Number Junky – Earth Matters

Number Junky – Earth Matters

N

Cool it! Records/Symphonic Distribution

Der dänische Gitarrist, Komponist und Improviser Kristian Borring, inzwischen im westaustralischen Perth heimisch geworden, legt nunmehr sein jüngstes Album gemeinsam mit dem Bassisten Zac Grafton und dem Drummer Peter Evans vor. Als Gast ist auf dem Album der in New York lebende, kubano-amerikanische Pianist Fabian Almazan zu hören. Es ist übrigens für das Trio das Debütalbum und für den Gitarristen Borring das sechste. Neben eigenen Stücken hören wir auch zwei Arrangements von Kompositionen Charlie Parkers, darunter „Segment“.

Nachfolgend ein O-Ton von Borring: “The exploration of numbers for us really refers to time and rhythm. While we play with polyrhythmic ideas what we explore in particular is the notion of complex musical meter – in the jazz world also referred to as odd-meter and mixed meter.” Und zu „Earth Matters“ meint Borring: “The tune appears to be pretty straight forward with a memorable melody and apparent laid-back time feel, but from a rhythmic and harmonic perspective it is actually pretty complex, The trick is not to make these challenges obvious to the listener, which I think creates an underlying tension in what appears to be sweet little tune.”

Zum Albumtitel wurde der Gitarrist inspiriert, als er sich mit seinen Kindern im Scitech eine interaktive Ausstellung zum Thema Erde anschaute. Eigentlich ist es ja schon 5 nach 12 und Maßnahmen sind dringend notwendig. In diesem Kontext spricht Borring von „green mindset“, das zwingend geboten ist.

Nein, bei „Bluesish“ bekommt der Zuhörer keinen Blues. Dazu gleichen die Klangfarben zu sehr der Farbpalette von Pastellkreiden. Im Fokus des Stücks steht der Gitarrist Kristian Borring, der mit Weichzeichnungen das Melodische einfängt. Dabei scheint er ganz in der Tradition der Legenden der Jazzgitarre zu stehen, ob Jim Hall, Attila Zoller oder Joe Pass. Er lässt die Klänge zirkulieren und oszillieren. Das hat nichts von Draufgängerischem, das wirkt nie überdreht wie so mancher Rockgitarrist. In die Fußstapfen des Gitarristen tritt nach dem „Gitarrensolo“ der Bassist, der sich von der Tieftönigkeit hier und da befreit. Die Schönheit der Melodie ist das Streben des Trios und das Thema wird nicht nur einmal angespielt, sondern durchzieht das Stück. Wer beim Hören an J. J. Cale denken muss, mag das tun, aber …

Nach „The Elf“ , einem Stück, bei dem auch der Pianist Fabian Almazan mit teilweise sprunghaften Klangschichtungen zu vernehmen ist, folgt das namensgebende Stücks fürs Album: „Earth Matters“. Zuvor erfreuen wir uns allerdings an den sanften Klangwellen, die Kristian Borring zu verdanken sind. Zugleich nehmen wir auch die klanglichen Kristallisierungen wahr, die der Pianist zum besten gibt. Nun aber zu „Earth Matters“. Angesichts des Klimawandels und der Tatsache, dass der blaue Planet seiner Endlichkeit entgegen sieht, vernimmt man keine „schiefen“, eruptiven oder explosiven Passagen. Kontrapunktisches ist auch nicht wahrnehmbar. Borring bleibt mit seinem Trio im Duktus, den wir bereits in den ersten Takten des Albums erleben können. Und auch der Drummer entfacht kein Feuerwerk auf den Blechen und Fellen seines Drumsets. Irgendwie lebt auch dieses Stück von pastellzarten Klanglinien.

Mit „Segment“ hat sich das Trio einen Charlie-Parker-Titel vorgenommen. Legendär ist Parkers Einspielung mit Miles Davis und Max Roach. Doch Borring verzichtet auf Bläser und vertraut ganz auf sich und seinen Bassisten, also auf die Allgewalt der klingenden Saiten. Borring selbst übernimmt dabei die thematische Einführung und die Paraphrasierungen begleitet vom Tieftöner des Trios und dem beinahe im Stakkato verharrenden Drumming, einschließlich eines entsprechenden Solos von Peter Evans.

Dass der in Perth lebende Gitarrist Borring eine seiner Kompositionen mit „Freiburg“ betitelt, unterstreicht, dass er eben auch einen europäischen Hintergrund hat – Dänemark und Großbritannien. Aber wie kam er auf Freiburg? Eine Stippvisite, ein Kurzurlaub in einer Großstadt im Schwarzwald, an der Breisach gelegen und unweit von Titi- und Schluchsee? Der Rezensent kann das nur vermuten. Aufgemacht wird das Stück von einem fein ziselierten Basssolo, das Klanghöhen nicht ausspart. Und dann ist es erneut am Gitarristen den Klangraum mit langen wohltemperierten Gitarrensequenzen zu füllen. Lauscht man diesen, so umweht einen ein warmer Saharawind. Und doch geht es um den Schwarzwald, oder?

Dem Helden eines Comics ist die Komposition „Tintin“ gewidmet. Die Bildgeschichte – in Deutschland als „Tim und Struppi“ erschienen  – stammt von Hergé, dem nahe Brüssel ein Museum gewidmet ist. Und auch im Brüsseler Comicmuseum findet man Tim mit der flotten Haartolle in Begleitung seines Terriers namens Struppi. Beide erleben zahlreiche Abenteuer rund um den Globus. Davon erzählen die Comicbände „Der Sonnentempel“ und „Flug 714 nach Sydney“. Leicht rockig und in Richtung Fusion ausgelegt ist das Stück. Dabei ist die Rhythmisierung der Komposition auch dem als Gast auftretenden Pianisten zu verdanken. Und erneut nehmen wir Kristian Borring als denjenigen wahr, der im Fokus steht. Er entwickelt mit flinken Umgriffen auf seiner Gitarre klangliche Stromschnellen und Wildwasser. Und auch der Pianist geizt nicht mit markantem perlenden Tastenspiel, das auch das Diskant nicht ausnimmt. Schließlich noch ein Wort zum Schlussakkord: „Song Etude“. Leider ist aufgrund der Aufnahmetechnik teilweise „Misstöniges“ zu hören, sprich das metallische Geschiebe der Grifffinger zwischen den Bünden. Ansonsten ist dies aber keine Etüde im klassischen Sinne. Es geht ja auch nicht um Fernando Sor oder Matteo Carcassi, sondern um eine moderne Gitarrenetüde.  Wäre da nicht das „akustische Beiwerk“, wie oben angeführt, wäre auch das letzte Stück ein Hochgenuss wie die übrigen Stücke des Albums.

© ferdinand dupuis-panther




Infos

https://www.kristianborring.com


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