Matthias Lindermayr: Lang Tang
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Enja Records, ENJ 96282
Das aktuelle Album wurde in nachstehender Besetzung eingespielt: Matthias Lindermayr (Trumpet), Azhar Kamal (Guitar), Roberto di Gioia (Piano), Andreas Kurz (Bass), außer bei „Die Neue Ehrlichkeit“: Maximilian Hirning) und Andreas Haberl (Drums).
Über Matthias Lindermayr liest man auf der Homepage des Musikers: „Der Trompeter und Bandleader, Jahrgang 1987, aus München, hatte als Kind klassischen Klavierunterricht, spielte als Jugendlicher E-Gitarre in Rockbands und studierte dann an der Münchner Hochschule für Musik und Theater Jazztrompete bei Claus Reichstaller. Lindermayr gewann 2012 den Biberacher Jazzpreis und 2013 den Kurt Maas Jazz Award, der ihm einen fünfwöchigen Aufenthalt am Berklee College in Boston ermöglichte. Im Sommer 2013 traf er dort in Trompetenprofessor Tiger Okoshi einen wichtigen Mentor. Der Amerikaner japanischer Abstammung ermunterte Matthias Lindermayr, für ein Stipendium vorzuspielen, und so durfte der Münchner im Herbst 2014 noch einmal nach Boston. Die Erfahrungen der renommierten Jazzschule spürt man in seiner Musik, ohne, dass er deshalb amerikanisch spielen würde.“
Das Quintett präsentiert uns nach dem „Prolog“ eine Begegnung mit „Lang Tang“ - dabei handelt es sich um eine Region nördlich von Kathmandu, die bei Nepalwanderern sehr beliebt ist und auch von Lindermayr zu Fuß bereist wurde. Wir stellen uns auf ein „Rendezvous“ mit dem Quintett ein, erfreuen uns an einer „Hymne“ („Hymn“), geraten an die Grenze einer Liebe („Limit To Your Love“, ehe wir schließlich in „Troya“ ankommen.
Das Cover erinnert an eine Höhlenzeichnung, die nach und nach von Flechten, Algen und Pilzen zum Verschwinden gebracht wird. Zu erahnen ist jedoch die Silhouette von Matthias Lindermayr, der eine Spielpause eingelegt hat, aber auf dem Album akustisch sehr präsent ist.
Interludes auf Aufnahmen sind schon keine Seltenheit mehr, aber ein Prolog dann doch eher. Das bedeutet dann nicht etwa römischer Fanfarenklang, sondern eher der lang anhaltende, gehauchte Klang einer Trompete. Beim Zuhören hat man gar den Eindruck, Matthias Lindermayr habe sich mit seinem Instrument in einen Tunnel oder gar eine Höhle zurückgezogen und verkünde, welche Klangwelten er im Kopf habe. Nahtlos ist der Übergang zu „Lang Tang“, eine Region in den Ausläufern des Himalajas. Wenn man den Titel nicht kennen würde, könnte er auch „Hardangervidda“ heißen, denn ähnlich wie Matthias Eick pflegt Matthias Lindermayr einen sogenannten „Fjordsound“, der sich als sehr dominierend erweist. Der Gitarrist Azhar Kamal, auch wenn seine prägnanten Riffs gut auszumachen sind, ordnet sich dem Spiel Lindermayrs eher unter, es sei denn, ihm steht die Bühne offen und er lässt seine Gitarre bei einem Solo heulen, wimmern und jaulen. Hören wir Matthias Lindermayr zu, dann drängen sich Bilder von Weite, von riesigen Kaskaden, von Einsamkeit, von rauem Hochfjell auf, also eher Bilder aus dem hohen Norden Europas als denn von Zentralasien.
Wie ein verfremdetes Glockenspiel muten die Gitarrensequenzen zu Beginn von „Hunter“ an. Danach jedoch breitet sich ein samtener Trompetenklang aus. Dabei gewinnt man mehr und mehr den Eindruck, der Trompeter Lindermayr spiele ein Flügelhorn. Doch worauf ist der Jäger aus? Signalisiert uns das der Klangteppich? Vom Anschleichen an die Beute, den finalen Schuss und dem Jägertriumph ist jedoch nichts auszumachen, so meine ich. Zipp und Zapp im Sinne des Zusteuerns auf einen Höhepunkt, das Erlegen der Beute, fehlen. So hat man bei Zuhören eher die Vorstellung einer bis an den Horizont reichenden Landschaft. Das kann das australische Outback ebenso sein wie die sandige Sahara.
Auch bei „Die neue Ehrlichkeit“ entfernt sich das Quintett kaum aus dem herausgestellten Klangschema, das Grenzenlosigkeit und einen Blick bis zum Horizont beinhaltet. Nie klingt die Trompete rotzig-schmutzig. Stets zeigt sie sich in akustischen Pastelltönen. Etwas Meditatives, zumindest Kontemplatives geht von Lindermayrs Musik aus. Unterstützt wird er dabei vor allem von Azhar Kamal und im vorliegenden Stück auch von Maximilian Hirning am gestrichenen Kontrabass. Würde man Yoga mit Musik oder aber Qi Gong mit Musik anbieten, das vorliegende Album wäre genau die richtige Wahl. Entspannung pur, wenn nicht gar Tiefenentspannung ist beim Hören von „Lang Tang“ absolut garantiert!
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Enja Matthias Winkelmann GmbH
https://www.facebook.com/enjarecords/
Musiker
http://www.matthiaslindermayr.de