Ja, „Calm“ beginnt eher verhalten im Tempo und beinahe balladenhaft. Wiederum ist es die Klangfarbe des Saxofons, die alle anderen klanglichen Nuancen in den Schatten drängt. Stimmlich ist das Quartett schon sehr stark auf Ondřej Štveráček ausgerichtet, auch wenn nach der Einleitung ein sehr lyrisches Spiel des Pianisten folgt. Doch das ist nur von kurzer Dauer, denn dann nimmt Ondřej Štveráček wieder das Zepter in die Hand, und es folgt einem verwegenen Spiel auf dem Atemrohr. Das klingt dabei weniger nach Ruhe und Stille, was der Titel nahelegt, sondern nach Attacke und Aufruhr, nach Unruhe und nach wilder Verfolgung. Nur dann, wenn der Pianist, wenn auch sehr akzentuiert, in die Tasten greift, entspannt sich das musikalische Geschehen ein wenig.
Was erwartet man, wenn man „King of Saxophone“ hört? Ein sich überschlagendes Saxofon mit klanglichen Stromschnellen ausgestattet? Doch beim Hören wird man eines Besseren belehrt. Gar sanftmütig zeigt sich Ondřej Štveráček. Ja, er kann auch die leisen Töne mit den Klappen seines Atemrohrs hervorzaubern. Der Song scheint ein Liebeslied auf das Saxofon zugleich. Mit „Meditation“ klingt das Album aus. Auch hier spüren wir ein sachtes Klangrauschen. Doch so recht in die Entspannung bringt uns Ondřej Štveráček mit seinen gekonnten Umspielungen nicht. Zu aufgewühlt zeigt sich das Saxofon, dass einen tonalen Regen auf uns niederprasseln lässt. Na ja, Ondřej Štveráček präsentiert eben keine New-Age-Musik. Stattdessen konfrontiert er uns mit vielfarbigen Klangformen im Nachgang von Dexter Gordon und Sonny Rollins sowie den anderen Jazz-Giganten, deren Erbe auch Ondřej Štveráček von weitergetragen wird.
Text. © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
http://www.newportline.cz
Musiker
Ondřej Štveráček
http://www.ondrejstveracek.com/
http://www.ondrejstveracek.com/?page_id=28
Steyr Jazzfestival 2016
http://www.jazzhalo.be/articles/steyr-jazzfestival-2016/