Misha Piatigorsky Trio with special guest Jeremy Fishman - Stained Glass And Technicolor Grooves
M
Natural Drummer
Was wir hören, ist der Livemitschnitt eines Konzerts von 2017 im The Glen Rock Jewish Center. Aufgemacht wird mit „Where’s the Sun?“ und „Nachlaot“, gefolgt von „Superhero“. Diese Songs stammen alle aus der Feder von Misha Piatigorsky. Gleiches gilt für auch für„Misha’s Mood“, bevor das Trio dann mit „ I Wish I Knew How It Feels To Be Free“(Taylor/Dallas) zu einem gelungenen Schluss kommt. Diese letztgenannten Songs leben auch und gerade durch die narrativen Saxofonpassagen, die Jeremy Fishman zu verdanken sind.
Der Drummer des Trios Sam Fishman – dazu kommen noch Misha Piatigorsky (piano) und Charlie Dougherty (bass) - schrieb zu den Aufnahmen: „This recording captures the first annual “Jazz at the GRJC” concert…the fulfillment of my goal to bring a New York City jazz club experience to my hometown of Glen Rock, NJ. To do this, I reached out to one of the best pianists in the jazz scene, Misha Piatigorsky. Misha .... Having been immersed in Mishas’ original compositions and arrangements, I knew exactly which songs to perform. To round out the trio I called my long time friend, bassist Charlie Dougherty, and as a special guest enlisted my brother Jeremy Fishman on alto sax. There is magic embedded in this recording, fueled by the spark of spontaneity that can only be achieved in a live performance. This is the beauty of jazz, capturing a moment in time and creating a musical conversation that may never happen again in the same way.“
Andere Songs der aktuellen Veröffentlichung sind „Close Your Eyes“ (Petkere), „Pure Imagination“ (Bricusse, Newley), „Afro Blue“ (Santamaría) und „Inside Straight“ (Adderley). Noch ein Wort zum Cover, das neben den Schattenrissen eines Quartetts die sandige Sahara mit ihren Dünen und Kamelen zeigt, über dem ein psychodelisch inspirierter Himmel thront. Das passt doch zumindest zu „Afro Blue“,, oder?
Wo ist bloß die Sonne? – ja das fragt man sich angesichts von verregneten Sommern. Und das Trio stellt sich zu Beginn des Livemitschnitts ebenso diese Frage. Mit lyrischen Weisen nimmt uns Misha Piatigorsky mit auf die Suche. Der Pianist versteht es dabei, die Dramaturgie zu schreiben, Energie zu bündeln, aber auch sich im Pulsierenden zu verlieren. Gekonnt ist das Wechselspiel zwischen ruhigeren und lautstarken Passagen. Doch die Frage bleibt bestehen: „Wo ist bloß die Sonne?“ Im weiteren Verlauf lauschen wir auch dem perlenden Klangfluss, den das Trio inszeniert. Der Eindruck eines steten Hin und Her drängt sich beim Zuhören auf. Versteckt sich da die Sonne nicht hinter Wolken? Bricht Sonnenlicht ab und an durch die Wolkenbänke? Derartige Bilder würden wohl zu den Klangarrangements passen, oder?
Breitbeinig, breitschultrig, athletisch – so zeigt sich anfänglich der „Superhero“, den das Trio auf der Bühne präsentiert. Mit gefälligen und eingängigen Melodielinien schmeichelt sich der Superheld nachfolgend ein. Martialisches ist nicht zu hören, Marschrhythmen schon gar nicht. Ist der „Superhero“ vielleicht verkopft? Oder ist er gar eine weitere Ausgabe von Superman und eilt dank halsbrecherischer Sprünge und Flüge von Ort zu Ort und durch die Schluchten des Großstadtdschungels? Misha Piatigorsky scheint uns das erzählen zu wollen, dabei durchaus auch auf klassisch anmutende Schemata zurückgreifend. Zudem ist eine gewisse Liedhaftigkeit nicht zu überhören, wobei dann auch irgendwie Franz Schubert mit im Spiel zu sein scheint.
Taucht man mit „Pure Imagination“ in die Welt der Bars und Clubs in Downtown New York der 1950er Jahre ab? Man möchte es fast vermuten. Doch weit gefehlt, den der Song entstand Jahrzehnte später. Zu verdanken ist dieser Song Leslie Bricusse, der vor allem Filmmusiken und Musicals komponiert hat, darunter auch „Doctor Dolittle“. "Pure Imagination" (with Newley) wurde für das Musical „Willy Wonka & the Chocolate Factory“ (1971) geschrieben. Schon bei den ersten leicht beschwingten Takten – man muss fast an den Mann am Klavier in der Hotelbar denken – wird deutlich, dass keine verkopften Linien zu erwarten sind. An Tanzmusik muss man angesichts der sprudelnden Klangarabesken außerdem denken. Dabei ist es am Pianisten die Akzente zu setzen, auch den einen oder anderen Triller. Er bewegt sich dabei vorwiegend im Diskant.
Aufgrund der Rhythmen und auch der Congas, die wohl mit im Spiel sind, hat „Afro Blue“ eher einen exotischen Charakter, vergleicht man Santamarias Komposition mit den bisher gehörten Songs. Zudem bringt Jeremy Fishman mit seinem Altsaxofon ein sehr frisches und vor Energie sprühendes Element in die Musik ein. Sehr hörenswert sind die Phrasierungen des Pianisten, die man als Entgegnung auf das Altsaxofon begreifen kann. Irgendwie scheinen allen Musikern Flügel zu wachsen und so in eine Afro-Latino-Klangwelt zu entschwinden.
Mit Beigaben von Soul und Funk kräftig gewürzt ist „Insight Straight“, von keinem Geringerem als dem Altsaxofonisten Cannonball Adderley im Jahr 1973 komponiert und aufgenommen. Und auch diesem Stück widmen sich die Musiker um Misha Piatigorsky. Die Allgewalt von Cornet (Nat Adderley) und Altsaxofon (Cannonball Adderley) in der Originalaufnahme und auch das Keyboard, das Hal Galper spielte, sowie die eingestreuten stimmlichen Eskapaden von Cannonball Adderley machten das Stück zu einem ganz besonderen Klangerlebnis. Das Trio um Piatigorsky plus Jeremy Fishman am Altsaxofon muss bei ihrer Interpretation halt Abstriche machen. In wesentlichen Passagen übernimmt der Pianist zum Beispiel die Linien des Cornets. Mir scheint, das Original eher rotzig-frech und die vorliegende Albumfassung des Trios im Vergleich dazu zahm zu sein, was allerdings kein Manko ist. Funky, funky versprüht das Trio auf jeden Fall und auch der Geist von Cannonball Adderley wird lebendig. Und das ist doch das Wichtige.
Text © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht public commons.
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Musiker
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