Nils Wogram Root 70: Wise Men Can Be Wrong

Nils Wogram Root 70: Wise Men Can Be Wrong

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nWog records, nwog 014

Mitwirkende bei dem aktuellen Album sind: Nils Wogram (Trombone), Hayden Chisholm (Alto Saxophone), Matt Penman (Double Bass) und Jochen Rückert (Drums). Trotz aktueller Trends scheinen die vier Musiker sehr davon überzeugt, dass auch Standards noch heute ihre Berechtigung haben und es halt auf das Wie und nicht auf das Was ankommt, sprich, wie man diese Standards heute darbietet. Mit der vorliegenden Veröffentlichung hinterfragen Nils Wogram und seine Mitstreiter auch ein Konzept von Jazz, das nur noch freie Improvisationen und Free Jazz sowie Mischformen mit Punk, Rap, Hip-Hop gelten lässt. Old School ist die abfällige Bezeichnung für alles, was das Great American Songbook ausmacht - zu Unrecht finde ich! Wogram und seine Mitmusiker lassen Songs von Billy Strayhorn, Cole Porter, Henry Mancini oder Jerome Kern wieder aufleben. Es sind Songs von Gestern, Popsongs von Gestern, wenn man so will, auch in Teilen einfach strukturiert. Doch sie waren alle sehr populär, und zwar zu einer Zeit, als es noch nicht derart divergierende Musikrichtungen gab wie heute. Weder gab es Streaming noch Internet-Radio. Musik wurde weitgehend live gespielt, auch und gerade zum Tanzen. Erst mit dem Bebop veränderte sich die Situation, und Tanzen zu Jazzmusik war verpönt.


Nachfolgend ein O-Ton von Nils Wogram zur Frage, ob man Standard spielen solle oder nicht: “The reality of many jazz musicians looks like this: they care for these standards in secret, but would never do so in public.” Im Weiteren führte Wogram aus: “And if you have recently resorted to playing this material, then in as complex arrangements as possible.” Muss man dann nicht Standards in ein neues Gewand kleiden, also möglichst frei interpretieren? Auch dazu hat Nils Wogram eine Position: “Of course, it would have made sense to bend these standards so far that ‘our thing’ results, but that is what I did not want to do this time. For me it was rather about recording simple songs simply.”

Einfache Songs einfach zu spielen, scheint Wogram am Herzen zu liegen: „After 15 years of playing together in this band, I find that one can sometimes dare to play such simple material. In your own compositions, you can always find a lot yourself, per se. For standards, however, it is much harder to find something of yourself, because you have these incredible role models. As you get older, you can deal with your own sound more confidently. You have nothing to reinvent and can create something original anyway.“

Auf dem Album sind Aufnahmen von Billy Strayhorn - „Isfahan“ und „Chelsea Bridge“ - ebenso zu finden wie „Moon River“ (Henry Mancini). „Once Upon A Summertime“ von Michel Legrand steht bei Root 70 ebenso auf dem Programm wie Jerome Kerns „The Song Is You“. Auf Klassiker wie „Autumn Leaves“ und „All The Things You Are“ müssen wir allerdings verzichten. Auch „Caravan“ wurde von Root 70 nicht eingespielt. Dass man gleich zwei Tieftöner – Bass und Posaune – in der Band findet, ist die Eigenart der Band, zu der mit dem Altsaxofonisten Hayden Chisholm ein ausgewiesener Freigeist des Jazz und zugleich Vertreter der freien Improvisation gehört. Auch er aber verheimlicht seine Liebe zu Standards nicht.

Auf geht es in den Orient, wenn „Isfahan“ erklingt. Dieser Jazzstandard wird im Übrigen sehr schnell mit Duke Ellington in Verbindung gebracht und nicht mit dem schwulen, afroamerikanischen Musiker und Komponisten Billy Strayhorn – sehr zu Unrecht. Wahrscheinlich liegt diese Ignoranz gegenüber Strayhorn in der Geschichte der Diskriminierung von Schwulen und Afroamerikanern begründet, die noch bis weit in die 60er und 70er Jahre an der Tagesordnung war.

