Machine Mass plays Hendrix
M
Off Records
Im Frühling 2017 erwiesen Machine Mass einem der brillantesten Rockgitarristen seiner Zeit, Jimi Hendrix, ihre Hochachtung, als sie die Hendrix-Musik adaptierten und interpretierten. Das geschah aus Anlass des 50. Jahrestages des Erscheinens von „Are you experienced“. Das Trio widmete sich dabei einem Klassiker des Psychedelic und Progressive Rock. Doch es wurde nicht nachgespielt, sondern Hendrix-Themen weiterentwickelt, aufgefrischt und einer ausgefeilten Zellkur unterworfen. Auch die Klangfärbungen waren im Gegensatz zu Hendrix' Besetzung andere, fügte man doch Klavier, Synthesizer und Keyboards bei. Zur Musik schreibt das Label Off Records: „In typical Machine Mass fashion, the music thumbs its nose at convention and is unapologetically uninhibited in its delivery. The group pushes boundaries on all front, producing a record that is as fascinating from a tonal / textural perspective as it is from the 'harmonic rethink' and the mass of corporate liberties taken within the song structures, respectively.“
Ja, die bekannten Hendrix-Songs wie „Purple Haze“ und „The Wind Cries Mary“ sind Teil des Albums, allerdings auch weniger bekannte, die nur eingefleischte Hendrix-Fans kennen. Dabei ging es, wie gesagt, nicht darum, sich möglichst sklavisch am Original entlangzuhangeln, sondern eigene Klangnuancen beizumischen, sozusagen Hendrix reloaded zu präsentieren. Was nunmehr bei Off Records vorliegt, ist im Übrigen eine Re-Edition des Albums, das 2017 bei MoonJune das Licht der Welt erblickte. Motto des Albums laut Off Records: „THINK HENDRIX-MEETS-COLTRANE-MEETS-MILES-MEETS-ZAPPA WITH PLENTY OF THE BAND’S OWN DNA“.
Nein, bei „Third Stone from the Sun“ sind keine wimmernden, jaulenden, seufzenden oder schreienden Gitarrenriffs zu vernehmen. Stattdessen ergießt sich kristallener Keyboardklang über den Zuhörer, hat man eher die Vorstellung, man tauche in Canterbury Sound und in Joe Zawinul ein. Doch dann beginnt ein fulminantes Saitenspiel, beginnt eine furiose Klang-Aquarellierung mit und ohne WahWah. Während sich Michel Deville dem entfesselten und dahinschwebenden Saitenspiel hingibt, vernimmt man einen redundanten Basslauf. Zarte Tastensetzungen werden zudem beigemischt , um buntes Klangbild zu erzeugen. Ab und an meint man, auch ein präpariertes Klavier zu vernehmen, dessen Saiten gezupft werden. Nachfolgend lauschen wir einem der viel gespielten Klassiker namens „Purple Haze“. Das Stück macht mit einer Art Klavier-Improvisation auf, die durchaus an Modern Jazz denken lässt. Gebrochene Tastenläufe dringen ans Ohr des Hörers, der auch das nervöse und aufgewühlte Drumming von Tony Bianco wahrnimmt. Dann, ja dann aber jault die Gitarre, die Michel Deville spielt. Das Thema von „Purple Haze“ ist präsent, durchaus auch in Abwandlungen, aber stets noch zu identifizieren. Auf den eher einsilbigen Gesang von Jimi Hendrix müssen wir allerdings verzichten, denn das vorliegende Album verfolgt das Prinzip „Henrix without Words“. Ekstatisch geht es im weiteren Verlauf des Stücks zu. Da fehlt es denn ganz und gar nicht an WahWah.
Mit klassischem psychedelischem Beiwerk ist „Spanish Castle Magic“ geschmückt. Perlendes und kaskadierendes Klavierspiel ist zu vernehmen. Dazu gibt es elektronische Verwischungen als Hintergrundmuster. Und dann gibt Michel Deville Jimi Hendrix, holt alles an Klangvielfalt aus seiner E-Gitarre heraus, was möglich ist. Verzerrungen sind nicht zu überhören, wimmernde Gitarrensaiten ebenso wenig. Und auch das Synth trägt zu einem sphärischen Elektroklang bei, oder? Oder ist das Klangbild dem Gitarrensynthesizer GR09 zu verdanken? Beinahe einer Hammond B3 kommt das Keyboard gleich, über das Antoine Guenet seine Finger fliegen lässt. Dicht gewoben ist der Klangteppich. Nachfolgend lauschen wir der Interpretation von „Fire“. Zunächst einmal kommt diese ohne elektronisches Zauberkästlein, Delays und Distortion aus, so hat es den Eindruck. Das Thema liegt nachfolgend in den Händen von Antoine Guenet und Michel Deville. Letzterer schwingt sich zu Höhenflügen auf, lässt die Saiten gleichsam schrill aufflammen, zeigt Salti und Flic Flacs des Klangs, sodass man den eigentlichen Schöpfer des Stück durchaus nicht vermisst.
Mit einer Art Beatbox macht „Voodoo Child“ auf. Zumindest hat man die Vorstellung man lausche der verzerrten zischenden menschlichen Stimme und dann dringt aus der Tiefe des Raum das Thema an unser Ohr. Wildes Saitenfeuer wird entfacht, auch und gerade wenn das Thema seziert und fragmentiert wird. Headbanging ist gefordert, oder?
Den Schlussakt bildet dann: „The Wind Cries Mary“, ein anfänglich eher getragenes Stück, eine Ballade, und das einzige Albumstück mit eingesprochenem Text. Insoweit gibt es nicht nur „Hendrix without Words“ auf dem Album zu erleben. Es sind aber nicht die Verse des Songs. Ist es ein kommentierender Text von Deville oder von Hendrix? So richtig auszumachen sind die Aussagen nicht, oder?
© ferdinand dupuis-panther
Info
Line-up
Michel Deville - E guitar, Roland GR09, loops, stylophone (#8), electronics, samples
Tony Bianco - drums, percussion
Antoine Guenet - keyboards, synth, acoustic piano
www.welt.de/kultur/literarischewelt/article120227830/Ich-weiss-nicht-ob-ich-28-werde.html