Martin Schulte 4tet feat Frederik Köster: walking distance
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Laika Records 07577 108
Der Bandlaeder und Gitarrist des Quartetts scharte nachfolgende genannte Musiker um sich, um „walking distance“ einzuspielen: Peter Ehwald (tenor saxophone), Matthias Akeo Nowak (bass, auch Koi Trio, triosence), Mirek Pyschny (drums) und als Gast der Trompeter Frederik Köster.
Mit „WALKING DISTANCE“ – an diesem Titel ist auch Frederik Köster beteiligt – macht das aktuelle Album auf. Im Weiteren haben wir es mit Kuriosität („CURIOSITY“), verbringen dank tatkräftigem Einsatz von Frederik Köster gar nicht still einen stillen Tag („ON A SILENT DAY“), sehen irgendwo Lichter funkeln („LIGHTS“) und sind schließlich in Sachen Frieden unterwegs: „SEARCH FOR PEACE“.
Ein „Walking Bass“ gibt es schon mal. Ja, der Kontrabass in den Händen von Matthias Akeo Nowak hört sich so an, als würde jemand den einen Fuß vor den anderen Fuß setzen: „Walking Distance“. Einen „flotten Schritt“ legen dann Peter Ehrwald und Frederik Köster zu. Ein wenig vermeint man im Geist, auch Cannonball Adderley habe irgendwie seine Hand im Spiel. Das ändert sich, sobald Martin Schulte, sein Gitarrensolo hinlegt. Dabei bekommen die Zuhörer den Eindruck, Martin Schulte wolle sie glauben machen, man sei auf dem Weg zu einem fernen Ziel. Dem Näherkommen widmet sich dann mit geschwinden akustischen Schritten Frederik Köster, der bisweilen seiner Trompete ein gewisses Aufbrausen und Überschäumen entlockt.
Lauschen wir dem Zwiegespräch von Saxofon und Gitarre, so erleben wir eine tanzende Feder im Wind oder ein davongetragenes Blatt in der Schwebe. „Driftin“ lautet der Songtitel – durchaus passenden, oder? Schließt man die Augen für einen Moment und folgt den Saxofonphrasierungen, so stellt sich unter Umständen auch das Bild einer im leichten Wind liegenden Jacht ein. Wellen schlagen sanft an die Bordwand. Der Wind zerrt ein wenig am Topsegel. Das Ufer zieht am Auge der Segler vorbei. Dieses Bild greift auch Martin Schulte mit seinen sanft anmutenden Gitarrensequenzen auf. Nein, eine Regatta haben wir bei dieser Musik nicht als Bild im Kopf, eher eine gemütliche Ausflugsfahrt auf dem wenig welligen Wasser. Auch für eine verfilmte Floßfahrt auf der Isar und vorbei an den zahlreichen Kiesbänken würde sich die Komposition aus der Feder Martin Schultes bestens eignen.
Wiehört sich wohl ein stiller Tag an? Ganz still? Das müsste er eigentlich. Die Musiker um Martin Schulte haben jedoch ein anderes Konzept realisiert, dank ihres sehr zurückhaltenden und lyrischen Spiels. „On A Silent Day“ wird in den Hörfarben insbesondere durch die säuselnden Bläser geprägt. Irgendwie klingt die Melodie dabei streckenweise und für sehr kurze Momente nach einem Lullaby. Würde man einen Film über Surfer an der australischen Gold Coast zu vertonen haben, man könnte auf diesen Song von Martin Schulte ohne Bedenken zurückgreifen. Insbesondere die leicht schwebenden und schwingenden Passagen, die Martin Schulte in seinem Solo zu verdanken sind, lassen uns an eine lange, aber nicht allzu hohe Welle denken, auf der man mit dem Brett tanzen kann. Sanftmütig erweist sich auch die Trompete in den Händen von Frederik Köster.
Stellt man sich bei „Lights“ nicht die zuckenden Lichter der Großstadt vor, erwartet ein sehr aufgeregtes Wechselspiel von Gitarre, Saxofon und Trompete? Doch weit gefehlt, da das Quartett eher die leisen Töne anstimmt, also eher den Blick auf die Lichter der Stadt am frühen Morgen richtet. Dann ist auch die pulsierende Metropole endlich zur Ruhe gekommen. Neonreklamen leuchten nicht mehr so unbarmherzig grell. Die Lichter der Schaufenster sind längst erloschen. Die Kinder der Nacht sind auf dem Weg nach Hause – begleitet vom säuselnden Klang des Saxofons. Doch was ist das denn? Da suggeriert uns wohl Martin Schulte, geschäftiges Treiben am Morgen. Frühschicht auf der Werft ist angesagt. Containerschiffe verlassen den Hafen. Nebelhörner sind zu hören – dank sei den Bläsern.
Beinahe balladenhaft mutet das letzte Stück des Albums an: „Searching for Peace“, eine Komposition von McCoy Tyner, der sich das Quartett angenommen hat. Dabei bleiben die Musiker in einem Klangspektrum, das auch bei „Lights“ bereits vorherrschend war. Alle, die Bop, Post-Bop und Post-Bop revisited zu schätzen wissen, kommen bei diesem Album auf alle Fälle auf ihre Kosten. Wunderbarer Hörgenuss, wenn man das Album mal auf einen Begriff reduzieren möchte.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
http://www.laika-records
Musiker
Martin Schulte
http://www.martinschulte.com/
Audio
http://www.martinschulte.com/index.php?page=music