Michael Rabinowitz – Next Chapter
M
Blue Ridge Bassoon Records
Nicht unbedingt verbindet man einen Fagottisten mit Jazz. Das liegt an einem Instrument, das man eher in einem Philharmonischen Orchester verortet. Es ist ein Instrument, das in den hohen Lagen an einen Hybrid aus Sopran- und Altsaxofon sowie Querflöte erinnert, in den tiefen Lage eher an einen Hybrid aus Bassklarinette und Baritonsaxofon. Zugleich ist der Höreindruck vom Fagott, da es sehr sonor daherkommt, sehr rund. Michael Rabinowitz hat in den letzten 40 Jahren gezeigt, dass das Fagott durchaus ein brauchbares Jazzinstrument sein kann, wenn es von der richtigen Person gespielt wird, so konnte man im vorliegenden Pressetext lesen.
Obwohl Rabinowitz nicht der erste Jazzmusiker ist, der Fagott spielt, gilt er als der erste, der sich auf Fagott spezialisierte. Garvin Bushell und Frank Trumbauer nahmen in den 1920er Jahren einige Soli auf und Yusef Lateef gehört zu denen, die in den 1950er und 1960er Jahren dieses besondere Holzblasinstrument gelegentlich spielten. Der Fagottist Rabinowitz gab 1981 sein Aufnahmedebüt mit Ira Sullivan, zog fünf Jahre später nach New York und arbeitete mit der Band von Charles Mingus. Aufgenommen hat Rabinowitz vor dem vorliegenden Album „Next Chapter“ sechs weitere Alben.
Bei „Next Chapter“ wird zunächst die Seite mit dem "Lydian Dream" aufgeschlagen, ein sehr lyrisch ausgelegtes Stück. Der Charakter als Ballade mit kristallinen Pianoklängen ist nicht zu überhören. Das perlende Klavierspiel nimmt ebenso gefangen wie der teilweise samtene und sonore Klang des Fagotts, mit dem das Stück sich dann zu einem eingängigen Swing entwickelt. Im Duktus des Swings vereinen sich alle Musiker, vor allem aber der Fagottist und der Pianist Matt King, dessen Finger die höhen Töne kaskadieren lassen. Sehr beeindruckend ist außerdem der am Ende tieftönige Klang des Fagotts, dabei an eine Bassklarinette erinnernd.
Sonore Fagottlinien ebenso wie schnelle Klaviersequenzen bestimmen das Stück "Minor Blues Experiment". Mal langsam und mal in Moll erklingend kommt das Blues-Experiment daher. Irgendwie scheinen die Musiker aber auch einen Jazz-Walzer in diesem Stück darzubringen. Unüberhörbar ist hier und da der rinnende Melodiefluss, dank an den Pianisten mit seinem dynamischen und akzentuierten Spiel. Nervöses Stick-Klappern vereint sich im Übrigen mit der Behäbigkeit des Basses. Und dann, ja, dann vernimmt man erneut den sanften und weich gezeichneten Wohlklang des Holzbläsers namens Fagott. Gleichnamig wie der Albumtitel ist die Komposition "Next Chapter". Es handelt sich dabei um ein Stück mit elegischen Färbungen. Das ist unter anderem dem Fagottisten geschuldet. Getragen ist das, was der Bassist Andy McKee seinem Tieftöner entlockt. Wie ein frühlingshafter Aufbruch klingen hingegen die Klavierpassagen. Bei dem, was der Fagottist zu Gehör bringt, ist man eher in der Welt von Grieg und ab und an Chopin, oder?
Aus Kings Feder stammt "MRab" (benannt nach Rabinowitz). Es ist ein weiterer, für das Album eingespielte Blues im mittleren Tempo, der mit einem beachtenswerten Drumming eröffnet. Danach vermittelt der Bass den Blues, unterbrochen durch kurze musikalisches „Anmerkungen“ des Holzbläsers, der nach und nach auch in den Blues-Modus kommt. Übrigens, wir hören bei diesem Stück keine Harmonika, sondern eine ähnlich klingende Melodica, die eine ganz eigene Klangfärbung präsentiert. Zugleich ist das Stück im Verlauf mehr und mehr beschwingt. Das Bluesige wird in den Hintergrund geschoben. "Twelve Note Samba" interpretiert - dank an Matt King - Jobims "One Note Samba". Dabei agiert King gleichzeitig am Klavier und an der Melodica. Keine Frage, der Samba ist allgegenwärtig, und man meint, Paare über Holzdielen schweben zu sehen. Da sind dann südamerikanisches Lebensgefühl und Unbeschwertheit gegenwärtig. Zugleich mag sich der eine oder andere beim Klang der Melodica an Interpretationen von Toots Thielemans erinnern, der ja auch den „One Note Samba“ in seinem Programm hatte. Übrigens, selbst das tieftönige Fagott scheint in seinen melodischen Klanglinien beschwingt und beinahe feurig Samba zu tanzen. Das bunte Programm des Quartetts schließt mit "Tuesday Blues".
© ferdinand dupuis-panther
https://www.wikiwand.com/de/Michael_Rabinowitz#Weblinks
https://www.jazzbassoonist.com
Line-up
Michael Rabinowitz - Bassoon
Tommy Campbell - Drums
Andy McKee - Bass
Matt King - Piano & Melodica
TRACK LISTING
1. Lydian Dream - Michael Rabinowitz (6:18)
2. Minor Blues Experiment - Michael Rabinowitz (6:04)
3. Next Chapter - Michael Rabinowitz (7:58)
4. MRab - Matt King (8:02)
5. Twelve Note Samba - Matt King (6:17)
6. Emily Alt Line - Michael Rabinowitz (6:51)
7. One Four All - Michael Rabinowitz (6:47)
8. Tuesday Blues - Michael Rabinowitz (7:00)