Einleitend hören wir ein sehr lyrisches Solo des Altsaxofonisten Hayden Chisholm, der das musikalische Thema in seine Hände genommen hat. Zu ihm gesellt sich mit dumpfem Brausen Nils Wogram an der Posaune, die dabei die Rolle des Kontrabasses übernimmt und den zarten Klang des Altsaxofons mit einem wabernden Tieftongesang unterlegt. Etwa zur Hälfte der Komposition vereint sich die Band zu einem gemeinsamen Spiel. Das gestrichene Schlagzeug und der gezupfte Dickbäucher sind dann auch im Hintergrund wahrnehmbar. Doch den beiden Bläsern gehört eindeutig die Klanghoheit. Dabei wechseln sich Chisholm und Wogram mit ihren solistischen Sequenzen ab. Beide lassen dabei immer wieder das Thema aufleben und verfangen sich nicht in ausschweifenden Improvisationen.

Trommelwirbel, Trommelwirbel und wieder Trommelwirbel – so beginnt „Once Upon A Summertime“. Lange ist der Mann an den Trommeln jedoch nicht allein auf weiter Flur. Nils Wogram lässt den samtenen Klang seiner Posaune ertönen, ehe dann Chisholm mit dem Altsaxofon seine tragende Rolle spielen darf. Ähnlich wie bei „Isfahan“ ist die Stimmung, die von diesem Stück ausgeht, eher wehmütig, schwermütig und auch auf gewisse Weise tragisch. Nein, beschwingt klingt anders. Beim Hören kommen Assoziationen zu Herbstwetter, fallenden Blättern und früher Dunkelheit auf.

Bei der Interpretation von Cole Porters „I Concentrate On You“ lässt sich Nils Wogram anfänglich mit seiner brausenden Posaune vernehmen, über die Chisholm seine hochgestimmte, feine Klangsequenzen legt. Wogram klingt beinahe wie ein Hornist einer Marching Band, bei der es um den richtigen Schritttakt geht. Im Fortgang des Stücks wird es beschwingter. Man denkt bisweilen sogar an Tanzmusik, was der Rhythmik geschuldet ist. Diese wiederum ist Sache von Bass und Schlagwerk. Auch bei Porters Komposition müssen wir unwillkürlich an einen kühlen Nachmittag in der Stadt denken, gerade gut genug für einen Schaufensterbummel, einen Kaffeehausbesuch oder einen langen Strandspaziergang am Atlantik.

Gemessen an den übrigen Aufnahmen handelt es sich bei „Too Marvelous For Words“ um eine sehr flotte Nummer. Tanztee um Fünf, bitte – das war meine erste Assoziation. Sehr fein ist das Spiel von Hayden Chisholm, der für mich auf seinem Altsaxofon leichtfüßige Bewegungen nach links und rechts einzufangen scheint.

Kommen wir schließlich zum „Mondfluss“, diese „tränenreiche, romantische Hymne“, mit der das vorliegende Album schließt. Henry Mancini ist vor allem für seine Filmmusikern bekannt. So ist auch „Moon River“ Teil eines Films: „Moon River" erhielt den Academy Award for Best Original Song und ist aus „Breakfast at Tiffany's“ (1961) mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle bekannt. Gewiss, Mancinis Musik ist schon eher süßlich und hat auch alles, was ein Ohrwurm braucht. Doch Root 70 verleiht ihm ein neues Gewand, das nicht gar so aus sentimentalem Garn gewirkt ist.

Text: © ferdinand dupuis-panther

Informationen

Label
nWog records
http://www.nwog-records.com/

Musiker
Root 70
http://nilswogram.com/bands/root-70

Nils Wogram
http://nilswogram.com/

Interview mit Nils Wogram in Jazz'halo
http://www.jazzhalo.be/interviews/nils-wogram-interview-with-the-trombone-player/


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