NICOLAS KUMMERT feat. Lionel Loueke: La Diversité (F. Dupuis-Panther)
N
Edition Records
Der belgische Saxofonist Nicolas Kummert ist kein Unbekannter, ist er doch nicht nur mit der Band Drifter, mit Jef Neve und GrooveTHing sowie Viktor Lazlos Tribute to Billie Holiday und der Yves Peeters Group zu hören. Lionel Loueke, Blue Note Records-Gitarrist und Sänger aus Benin, konnte von Kummert für das aktuell vorliegende Album gewonnen werden. Neben den Genannten sind Nicolas Thys und am Schlagzeug Karl Janneska Mitglieder des Quartetts um Kummert. Sechs der 14 Tracks des Albums sind Duette von Nicolas Kummert und Lionel Loueke. Sie unterstreichen die musikalische Vielschichtigkeit der beiden Musiker, ganz im Sinne des Albumtitels.
Neben eigenen Kompositionen wie „Rainbow people“, „Le vent se lève“, „Harmattan“ und „Lighthouse“ hat Kummert mit seiner Band auch den legendären Song „Hallelujah (Leonard Cohen)“ und Kompositionen von Eric Satie wie „Gnossienne“ und „Gnossienne à deux“ eingespielt. Am Ende des Albums hören wir „Hallelujah again - in memory of Leonard Cohen“ (Leonard Cohen).
Gefragt nach dem Titel des Albums, antwortete der belgische Saxofonist und Vokalist: „Diversity is reality, it is our only way to go. Diversity is today’s toughest challenge, but because purity would lead to extinction, we, as a species, have no choice but to embrace diversity.“ Kummert hatte als 17-Jähriger mit afrikanischen Musikern in Brüssel und Paris gespielt. Zudem war er auch in Westafrika und dem Senegal unterwegs, wo er die Musik dieses Teils von Afrika kennen und schätzen gelernt hat. So war dann auch die Zusammenarbeit mit Loueke nur eine Frage der Zeit und Gelegenheit. Kummert äußerte sich über den Gitarristen aus Benin wie folgt: „Lionel Loueke is probably the only musician I know that can catch my attention with beautiful solos, rich harmonies and make me feel like dancing in every song we play. Playing with this quartet and with Lionel in particular is incredibly comfortable and supportive; Lionel is a never ending source of ideas and he also constantly adapts to what I play, magnifying it in the process… We constantly tease one another, trying to throw each other off course, knowing that we can get back to each other at any time.“
Bei „Le vent se lève“ vereint sich die säuselnde Saxofonstimme mit der rhythmischen Gitarre, die eine Kora imd Kalimba zu imitieren scheint. Man spürt den aufkommenden Wind, der sich aber nie zu einem Sturm entwickelt, sondern eher einem Frühlingswind gleicht, frisch, aber nicht mehr.
„Left home because I couln't call home anymore ...“ - das ist eine der Zeilen der gesprochenen Texte zu Beginn von „Lighthouse“. Dabei gibt sich Nicolas Kummert in seinem Spiel aufgewühlt, anklagend, wehmütig, aber nie dramatisierend, sondern eher dem Lyrischen verbunden. In einer Form des Narrativen verschmelzen die beiden Hauptakteure, Kummert und Loueke. Lauscht man deren Melodielinien, so kann man sich im Geiste eine Reise durch die Weiten des Sahel vorstellen. Steter Sand weht den Aufgebrochenen ins Gesicht, die anderswo ihr Glück suchen.
„Hallelujah“ ist eine Hymne, die nicht nur Cohenfans mitsingen können. Nun liegt eine Adaptation vor, sehr feinsinnig variiert, insbesondere durch das Gitarrenspiel von Loueke zu den tieftönigen Zäsuren, die Thys setzt. Hier und da scheint dann auch das bekannte thematische Motiv durch. Doch zumeist wird es umspielt, verfremdet, überlagert, auch und gerade wenn Kummert die melodischen Linien determiniert. Dann ist kaum mehr Cohen zu entdecken.
„Diversity over purity“ lautet ein weiterer Titel des Albums, das musikalisch breit angelegt ist, ohne dass purer westafrikanischer Klang auf westeuropäischen trifft. Vielfalt ist das Motto – und das bedeutet ja nicht zwingend Fusion. Auffallend ist, dass Kummert ganz nachhaltig auch in diesem Song im Duett mit Loueke die Klangfarben bestimmt. Dabei könnte der Melodiestrang, wenn er denn noch ein wenig weich gezeichnet werden würde, auch durchaus als Popmusik im Geiste von Peter Green und Fleetwood Mac durchgehen. Überaus rockig kommt „We'll be alright“ daher. Dabei scheint dieser Sound für eine Generation von Jazzmusikern zu stehen, die keine Berührungsängste mit anderen Genres haben. Zu bezeichnen sind sie als Eklektiker und und in diesem Sinne bedienen sich ungeniert an Hard Rock, Pop sowie Jazz Rock im Geiste der Breker Brothers oder Spyra Gyra.
Abschließend noch eine Bemerkung zu „And what if we're not?“: Welch ein Kontrast ist dieser Song gegenüber „We'll be alright“. Da gibt es swingende Elemente, Fragmente westafrikanischer Klangstrukturen und ein eher säuselndes Saxofon, das über den Zupfsequenzen der Gitarre liegt. Das mutet folkloristisch an und bisweilen auch bluesig. Ja, das ist wahrlich Vielfalt, wie es der Albumtitel auch verspricht. Zum Schluss lauschen wir nochmals „Halleluja“, sehr fein gesetzt und auch mit westafrikanischer Musik durchwebt. Man achte dabei auf den Gesang und das Gitarrengezupfe von Loueke als sehr gelungene Hommage an den kanadischen Songschreiber, der leider nicht mehr unter uns weilt.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Edition records
https://editionrecords.com/
Musiker
Nicolas Kummert
http://www.nicolaskummert.com