Manuel Hermia/Simon Leleux – Metanioa

Manuel Hermia/Simon Leleux – Metanioa

M

Igloo Records

Beide Musiker, Manuel Hermia (bansuri, clarinet, soprano sax) und Simon Leleux (dohola, benbir, daf), sind als kulturelle und musikalische Grenzgänger zu bezeichnen. Sie vereinen außereuropäische Musiktradition mit europäischer. Sie entführen uns im  übertragenen Sinne mit ihrer Musik in den Vorderen Orient und darüber hinaus. Der eine modelliert den Rhythmus, der andere setzt die klanglichen Farbtupfer, Dialog ist bei dem Duo angesagt, wenn sie sich in ihre globale Musikwelt vertiefen.

Und was hat es eigentlich mit dem Albumtitel auf sich? Metanoia bedeutet im Altgriechischen eine grundlegende Veränderung des Denkens. Es ist aber im biblischen Sinne auch der Begriff für Buße.  Im Pressetext zum Album lesen wir allerdings zu Buße nichts, aber über die signifikante Transformation im Denken und Handeln. Angesichts der globalen Veränderung in der Welt ein Unterfangen, das Offenheit voraussetzt.

Aufgemacht wird das Album mit “Metanoia”. Der weiche Klang der indischen Bambusflöte, die Manuel Hermia spielt, dringt ans Ohr der Zuhörer. Dazu vernehmen wir einen “kurzatmigen Rhythmus”, entweder auf einer im Maghreb häufig gespielten Rahmentrommel (benbir) oder einer dohola, mit der Darbuka, einer türkischen Bechertrommel, zu vergleichen. Die dohola besteht im Gegensatz  zur Darbuks aus einem Tonkorpus, von dem Perkussionisten Leleux  mit rhythmischem Feingefühl angestimmt. Das, was Hermia auf der Flöte spielt, gleicht bildlich dahin ziehenden transparenten Wolken. Ein gewisses Wehklagen ist der Stimme zu entnehmen. Zugleich vermeint man aber auch das Tänzerische aus der Flötenstimme destillieren zu können. Obendrein muss man anfügen, dass uns die beiden Musiker in die Medinas Nordafrikas, auf die belebten Marktplätze mit Gauklern und Schlangenbeschwörern und in die Gassen der Basare mitnimmt. Der Geruch von Spezereien scheint in der Musik eingebettet zu sein.

Im zweiten Stück “In the woods” vereinen sich der Klang der Klarinette und der der Rahmentrommel. Ähnlich wie die Bansuri ist auch der Ansatz, den Hermia für das Klarinettenspiel nutzt, sehr weich und fein gezeichnet. Hier und da scheint auch Klezmer durchzuscheinen. Doch das sind nur begrenzte Momente. Mitgenommen werden wir von einer fein gezeichneten Melodielinie, die man auch in dem einen oder anderen klassischen Lullaby findet. Sonor ist der Klang des Holzbläsers, dumpf und stetig der der Rahmentrommel, einem rhythmischen Hufschlag  eines Pferdes auf Kopfsteinpflaster gleichend.  Besinnlich ist unter Umständen auch eine geeignete Charakterisierung für das Stück.

Wandel ist vielfach in modernen Gesellschaften und angesichts der weltpolitischen Lage schwer zu akzeptieren. Der Song „Choose change“ scheint geradezu eine Aufforderung, den Wandel als positiv anzunehmen. Musikalisch hat man den Eindruck, dass es nur ein Vorwärts gibt. Jedenfalls so könnte man interpretieren, was Hermia mit der Bansuri vorträgt. Er spielt kleine Fragmente, die er modifiziert, teilweise auch mal Töne lang auslaufen lassend. Man kann sich zur Musik aber auch den wippenden, hin- und herpendelnden Körper eines Schlangenbeschwörers vorstellen oder gar tanzende Derwische. Die pendelnde Bewegung des Schlangenbeschwörers ist die, der  die Schlange folgt. Die Flötenbegleitung ist für die Schaulustigen gedacht, die sich auf der Djemaa el Fna von Marrakesch aufhalten. Und mit diesem Bild verwandelt sich der musikalische Vortrag in Kopfkino, in „Sofareisen“ in den Orient.

Ganz ungezügelt geht es nicht zu, wenn „Night of Joy“ angestimmt wird. Begleitet da Leleux die Bansuri auf der dohola, die ein wenig trocken klingt? In melodischen „Schleifenbildern“ ergeht sich der Flötist Hermia. Dabei knüpft er, so scheint es, auch an die Tradition und Spielweise von Jazzflötisten wie Herbie Mann an, oder?  Kurz ist das Solo des Perkussionisten mitten im Stück, das mit einer schmeichlerischen Melodie aufwartet. Überbordend ist die Freude nicht, aber sie wird durchaus zelebriert. Wird da nicht auf Çiftetelli getanzt, während der Flötist die musikalische Färbung des Stücks bestimmt? Jedenfalls geht es in der besungenen Nacht immer wilder zu, hören wir feurige Rhythmen und schliesslich eine mehr und mehr exaltierte Flöte. Beim Hören sitzenzubleiben, fällt im Verlauf des Stücks immer schwerer. Bewegung, Tanz, ist gefordert.

Sopransaxofon oder Klarinette fragt man sich zu Beginn von „Desert Mood“, einer musikalischen Reise quer durch die Wüste. Dabei entschwinden Trommelklänge in der Weite. Es scheint, als beschwöre Hermia mit seinem Holzbläser die Schönheit der kargen Wüste. Außer dem Klang des Holzbläsers, der dem warmen Wüstenwind gleicht, und dem Rascheln, Getrippel und den tiefen Trommelschlägen, die der Perkussionist zur Wüstenexpedition beiträgt, gibt es nichts, was wir vernehmen.  Teilweise erlebt man durchaus Momente von Kontemplation, von Nachsinnen und Innehalten.

Nach „Tan“ wird die „Kundalini Snake“ besungen. Der Titel nimmt Bezug zur tantrischen Lehre. Nach dieser wohnt in jedem Menschen eine Kraft, die Kundalini genannt wird. Diese befindet sich gemäß dem Tantrismus ruhend am unteren Ende der Wirbelsäule und wird symbolisch als eine im untersten Chakra schlafende zusammengerollte Schlange dargestellt. Und schon sind wir mitten in einer außereuropäischen Kultur,  die durchaus auch Anhänger in Europa hat.

Mit „Saptan“ wird ein Album beschlossen, das uns in fremde musikalische Welten entführt, in die Polyrhythmik jenseits Europas. Dabei genießen wir die vielfältigen „Klangspezereien“, die eben nur der Orient zu bieten hat.

© ferdinand dupuis-panther (fdp) 2025


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