Mauer Blues Five – Mauer Blues

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Eigenverlag
Über die Band und deren Geschichte lesen wir: „Als musikalisches Ensemble MAUER BLUES FIVE wurde diese Band im Berliner Jazzclub Schlot „geboren“, wo einige von ihnen erstmalig live mit den anderen spielten. Nach diesem Konzert beschlossen sie, als Band weiterzumachen. Der Musikstil dieser Gruppe lässt sich als eine Fusion aus Latin Music und Hard Bob beschreiben, aber es gibt auch Balladen und Blues mit Ausflügen in den modalen Jazz.“
Mitglieder der Band sind: der aus Uruguay stammende Gitarrist Carlos Mieres, der aus der Tschechischen Republik gebürtige Saxofonist Joe Kučera und dessen Landsleute, der Pianist Vladimír Strnad sowie der Bassist Jan Greifoner. Am Schlagwerk erleben wir den aus Rom gebürtigen Andrea Marcelli. Es scheint so, dass all diese Musiker das geteilte und ungeteilte Berlin verbindet. Symbol der Trennung ist die Berliner Mauer, die auch Projektionsfläche von Graffitikünstlern war – siehe das Cover des aktuellen Albums. Bis heute ist der Mauerweg vorhanden, der auch nach der Wiedervereinigung an die Jahrzehnte der deutsch-deutschen Trennung erinnert.
Eröffnet wird das Album mit „Viola Rosa“ und endet mit „O Homem Do Chape“. Diese wie auch andere Songs, die live im Kladower Forum eingespielt wurden, stammen von Carlos Mieres. Hören wir mal rein, wie der Mauerblues so klingt: Wohlklang von Saxofon und Gitarre vereinen sich in „Viola Rosa“. Dabei hat man bisweilen den Eindruck, der Saxofonist spiele ähnlich wie Paul Desmond einen Klarinettenansatz. Getragen ist das Stück keineswegs, sondern insbesondere beim Solo des Gitarristen „sonnendurchflutet“, voller Esprit und beschwingt. Hier und da scheint auch ein bisschen Swing aufzublitzen. Auch der Pianist fügt sich mit kaskadierenden Klangfolgen in den melodischen Kanon ein, den Saxofonist und Gitarrist zuvor differenziert vorgetragen haben. Zwischenbeifall gibt es vor dem Bass-Solo. Dabei nehmen wir dann „wild“ gezupfte Saiten wahr. Es scheint so, als sei der Bass wie die anderen Instrumente zum Tanzen aufgelegt, würde sich gar mit „Hüftschwung“ um die eigene Achse drehen. Schließlich fehlt auch ein dichtes Beckenrauschen nicht, das der Schlagwerker verantwortet. So hat jeder der Musiker auch solistisch eine distinkte Stimme, ehe man zum Tutti findet.
Nachfolgend stimmen die Musiker den „Mauerblues“ an, vorweg der Pianist, der sich in balladenhaften Sequenzen ergeht. Sobald dann der Sopransaxofonist seinen Holzbläser erklingen lässt, hat man den Eindruck, man sei in einem verrauchten Jazzclub zur sogenannten Blauen Stunde. Und irgendwie meint man, Sidney Bechet schaue auch vorbei. Man wird auf eine musikalische Reise mitgenommen, die die Clubszene von Paris und dem Quartier Latin lebendig werden lässt und obendrein die 1940er sowie 1950er Jahre. Herausragend ist das Gitarrensolo, das in den „Mauerblues“ eingebettet wurde. Bildlich kann man sich beim Hören des Mauerblues die Flaneure vorstellen, die im Schatten der Mauer unterwegs sind, die in Berlin den Blues zelebrieren, zwischen Quasimodo und Badenscher Hof.
Mit „Dixibossa“ setzen die Mauer-Fünf ihr musikalisches Programm fort. Auch wenn der Titel an Dixieland und Bossa anknüpft, so sind beide Genres nur sehr verdeckt zu dechiffrieren. Man muss eher an eine Ballade denken, die uns das Quintett vorträgt, federführend dabei der Saxofonist, der das musikalische Zepter schwingt. Und irgendwie hat man auch den Eindruck, man höre ein wenig Popmusik, derweil in Berlin die Lichter nach und ausgehen. Die Nacht haben die Musiker zum Tag gemacht, haben tanzende Paare unterhalten, die so gar nicht nach Hause gehen wollten. Dabei pflegt Carlos Mieres in seinem Spiel die Tradition der Jazzgitarre in vollen Zügen.
Lateinamerikanisches Flair erlebt man bei „Garopaba“. Das knüpft nicht an das „Girl von Ipanema“ an, sondern eher an die Musik von Baden Powell, oder? Lyrische Melodielinien erfreuen unsere Ohren. Und all das geschieht im Schatten der Mauer, die nur noch hier und da im heutigen Stadtbild eine Rolle spielt. Nein, die Mauer Blues Five folgen nicht den Spuren von Alexis Korner, Muddy Waters oder John Lee Hooker, sondern ihren eigenen. Und diese sind verwegen, sind mal konzertant und mal beschwingt, nehmen auch den Bossa auf und verabschieden sich so von dem traditionellen 8 to the bars. Insbesondere bei dem vorliegenden Titel nehmen uns die Musiker auch nach Rio, Buenos Aires und Montevideo mit, oder?
Und bei „Entre Suspiros“ haben wir das Bild vor Augen, den Lichtern der Großstadt zu folgen und wie Motten das Licht zu umschwärmen. Dabei folgen wir den weichgezeichneten Saxofonklängen durch die Nacht. „Carlos Blues“ ist obendrein Teil des hörenswerten Albums. Gelegentlich haben wir beim Hören dieses Blues den Eindruck, die Adderley Brothers würden als Gäste bei den Mauer Blues Five mitspielen. Fazit: Wer nicht das Traditionelle sucht, sondern durchaus das Experimentelle, dem bietet das Album einen Ohrenschmaus der besonderen Art, dank vor allem an das umtriebige Saxofonspiel von Joe Kučera und die Virtuosität von Carlos Mieres.
© ferdinand dupuis-panther 2025
Vertrieb der CD über:
Joe Kucera
Koloniestr. 28
13359 Berlin
https://www.facebook.com/joe.kucera.900
Musicians
Carlos Mieres – Guitar
Joe Kučera – Sopransaxofonon
Vladimír Strnad – Piano
Jan Geifoner – Bass
Andrea Marcelli – Drums