Mike Scott – Collecting Things
M
Self produced
Das vorliegende Album ist das dritte Album von Mike Scott als Bandleader, nachdem zuvor bereits „Fallen Peach“ (2011) und „Good Place To Be“ (2000) herausgegeben wurden. In der L.A. Weekly war Folgendes über Scott und seine aktuelle Veröffentlichung zu lesen: "Like the author of this subtle record, the music won't hit you over the head with precocious Baggadocio or mind-numbing complexity. The album reflects the warmth of Mike's calm and sunny demeanor, yet it underscores a depth of thought and emotion that supplies substance to its great aesthetics."
Geboren wurde der Gitarrist und Komponist in Fukuoka (Japan). Allerdings wuchs er in Ohio und New Jersey auf, ehe er mit 18 Jahren in den Süden Kaliforniens übersiedelte, um seine musikalische Karriere voranzubringen und seinen Masterabschluss in Music Performance an der University of Southern California zu machen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Scott aus der Jazzszene von Los Angeles nicht wegzudenken. Er ist überdies Gründungsmitglied vom The Los Angeles Jazz Collective.
Für das aktuelle Album hat sich Scott nachstehend genannte Musiker gesucht: am Klavier und B3-Orgel Joe Bagg, am Kontrabass Darek "Oles" Oleszkiewicz sowie am Schlagzeug Jake Reed. Sie sind weitgehend die Projektionsfläche im Hintergrund, auf der Scott sein souliges und lyrisches Spiel entfaltet. Bis auf “On a Clear Day” stammen alle „Songs“ aus Scotts Feder. Er eröffnet sein Album mit “Sol Minor Prelude,” und “Sol Minor.” Dabei spielt er für das Preludium solistisch auf einer klassischen Nylonsaiten-Gitarre. Der Titel der Stücke bezieht sich nicht auf den Begriff für Sonne, sondern leitet sich von einer besonderen Notenlehre ab. Der italienische Begriff „Solfeggio setzt sich aus den Notensilben sol und fa (5. und 4. Ton der jeweiligen Tonleiter) zusammen. Die Erfindung der Solmisation wird Guido von Arezzo, einem italienischen Mönch, der im 11. Jahrhundert lebte, zugeschrieben, der damit die Gesangsausbildung der Klosterknaben beschleunigen wollte. „So lesen wir es in dem entsprechenden Kapitel bei Wikipedia. Lauschen wir aufmerksam, so scheinen die Etüden von Sor im Geist mitzuschwingen, wenn Scott in die Saiten seiner akustischen Gitarre greift und dahinfließender Saitenklang an unser Ohr dringt. Dabei drängt sich vor unserem geistigen Auge auch das Bild des mäandrierenden Flusses auf.
Nach der Soloeinführung hören wir dann bei “Sol Minor,” einem schnellen Jazz-Walzer, die gesamte Band. Scott hat dafür die akustische Gitarre aus der Hand gelegt und stattdessen die elektrische gegriffen. Die bereits im Preludium angestimmten Gitarrenläufe greift er dabei in seinem kaskadierenden Spiel auf, begleitet von nachhaltigen Beckenverwirbelungen und sprunghaftem Tastenspiel des Pianisten. Doch der Fokus liegt auf Mike Scott, der die klangliche Himmelsleiter besteigt und uns mit der Schönheit des Melodischen konfrontiert. Dem Stück wohnt im übrigen ein gewisser Swing inne. Im Schatten und auch aus dem Schatten von Scott bewegt sich in seinem Solo der Pianist Joe Bagg mit zirkulierendem Spiel. Gewisse Klangaquarellierungen sind dabei nicht zu überhören. Danach ist es wieder an Scott die musikalische Regie zu führen und das thematische Motiv erneut erklingen zu lassen.
Statt wie ursprünglich für “Now and Later” vorgesehen, gibt es in der eingespielten Version weder Flöte, Oboe, Gitarre und Trompete zu hören, sondern Scott als Gitarrenvirtuosen nebst Rhythmusgruppe. Das Saitenspiel mutet dabei wie ein Wasserspiel mit unterschiedlichen Fontänen an, die ihre Wassermasse verschieden hoch in den Himmel schießen lassen. Auch das Rinnen des Wassers in einem terrassierten Brunnen passt als Bild gut zu dem, was wir hören. Zum fein taxierten Saitenspiel hört man einen rhythmisch brummenden Bass und ein stetes Taktaktschtsch des Drummers. Und auch ein Basssolo ist in dieses Stück eingewoben worden.
Eine Anlehnung an einen traditionellen Folk-Blues wird mit “Jack’s Dilemma” lebendig, ein Stück benannt nach Scotts Hund. Bei diesem Stück spielt dann Bagg seine „soulig gestimmte“ Orgel, verhalten und nicht in den Vordergrund drängend. Die Bühne gehört weitgehend Mike Scott und der Klangteppich der Orgel erscheint lediglich als schmückendes Beiwerk, auf das es nicht wesentlich ankommt. Das ändert sich erst, als Bagg zum Solo ansetzt und sich beim Spiel in der Tradition eines Jimmy Smith begreift, oder?
“Boom Diddle It” ist ein temporeiches Stück, bei dem selbst der Bassist in Bewegung gerät und seine stoische Ruhe verliert, auch und gerade in seinem Solo. Ihn begleitet ziseliertes Besenspiel des Drummers und auch dezentes Tastenspiel, ehe es dann an Mike Scott ist, den musikalischen Faden weiter zu spinnen und auch die klassischen Jazzgitarristen in sein Spiel integriert. Flott gleiten die Finger des Pianisten Bagg über die weißen und schwarzen Tasten, sich dabei schon mal dem Anflug von Soul hingebend. Verwässerungen sind Bagg fern, statt dessen setzt er auf feinen Klangregen. Und dann, ja dann, ist auch der Drummer Jake Reed solistisch unterwegs und wandert mit seinen Sticks leichthändig über Becken und Felle.
In südamerikanische Klangwelten entführt uns “Dark Bossa”, dabei auch an Baden Powell anknüpfend, oder? Bei “Rondo”, beeinflusst vom brasilianischen Gitarristen Guinga, vernimmt man Ansätze von Scotts sogenanntem Fingerpicking und auch eine südamerikanische Rhythmik, wenn auch nicht Bossa durchgehend und pur. Derweil ist “Coda” von Rockelementen durchdrungen, allerdings eher im Fahrwasser von Leo Kottke und J.J. Cale, oder? Bei diesem Stück darf dann Bagg auch wieder zu einem Orgelsolo aufspielen und steuert so eine schöne Klangnuance zum Stück bei, die Scott in seinem Saitenfluss aufgreift und verfeinert.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen