Mareille Merck LARUS - Stille Wasser

Mareille Merck LARUS - Stille Wasser

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Eigenproduktion/Bandcamp, in Koproduktion mit Radio SRF 2 Kultur

Die vorliegende Eigenproduktion hat die Gitarristin Mareille Merck zusammen mit dem Kontrabassisten Florian Bolliger und dem Schlagzeuger Janic Haller eingespielt. Gemeinsam sind sie LARUS. Vorgelegt wird nun von Mareille Merck ihr zweites Album, das den Titel „Stille Wasser“ trägt und Elemente von Fingerpicking, Rock und Jazz harmonisch miteinander verschmilzt. Übrigens, in ihren  Anfängen waren für Merck Stücke von Carlos Santana das Maß aller Dinge. Das hört man ebenso heraus wie aber auch Ansätze, die an Metheny und McLaughlin denken lassen, ohne apologetisch zu erscheinen. Distortions, Loops und Delays oder andere elektronische Verfremdungen sind für Merck weitestgehend verzichtbar. Das Saiteninstrumen wirkt aus sich heraus, auch mal eher rotzig-rockig wie bei „Hit the Mark“, ohne aber weichere Jazzklangmuster gänzlich zu vernachlässigen. Übrigens bei diesem Stück muss man als Zuhörer hier und da unter Umständen auch an Fleetwood Mac denken.

Der Albumtitel ist sinnbildlich zu begreifen. Es geht ja in einer Combo auch immer um Vertrauen und Seelenverwandtschaft, um das gegenseitige Einlassen, um Wagnisse des gemeinsamen Spiels und der nicht bis ins Z vorhersagbaren Linien, die sich aus dem Wechselspiel von drei Musikern ergeben. Stille Wasser sind ja solche, die  ruhig daliegen und dessen Grund nicht sichtbar ist, es sei denn man taucht hinab. Und im O-Ton klingt das Konzept wie folgt: „Wir haben das Sprichwort `Stille Wasser sind tief` umgedeutet und uns vorgestellt, einen tiefen See vor uns zu haben, unter dessen Oberfläche zahlreiche Ideen und Konzepte warten, die unsere Musik bereichern können. Damit wir diese aber zum Klingen bringen können, müssen wir zuerst einmal ins kalte Wasser springen, nach ihnen suchen, Risiken eingehen und neue Wege beschreiten. Dafür haben wir uns in den letzten Monaten Zeit genommen und intensiv gearbeitet. Raus aus der Komfortzone und rein ins kalte Wasser, um die Musik lebendiger zu gestalten” . (Mareille Merck)

Eröffnet wird mit dem balladesken „Mosaik”. Der Gitarrenklang verströmt verhalten, nicht aufdringlich, sondern weich und samten angelegt. Um ein Bild zu wählen, schaue man sich eine Wanderdüne an, deren Sand nach und nach durch steten Wind abgetragen wird, Dieses Bild erfasst den Beginn des Stücks. Im Weiteren nimmt dieses allerdings Energie auf, dabei nie den Wohlklang der Melodie aus dem Augen verlierend. Beschwingt ist zudem das, was Mareille Merck uns zu Gehör bringt. Sie baut hier und da auch kleine Klangkaskaden ein, ohne uns in Wildwasser zu locken. Ab und an hat man auch den Eindruck, man tauche in die Pop- und Rockmusik der 60er Jahre ein, als Liverpool der Nabel der Welt war. Da gibt es kein Wimmern und Jaulen der Gitarre zu vernehmen. Alles ist auf den reinen Saiten-Klang ausgelegt. Manchmal vernimmt man auch Flageoletts. Nachfolgend fliegt ein klanglicher „Boomerang“ durch die Luft. Man hat den Eindruck, man lausche einem guten Rocksong mit ausgereiften melodischen Linien. Diese muten so an, als würde der Abwurf des Boomerang und der Flug eingefangen werden. Es gibt Läufe zu vernehmen, auch kleine „Kapriolen“. Der Bass schweigt und nur das Schlagwerk ist der „Duett-Partner“ der Gitarristin. So hat die Gitarristin sehr viel Raum, immer wieder neu anzusetzen und Klangfäden zu spinnen.  “Spannend an diesem Stück ist für uns, dass wir ein gänzlich offenes Solo haben. Keine Chords, keine Form, keine Vorgaben. Alles muss im Moment passieren. Das ist ein schöner Kontrast zum detailliert ausgeschriebenen Thema, eine Spielwiese sozusagen. Und die große Freiheit ist gleichzeitig eine Herausforderung.”, so Merck.

