Nils Wogram Nostalgia - Things we like to hear
N
NWOG Records
Über das unterdessen fünfte Album des Posaunisten Nils Wogram, des Drummers Dejan Tersić und des Organisten Arno Krijger heißt es in einem Pressetext: „Bei allen Neuerungen trägt das Album immer noch unüberhörbar die Signatur von Nostalgia. Aber im Gegensatz zu den früheren Alben des Trios stellt Wogram nicht mehr die Frage, woher kommen wir, sondern aus der Perspektive der Gegenwart: Was gilt es, aus der Vergangenheit zu bewahren? Er imaginiert die Gegenwart aus der Perspektive der Zukunft.“
Mit „Lucerne or Japan“ beginnen die drei Musiker ihre musikalische Reise, bei der sie auch „Superfood“ anbieten. Der namensgebende Albumtitel „Things we like to hear“ ist zudem zu hören, gefolgt von „Rich people in a bad mood“, „Soft power“ sowie „Quality Is Our Responsibility“. Mit „Possibilities Gain Desires“ endet das Album.
Schon die ersten Takte von „Lucerne or Japan“ grooven. Ein leichter Ska-Modus ist auszumachen und außerdem der Klang der Melodica, die Nils Wogram spielt, ehe er den vollmundigen Klängen der Posaune den Vorzug einräumt. Dabei vernimmt man das Blasrohr mit seinen neblig-schlierigen Sequenzen. Arno Krijger paart im weiteren Verlauf seine wabernde Orgel mit dem eher spitzen Klang der Melodica. Tief summend gibt sich Nils Wogram in den nachfolgenden Passagen. Dazu setzt Dejan Tersić distinkte Schlagwerksetzungen. Die Frage des Titels nach Luzern oder Japan scheint dabei nachrangig. Der Hörer wird nämlich von dem melodischen und groovenden Klangspiel des Dreigestirns voll und ganz eingenommen. Bisweilen meint man, man vernehme eine Tuba oder ein Sousafon, wenn Wogram in die Klangtiefen seines Instruments abtaucht. Nervös gibt sich die Melodica in „Superfood“, teilweise an eine Mundharmonika erinnernd und sehr rhythmisch unterwegs. Für einen satten Klangteppich, der ausgerollt wird, sorgt Arno Krijger. Und wie im ersten Stück wechselt Wogram im Verlauf des Vortrags zur Posaune, die alle Behäbigkeit abgestreift hat. Wahre Posaunengaloppaden erlebt der Zuhörer. Auffallend ist, dass das Trio aufgebrochen wird und jeder der Beteiligten Raum für seine Klangprägungen findet, so auch der Organist, der Wograms Passagen paraphrasiert, derweil der Drummer an seinen Trommeln intensiv wirbelt und aus dem Hintergrund der eher metallisch-spitze Klang der Melodica ans Hörerohr dringt.
„Things we like to hear“ ist ein getragenes Stück, das sich zu Beginn aus dem Off zu bewegen scheint. Feines Klanggeriesel – dank an Arno Krijger – ist zu vernehmen, ehe die sonore Posaune die Klangregie übernimmt. In Langwellen dringt die dunkle Bassstimme der Posaune ans Ohr des Hörers, während sich der Organist in den diskanten Klängen seines Instruments bewegt, Sind da nicht auch Besenschläge des Drummers mit im Spiel? Beim Spiel von Krijger wird man zeitweilig an Keith Emerson erinnert, oder? „Rich people in a bad mood“ zeigt einen schnurrenden Posaunisten im wilden Klangspiel. Ab und an meint man, Nils Wogram würde seine Posaune auch als Sprechrohr nutzen. Insgesamt strahlt das Stück den Geist freier Improvisationen mit starken Tempowechseln aus. Teilweise drängt sich der Eindruck auf, man lausche Motoren- und Alltagsgeräuschen und würde mitten auf einer großen Kreuzung während der Rush Hour ausharren und O-Töne aufnehmen. Aufgeregt und erregt gibt sich Nils Wogram, während Arno Krijger teilweise im Hintergrund agiert, ehe er dann gemeinsam mit der Melodica seine bewegten Sequenzen zu Gehör bringt.
Zwischen Blues und Ballade ist „Soft power“ einzuordnen. Da schwingen Sehnsüchte und Wehmut mit. Auch ein wenig Lamento wurde dem Stück beigegeben. Wäre zu dem Stück ein Text für eine Singstimme geschrieben worden, so würde wohl Billie Holliday wie in „Strange Fruit“ die Wahl der Vokalistin sein. Welch ein Kontrast zu „Soft power“ ist da bei „Plants can't wait“ auszumachen. Ein schnelles Tempo, harte Beats, rasante Posaunensequenzen, die in lange Klangwellen übergehen. Und der Drummer sorgt dafür, dass ein striktes Vorwärtsstreben eingehalten wird. Nils Wogram folgt diesem Streben mit eilenden Klangschritten. Und auch Arno Krijger lässt sich nicht zweimal bitten und lässt seine Finger über die Tasten seiner Hammondorgel huschen. Das führt zu einem steten Klangrausch, der an herbstliche Winde mit Laubrascheln erinnert. Zum Schluss heißt es dann „Possibilities Gain Desires“, ein Stück mit einem kurzen Drummingsolo am Beginn und einer gewissen Blueswürze bis zum Schluss.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
https://nwogrecords.bandcamp.com/album/things-we-like-to-hear
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/n/nils-wogram-root-70-wise-men-can-be-wrong/
https://www.jazzhalo.be/interviews/nils-wogram-interview-with-the-trombone-player/
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/n/nils-wogram-nostalgia/