Olivier Holland – GJAZZ5

Olivier Holland – GJAZZ5

O

Timezone Records

In den Zeiten der Pandemie kaum denkbar, dass man eine Band zusammenstellen und mit ihr Aufnahmen machen kann, wenn die Bandmitglieder aus den USA, Neuseeland und Deutschland kommen. Doch dem Bassisten und Hochschullehrer Olivier Holland ist das im aktuellen Fall gelungen. Er stammt eigentlich aus dem Ruhrgebiet, lebt und arbeitet aber nunmehr als Hochschullehrer im neuseeländischen Auckland. Seine jetzige Tätigkeit an der Universität von Auckland war nur möglich, nachdem er erfolgreich seine Dissertation geschrieben und verteidigt hat. Seit drei Jahrzehnten ist Holland Teil der internationalen Jazzszene. Er spielt sowohl akustischen Bass wie auch E-Bass. Damit fing er bereits im Alter von 16 Jahren an, ehe er dann 1991 sein Studium in Arnheim begann, ehe er ein Jahr danach auf die renommierte Folkwang-Universität wechselte und dort Jahre später die Diplomprüfung ablegte.

Nun ist Hollands Lebensmittelpunkt Auckland. Ebenso wie er ist auch der Saxofonist Roger Manins an der Universität von Auckland als Hochschullehrer tätig. Zudem ist er künstlerischer Direktor des Creative Jazz Club Aotearoa. Der zweite Tenorsaxofonist im Bunde ist Denis Gäbel, der als einer der wichtigen deutschen Vertreter des Post-Hard-Bop angesehen wird. Aus Mönchengladbach stammt der Swing-Gitarrist Joscho Stephan, der als Gast auf dem Album zu hören ist. Aus den USA stammen der Pianist Geoffrey Keezer, der auf dem Album aber auch E-Piano und Synthesizers spielt, sowie der Drummer Terreon Gully.

Mit Ausnahme von „Tanktified“ (comp.  Terreon Gully) stammen alle anderen Kompositionen auf dem Album von Olivier Holland, angefangen beim Eröffnungsstück „ $ 10 Per Rat“ über „ Mrs. Bombastic“ , „Morse Code“, „For Heidi“ und „Easyaz!“ bis hin zu „Venus Fly Trap“ , „Don’t Worry“ und schließlich „10c Per Fly“ (gemeinsam mit David Holland !). Insgesamt wurden 13 Tracks aufgenommen, die alle Raum für ausgiebige Soli bieten und auch dafür, das Ensemble in seine Elemente herunterzubrechen. Ein Quintett ist eben nicht nur ein Quintett, sondern bisweilen auch ein Duo oder Trio!

E-Piano trifft auf Tenorsaxofone – das ist keine Frage beim Eröffnungsstück „$ 10 Per Rat“. Hm, nach Rattenfängerei klingt es aber nicht, was wir nachfolgend vernehmen, nämlich den satten Klangschwall, durchaus mit Hard-Bop-Anlehnungen und keine verführerische Melodie. Ein wenig zwischen Smooth Jazz und Fusion changiert danach der Pianist an seinem E-Piano, das im Gegensatz zum gängigen Klavier, schöne Bei- und Nachklänge als Klangmenü serviert. Röhrend, röchelnd, leicht ätzend – so gibt sich im Solo einer der beiden Saxofonisten. Leider ist nicht vermerkt, wem das Solo geschuldet ist, denn beim ersten Stück spielen sowohl Gäbel als auch Manins Sopransaxofon. Wer liest, dass auch Joscho Stephan im ersten Track zu hören ist, der wird auf Swing im Geiste Django Reinhardts verzichten müssen. Stephan spielt ein sehr schönes Gitarrensolo, aber eher in der Tradition der Granden der Jazzgitarre jenseits von Django Reinhardt. Schnurrend setzt einer der beiden Saxofonisten dann die melodische Linie des Stücks fort, auf- und absteigend, mit Umspielungen, schnurrend, aber nie übertrieben röhrend. Ab und an hat man sogar den Eindruck andere Lagen, als Tenor hören zu können, nämlich Alt und sehr selten Bariton. Wie eine Rahmenhandlung in der Literatur zeichnet sich das erste Stück auch dadurch aus, dass das Thema am Ende wieder in Erscheinung tritt.

Grand Piano statt E-Piano heißt es in der Eröffnung von „Mrs. Bombastic“, ein Stück mit gewissen Anbindungen an klassische, romantische Musik, so scheint es. Sehr weich ist der Klang des Holzbläser, der sich nachfolgend im Raum ausbreitet. Denis Gäbel ist der musikalische Geschichtenerzähler am „Blasrohr“. Klänge schmelzen dahin und vergehen. Sehr akzentuiert und auf den Punkt genau schließt sich der Pianist Geoffrey Keezer mit seinem Fingerspiel an Denis Gäbel an. Rollende und sprunghafte Klangelemente sind zu differenzieren, ehe dann der Tenorsaxofonist erneut sein Instrument in den Fokus rückt, ein wenig säuselnd, schmeichelnd, eher in einer Klang-Gouache als in einem klanglichen Action Painting. Im Kern ist das Stück so arrangiert, dass eigentlich nur zwei Instrumentalisten den Fokus bilden: Pianist und Saxofonist. Die anderen Musiker spielen eher eine „Nebenrolle“.