Bei „Konturen“ entspringen die Klänge beinahe aus dem Off, bahnen sich ihren Weg, leicht wabernd und eher den leisen Tönungen verpflichtet. Dazu regt sich der tieftönige Bass, entwickelt gemächlich Klangbild um Klangbild, Stufe für Stufe einen neuen Klang anstimmend. Ähnlich gestaltet auch die Gitarristin ihre Sequenzen, teilweise mit weichen Nachklängen. Ist da vielleicht auch ein wenig Mark Knopfler mit im Spiel? Saiten werden außerdem gedehnt, um eine an den Blues angelehnte Klangform zu entstehen zu lassen. Das Bild von ungebundenen Formen blitzt auf und wird durch das Spiel des Bassisten geerdet.

„Kap Arkona“ ist eine Referenz an Rügen, woher Mareille Merck stammt. Was vermischt sich da in der Musik? Ob wohl der Wind über dem Kap, die Wellen der Ostsee, die Kreide- und Mergelsteilküste, die Besucher anzieht? Man muss es annehmen. Würde man den Titel nicht kennen, könnte man auch das Bild von einer bewegten Segeltour mit einem Hochseesegler vor Augen haben, von dem Tanz des Schiffskörpers auf den Wellenbergen und vom Flattern der gespannten Segel. Auch eine solche Geschichte erzählt uns die Gitarristin, die ein Gespür für den präzise gesetzten Saitenfluss hat, auch im Auf und Ab der Tonsilben, die sich aneinanderreihen.

Ein Klick-Klick und aus der Tiefe des Raums gleichsam der Gesang der Sirenen – das ist der Anfangseindruck bei „Nebula” . Aus tropfenden Tonsilben werden Verbindungslinien wie mit Pastellkreiden gezeichnet. Ein „galoppierender Rhythmus“ liegt unter dem Gitarrenfluss, dank an den Drummer. Das Getrommel ist durchaus von gewisser Kurzatmigkeit geprägt. Und dann hört man auch den Akustikbass, eher der Welt der Gitarre entsprungen als der Welt von Cello und Kontrabass, oder? Und was passiert im Weiteren?  Beinahe entfesselt erleben wir die Gitarristin, die mit ihrem Spiel signalisiert, dass sich die Nebel lichten, aufsteigen und transparenter werden. Das Stück gewinnt im Verlauf immer mehr an Tempo. Diskantes gewinnt die Oberhand. Und dann nimmt sich der Bassist das Wort und folgt in einer tiefen Lage, eher Bariton als Bass, dem, was die Gitarristin im Vorlauf skizziert hat. Zum Schluss greift das Trio nach den Sternen und spielt  “Kassiopeia”. Dabei wird das auffälligste Sternbild am Nordhimmel Gegenstand einer musikalischen Interpretation unterworfen. Fazit: ein Ohrenschmaus, weil das Spiel des Trio fein gestimmt ist und die Tiefen ergründet, die stillen Tiefen der Klangwelt.

© ferdinand dupuis-panther 2023




Line-up

Mareille Merck - E-Gitarre & Komposition
www.mareillemerck.com
https://linktr.ee/mareillemercklarus

Florian Bolliger - Kontrabass, Akustikbass, Perkussion
Janic Haller – Schlagzeug

Weitere Rezension

https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlpk7-reviews/m/mareille-merck-larus-fadenschlag/


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