Melanie Hosp: como el agua – wie das wasser
M
ATS Records, 843 #128
Das, was Jazz ist, hat in den letzten Jahrzehnten einen totalen Wandel erlebt. Immer neue Subgenres wurden geschaffen, auch vielleicht aus Gründen des Marketings. So finden sich bei Konzertankündigungen bisweilen Charakterisierungen wie konzertanter Jazz oder kammermusikalischer Jazz, um die Veranstaltung entsprechend zu vermarkten. Doch auch diesen Einordnungen entzieht sich das vorliegende Album weitgehend. Mit ihrem ersten 2015 veröffentlichten Soloalbum "cómo el agua" bewegt sich die junge österreichische Gitarristin Melanie Hosp zwischen den Welten von Klassik, lateinamerikanischer Musik und Jazz. Dabei scheint mir das Schwergewicht schon auf der Klassik zu liegen. Hosp hat Kompositionen von Kevin Callahan (Jahrgang 1958) ebenso eingespielt wie eine Art „Wasser-Suite“ von Martin Rainer, der genauso alt wie sie selbst ist. In ihr wird ein Hohelied auf den Lech gesungen, in dem der Lauf des Flusses musikalisch begleitet wird. Neben Prelude, Fuge und Allegro von Johann Sebastian Bach – eigentlich für Laute und Cembalo in Es-Dur komponiert und auch in dieser Tonart von der Gitarristen Melanie Hosp umgesetzt – finden sich auf dem Album auch südamerikanische Rhythmen, wenn Hosp Kompositionen von Marco Pereira spielt. Technisch brillant und sehr ausdrucksstark, manchmal das mitreißende Wasser – man denke an den Titel des Albums (!) – oder eine sprudelnde Quelle imitierend – so ist das Spiel von Melanie Hosp.
Ihre Biografie
Melanie Hosp ist 1987 im Tiroler Außerfern geboren und lebt in Wien. Als Preisträgerin nationaler und internationaler Wettbewerbe gilt sie als vielversprechende Künstlerin der Gitarrenszene. Solistisch und im Ensemble konzertiert sie auf nationalem und internationalem Boden und hat seit 2013 einen Lehrauftrag an der Musikschule Linz sowie am Zentrum für Musikvermittlung Wien 14. Prägenden Unterricht erhielt sie bei Michael Andreas Haas, Dr. Stefan Hackl am Landeskonservatorium Innsbruck und schließlich bei Prof. Alvaro Pierri an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Für alle Abschlüsse ihrer Studien erhielt sie eine Auszeichnung. Sie ist Stipendiatin der Dr. Robert und Lina Thyll Dürr Stiftung und Mitglied des von Yehudi Menuhin gegründeten Förderungsprogramms „Live Music Now“.
Zum Album
Dass nicht nur Händel etwas von Wassermusik verstanden hat, unterstreichen die Komponisten, die Melanie Hosp für ihr Album ausgewählt hat. Das beginnt bereits mit „Three River Moments“ aus der Feder von Kevin Callahan. Da strömt es nicht nur, da bilden sich musikalische Strudel, da sind auch Stromschnellen zu meistern und bisweilen meint man, dass Hosp auch ein Blatt einfängt, das im Wasser dahintreibt. „Undercurrents“ nannte der Komponist den ersten von drei Teilen, in denen er temporeich und auch verhalten „Flussmomente“ festgehalten hat. Lauscht man „The River Bed“, so denkt man unwillkürlich auch an Singer/Songwriter oder Folkmusik. Durchgehend lyrisch ist das Spiel, das uns Melanie Hosp zu Gehör bringt. Auf die Iberische Halbinsel entführt uns die Gitarrenvirtuosin, wenn sie Kompositionen von Miguel Llobet vorträgt. Nein, wer hier Flamenco erwartet, der liegt ganz falsch. Klassische Gitarrenmusik ist zu hören und man denkt unwillkürlich an einen der bedeutenden Gitarristen Spaniens an Segovia, hört man Melanie Hosp beim Spiel der etüdenhaften Stücke aufmerksam zu. Höhepunkt des Albums ist gewiss das Lied vom Lech, das Martin Rainer in acht Skizzen singt. Dabei verfolgt er den Strom von der Quelle – „Tropf. Tropf. Tropf – Jeder hat einmal klein angefangen, sogar der Lech“ – bis zum Ziel, wobei der Titel „Am Ziel?“ die Frage stellt, ob die Reise denn weitergeht. In einem Dreiklang werden die Tropfen ebenso eingefangen wie mit Flageolett. Die Tropfen fallen bedächtig. Pausen zwischen dem Fall der Tropfen sind bewusst gesetzt. Tropfen folgt auf Tropfen, mal auch im Dreierpack und dann ist wieder Stille. Danach sprudelt es wieder Tropfen für Tropfen, was Melanie Hosp gekonnt auf der Gitarre einfängt. Wie so fragt man sich vor dem Hören der CD und Rainers Komposition klingt wohl ein „Forellentango“? Südamerikanisch auf alle Fälle, ohne dass der Tango allzu offensichtlich sich aufdrängt, eher sind wir dem Flamenco ein wenig nahe; nur das Klappern der Kastagnetten fehlt. Danach ist dann „Alles im Fluss“, wobei mit schnellem Griffspiel tatsächlich ein zu Tal schießender Strom in einer kurzen Passage eingefangen wird. Mit Melanie Hosp schauen wir noch beim Lech und seinen Bewohnern vorbei, ehe wir dann schließlich mit der achten Skizze am Ziel sind oder vielleicht auch nicht. Zumindest endet dann die Hymne auf den Lech. Das Ende des Albums ist Bachwerken vorbehalten, sodass wir dann nach kurzen Abstechern nach Spanien und Südamerika – man denke an Marco Pereiras „5 Pieces Brésiliennes“ - in der europäischen Klassik einen Ruhepol finden. Ob Melanie Hosp bei einem weiteren Album sich mal gänzlich dem Jazz, sprich der Improvisation, den Changes, den Bridges, widmen wird? Es wäre ein Versuch wert, oder?
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
ATS Records
http://www.ats-records.de
Melanie Hosp
http://www.musikvermittelt.at/Melanie%20Hosp/
https://www.facebook.com/melanie.hosp.guitarist