Matthew Mitchell 4tet - The Intercontinental
M
Self produced
Schon in der Besetzung des Quartetts rund um den neuseeländischen Gitarristen Matthew Mitchell wird der grenzüberschreitende Charakter verdeutlicht, den Musik und insbesondere Jazz in sich birgt. Neben Mitchell gehören der US-Amerikaner Zane Massey (Tenor Saxophone), der Niederländer Wim Kegel (Drums) und der Ungar Andor Horvath (Bass) zum Quartett. Und der Albumtitel scheint auch Programm: Über Kontinente hinweg, so die Übersetzung!
Aufgemacht wird das in Den Haag eingespielte Album mit „Parallelograms/Diaspora“, gefolgt von „Corpus Collosum“ und „Trains/Derailed“. Zudem sind Kompositionen wie „Migration/Deliverance“, „Parallelograms / Convergence“ und „Luminous“ zu hören.
In den Liner Notes ist Folgendes zu lesen. „The six composition featured on The Intercontinental are a musical document of Matthew's journey learning to live with Parkinson's disease and multiple bouts with cancer. Over the past twenty years Matthew has worked on projects with musicians from Africa, The Balkans, Oceania, The United States, Asia and Western Europe which have all come together to form his own very individual musical vision that has evolved into a focused blend of free improvisation, high energy post bop and lyrical atonalism. …“.
Gleich die Eröffnung des Albums nimmt uns mit Post-Bop und dem satten Saxofonklang mit: „Parallelograms/diaspora“. Im Hintergrund vernimmt man einen schwirrenden Synthesizer und Blechgewirbel. Wie klangliche Schwaden erscheint das, was Zane Massey uns darbietet. Aufgeregtheit wird obendrein vermittelt. Irgendwie scheint das Saxofon auch Ausdruck des Rechthaberischen. Samtene Gitarrenakzente setzt Matthew Mitchell dagegen. Diese lösen sich zu klanglichen Konturlinien auf, ohne allerdings Klangfarbflächen zu rahmen. Im Verlauf werden aus diesen Linien Schleifen und lockere Verknotungen, teilweise auch Verwebungen. Schlagwerk-Galopp zeigt der Drummer in seinem Spiel. Wortgewaltig ist auch im weiteren Fortgang das Saxofon unterwegs. In ihm ist ein Antipode der Gitarre zu sehen. Rotzigkeit trifft dabei auf feinsinnige Verspieltheit der Gitarre, der auch das letzte Wort gehört.
Schnarrender und dumpfer Klang des Schlagwerks steht am Beginn von „Corpus Collosum“. Versteckte Schreie vernimmt man aus dem Hintergrund. Nasentröte oder Saxofon – das ist hier die Frage? Und dann nimmt sich das Saxofon das Klangwort, weiß dabei allerdings sich durchaus auch zurückzunehmen. Beinahe lyrisch ist das weitere Spiel, begleitet von weichen Gitarrenakkorden. Von der Stimmung her wähnt man sich in einer Moorlandschaft, über die sich Nebelbänke schieben. Das Schnattern des Saxofons vereint sich mit den wohl geformten Klanglinien der Gitarre, nimmt die Komposition ihren Fortgang. Der klangliche Nebel hat sich gehoben. Gewitter scheint sich anzukündigen, meint man zunächst. Doch: Kleine melodische Fluchten werden angetreten. Die Schnoddrigkeit des Saxofons indes ist nicht zu überhören, bis zum Schluss.
Von Zügen ist nachfolgend die Rede: „Trains/Derailed“. Es klingt ein wenig nach Höllenfahrt, zumindest nach einer Fahrt mit Hindernissen. In dem Szenario sind ein nervös gestimmtes Saxofon und ein erdiger, gestrichener Bass miteinander vereint. Chaos trifft auf Rabatz, bis zum Ende.
„Migration/Deliverance“ ist die umfänglichste Komposition des Albums, bei der sich der Gitarrist Matt Mitchell anfänglich solistisch zeigt. Störfeuer verbreitet der Saxofonist in beinahe allen Lagen. Ein rhythmischer Malstrom ist dank des Drummers auszumachen. Sphärisches breitet sich untergründig aus, ehe Gitarrist und Saxofonist sich in einer gemeinsamen Linie finden. Aus dieser schält dann Matt Mitchell einen klanglichen Schussfaden heraus, den er weiter webt und webt. Dann hören wir ein hektisches Taktak, Taktaktak, über das sich die erregte Stimme des Saxofons legt. Im Weiteren nimmt man durchaus auch Post-Bop zur Kenntnis, dank sei Zane Massey, der über weite Abschnitte im freien Spiel zuhause ist.
Mit Jazz Rock gewürzt ist „Parallelograms / Convergence“, ehe dann mit „Luminous“ der Endpunkt der interkontinentalen Klangreise erreicht ist. Es ist eine fulminante Reise und mit grell-bunten Bildern versehen, wie man sie in einem Kaleidoskop erblicken kann.
Text: © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht public commons!
Informationen
https://matthewgmitchell.bandcamp.com
https://www.matthewmitchell.de
https://www.matthewmitchell.de/intercontinental