Mit Morsezeichen, sprich  „Morse Code“ geht es dann weiter: Der Pianist ist in diesem Falle auf dem E-Piano der Morsezeichengeber. Wiederkehrend und kurze Klangfolgen sind wahrzunehmen. Doch welche Botschaft morst er da? Neben dem E-Piano kommt außerdem auch ein Synth mit ins Spiel, der eher kehlig-brummend im Klang daherkommt. Kristallin anmutende Passagen vernimmt man im weiteren. Dazu gibt es ein streng gesetztes Tak-Tak-Tak, dank an den Drummer. Hin und wieder hört man auch ein Taktak. Flirrend und schwirrend sind die nachfolgenden Sequenzen angelegt. Dabei vereinen sich E-Piano und Synth. Fließende Klangmuster sind deutlich auszumachen, dabei auch in Bassgefilde vortastend. Sehr dezent und lyrisch sind die „Module“, die der Pianist Geoffrey Keezer vorträgt. Im Bild gesprochen meint man viele Bächlein fließen zu hören, die mäandrierend durch einen Buchenwald ihren Weg suchen. Hintergründig und punktuell agiert Olivier Holland am Bass, derweil Keezer am E-Piano sehr fragile Sequenzen anstimmt. Man meint, eine Reihe von gläsernen Dominosteinen fallen um. Die Saxofonsegmente des Stücks liegen in den Händen von Denis Gäbel. Sobald die Stimme des Holzbläsers in „For Heidi“ wahrzunehmen ist, wird die Basslinie in diesem Stück prägnanter, dank an Olivier Holland. Auch im Weiteren lässt es sich der Bassist nicht nehmen, das perlende Spiel des Pianisten am E-Bass zu begleiten. Und was hat das alles mit Heidi zu tun? Welche Heidi ist gemeint? Die aus der Kinderbuchliteratur von  Johanna Spyri? Es bleibt kryptisch, oder? Ignorieren wir einfach den Tracktitel und geben uns ganz den „musikalischen Schraffuren“ hin, die von Denis Gäbel gegen Ende des Stücks weitgehend bestimmt werden.

Bei „Easyaz!“ sind erneut beide Saxofonisten zu hören, die auch thematische Zwischenspiele setzen, mit und ohne Ansatz von Groove. Exaltiertes dringt ans Ohr des Zuhörers. Im Weiteren scheinen durchaus Nat und Cannonball Adderley im Geiste zugegen zu sein, oder? Die Melodielinie fließt dahin. Und dann ist da ja noch Joscho Stephan, der seinen Saitenklang zum Arrangement beisteuert. Da fliegen die Finger über die Bünde und Saiten. Es scheint nur ein Vorwärts zu geben, was anschließend auch der eine der beiden Saxofonisten signalisiert. Alles ist von Leichtigkeit bestimmt. Einem verfremdeten Glockenspiel bzw. Hackbrettspiel gleicht zeitweilig das, was uns danach der Pianist auf seinem E-Piano zu Gehör bringt. Kaskaden des Tastenklang gibt es obendrein, wenn das Grand Piano zu hören ist, das der Pianist gleichfalls spielt. Endlich gibt es auch ein Basssolo, mit dem Olivier Holland brilliert. Auch er ist auf seinem Tieftöner flink mit den Fingern unterwegs. Das dem Bassisten nachgesagte Phlegma ist nicht vorhanden, sondern es ist vieles im unbändigen Fluss.

Bei der „Venusfliegenfalle“, eigentlich eine fleischfressende Pflanze, die im Englischen als „Venus Fly Trap“ bezeichnet wird, sind beide Saxofonisten involviert. Eher in getragenem Tempo kommt das Stück daher. Aquarelliert ist das Spiel des Pianisten. Schlieren des Klang vermischen sich. Und im Hintergrund hört man den Bass und das Schnarren der Saiten. Ein eher verwischter Klang des Holzbläser tritt hinzu, um die Vorstellung von einer Venusfliegenfalle umzusetzen. Von Dramatik ist in dem Stück keine Rede. Warum auch? Wer sich den Klappen der fleischfressenden Pflanze nähert, wird gefangen und verdaut. Das geht alles seinen vorbestimmten Gang. Widerstände gegen das Gefressenwerden sind vergebens. Das Finale lautet dann: „10c Per Fly“. Dabei scheint dann auch ein wenig Funk mit im Spiel zu sein – ein sehr gelungener Abschluss, zumal auch nochmals der Gast Joscho Stephan zu hören ist und auch Olivier Holland am Bass zu Hochform aufläuft.

Nachsatz

Übrigens ein Teil der Einnahmen aus dem CD-Verkauf (NZD 5,- je Album) wird für die Rettung der Meere gespendet, siehe entsprechenden Link unter Infos!

© ferdinand dupuis-panther


Infos

https://timezonerecords.lnk.to/gjazz5
https://www.olivierholland.com/donations
https://www.olivierholland.com/gjazz5

Line-up

Olivier Holland - Electric and Upright Basses
Geoffrey Keezer - Electric and Grand Pianos; Synthesizers
Terreon Gully - Drums
Denis Gäbel - Tenor Saxophone (tracks 1, 2, 4, 5, 6, 9, 11, 12 and 13)
Roger Manins - Tenor Saxophone (tracks 1, 6, 7, 8, 9, 11, 12 and 13)
Joscho Stephan - Guitar (tracks 1, 6 and 13)


Track list

1. $10 Per Rat Olivier Holland 08:49
2. Mrs. Bombastic Olivier Holland 08:25
3. Morse Code Olivier Holland 04:18
4. What? Olivier Holland 05:35
5. For Heidi Olivier Holland 09:23
6. Easyaz! Olivier Holland 10:39
7. Tanktified Terreon Gully 07:14
8. DOG Olivier Holland 07:43
9. VENUS FLY TRAP Olivier Holland 04:57
10. Bad Tuesday Olivier Holland 03:55
11. Don’t Worry Olivier Holland 06:47
12. Van Dump Olivier Holland 06:49
13. 10c Per Fly David & Olivier Holland 07:53


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