Nathan Ott / Tal Arditi - Loxodon_prism
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Self produced
Gitarrist Tal Arditi und Drummer Nathan Ott sind Teil der bunten und vielschichtigen Berliner Musikszene. Erstmals spielten sie im Rahmen einer filmisch mitgeschnittenen Performance miteinander. Das war im Dezember 2020. Angesichts der Tatsache, dass vom ersten Moment an die Chemie zwischen den beiden Musikern stimmte, entschieden beide, auch weiterhin musikalisch differenzierte Felder zu erkunden. Seit Anfang 2022 veranstalteten Arditi und Ott eine monatlich stattfindende Konzertserie, für die sie Gastmusiker einluden, um die Duo-Format aufzubrechen und zu erweitern. Diese Konzertserie war auch zugleich Inspiration für Aufnahmen, die in das Debüt-Album einflossen.
„Meradat“ eröffnet mit fließen Gitarrenlinien und einem distinkten Tack-Tack-Tack. Wilde Blechschwingungen vereinen sich nachfolgend mit den Melodiewellen, für die Tal Arditi verantwortlich zeichnet. Welle wird an Woge gesetzt. Man mag dabei durchaus auch an das Rauschen eines Flusses denken. Doch dann wird der Fluss durch gleichsam im Stakkato gesetzte Akkorde abgelöst. Es scheint so, als würden klangliche Steinschläge niedergehen. Nur wenig später öffnet Tal Arditi den Klangraum, bewegt sich auch im Off. Seine Gitarrensequenzen scheinen auflösenden Nebelschwaden und tanzendem grünlichen Polarlicht gleich. Mit „Lonely Traveller“ setzt das in Berlin lebende Duo die musikalische Reise fort. Dabei hält sich Nathan Ott keineswegs in seinen Blech-Verwirbelungen zurück. Und auch in diesem Stück macht sich der Gitarrist mit einem gewissen Klang-Pling-Plong bemerkbar. Zwischenzeitlich mutet das Stück wie ein instrumentaler Popsong an, scheinen Jeff Beck und Peter Green kurz mal vorbeizuschauen. Dabei klingt die Gitarre immer wie eine Gitarre, wird auf elektronisches Allerlei zur Verfremdung verzichtet. Klar sind die Umspielungen auszumachen, auch im „Gitarren-Wispern“. Ähnlich wie zuvor im ersten Stück kann man in einigen Passagen ein Plong-Plong ausmachen. Hintergründig wird das vom Drummer begleitet, der gleichsam „Blechstaub“ aufwirbelt. Harmonisch scheint sich „Low Frequencies“ an „Albatros“(Fleetwood Mac) anzulehnen, vermittelt Weite und das schwerelose Schweben zwischen den Wolken. Zumindest hat man dahingehend bei Arditis Spiel den Eindruck. Nach purem Instrumental-Rock ohne Spielereien klingt das Stück, bei dem der Drummer mit System die Felle seiner Trommeln wischt. Und zugleich verzichtet Arditi auf jaulende und wimmernde Gitarrenklänge in Ekstase, eher bedient er gegen Ende des Stücks auch das Sphärische.
„Give up, give in“ heißt es im Weiteren auf dem Album. Fellgewische dringt zu Beginn ans Ohr des Hörers. Der Klang ist stetig, aber nicht aufdringlich. Danach ergießen sich die Gitarrenakkorde so, als ob man ein Wasserspiel mit illuminierten Fontänen inszeniere. Von der Klarheit der Linien und der Melodien wird man an Muster der Rockmusik der 1970er Jahre erinnert, oder? Man kann hier und da an The Ventures denken, wohl der weltweit erfolgreichsten Instrumental-Rockband, die jemals die Charts eroberte. Gelegentlich denkt man, man lausche einem rockigen Windspiel, das mal leise und mal nachdrücklicher klingt.
Gewische von „Besen“ vereint sich mit einem kurz angebundenen Tonreigen, den der Gitarrist zum Stück beiträgt. „Little Findings“ heißt der Track Aus angerissenen Tönen entwickelt Arditi Tonschleifen, mal kurz- und mal langwellig. Dabei kann man die Farbmeere von Emil Nolde vor Augen haben. So wie die Farben ineinander fließen so auch die Gitarrenklänge, die sich überlagern. Durchaus auch ins Singer/Songwriter entführt uns das Duo im Nachfolgenden. Das beinhaltet dann auch einen Erzähl-Duktus. Und der Inhalt? Ist es die Entdeckung neuer Welten? Sind es Blickerweiterungen? Sind es Sichten bis zum Horizont?
Als würden Becken gegeneinander stoßen oder wie Dominosteine umfallen, so ist der erste Höreindruck von „Don’t give up, Don’t give in“. Doch dem Schrillen setzt der Gitarrist das vollmundig Melodische entgegen. Expressive Farbschläge in Klangform sind zu erleben. Da sehen wir Lichtpunkte an Lichtpunkte gesetzt, scheint Wetterleuchten ebenso musikalisch umgesetzt, wie vergehendes Unwetter und aufblitzender Sonnenschein. Zum Schluss heißt es dann „Brazilian Three“, ohne dass dabei das Duo die Klischees bedient, als da wären feurige Sambatänzerinnen zum Karneval, getanzte zügellose Rumba und Samba. Nein, das Duo bleibt dem gesetzten Klangrahmen verbunden. Stets gibt es auch Verbindungslinien zur Rockmusik der letzten Jahrzehnte und in diesem Fall durchaus auch zu Dire Straits, oder? Insgesamt ist das Album ein rockiger und jazziger Ohrenschmaus mit ausgedehnten Improvisationen – und das ist angesichts der überbordenden Elektronik in Teilen des Gegenwartsjazz hervorzuheben.
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