Maarten Ornstein/Mike Fentross/Rima Khcheich - Ombre de Mon Amant
M
Zefir Records
Ost trifft West, Okzident trifft Orient, Instrumentales trifft Vokales. So kann man bei dem vorliegenden Album mit Fug und Recht von Crossover sprechen, zumal auch sehr entfernt Jazz, wenn auch nicht im klassischen Sinne, auf barocke und Renaissance-Klangfarben trifft. Im Fokus steht gewiss das Textliche, das Rima Khcheich vorträgt. Ihr zur Seiten stehen der als Jazzmusiker ausgebildete Jazzklarinettist und Saxofonist Maarten Ornstein. Mike Fentross spielt Theorbo, ein im 17. Jahrhundert geläufiges, zur Familie der Lauten gehörendes Saiteninstrument mit zwei Saitensätzen und einem s-förmigen sehr langen Hals. Zudem ist er auf der Vihuela zu hören. Das ist ein in der Renaissance in Spanien, Portugal und Italien geschätztes, der Gitarre sehr ähnliches Saiteninstrument mit Doppelsaitenbespannung. Aus der Instrumentierung wird deutlich, das wir nicht klassische arabisch-orientalische Musik erwarten dürfen. Denn Ud spielt keiner der drei Musiker. Auch Darbuka oder Rahmentrommel fehlen in der Besetzung. So muss man wohl annehmen, dass der Kern des musikalischen Vortrags in arabischen Kunstliedern besteht.
Mit „Ombre de Mon Amant / Ya Layt“ wird das Album eröffnet, bei dem im beiliegenden Booklet die englische Übersetzung der vorgetragenen Lyrik nachzulesen ist. Denn auf diese Lyrik kommt es gewiss besonders an, ohne die Instrumentierung gänzlich zu vernachlässigen. Für das nachfolgende Lied „Ghami“ („Wolke“) hat Maarten Ornstein die Musik komponiert, während für „Ya Helou“ („Liebling“) Ghantous El-Rahi den Text und Khaled Abou El- Nasr die Musik verantworten. Arrangiert hat dieses Lied Maarten Ornstein. Zu hören sind zudem „Le Tourbillon“ sowie „Les Voix Humaines“ (comp. Marin Marais). „Paseavase el Re moro“ (comp. Luys de Narváez/ Diego Pisador) runden wie der Schlusstitel „Zourouni“ („Besuch“) das vorliegende Album ab.
Sanft und getragen von einer gewissen Melancholie durchströmt beginnt „Ombre de Mon Amant“, Das ist gewiss dem Klarinettisten des Trios zu verdanken. Zugleich wohnt diesem Stück auch anfänglich etwas von sakraler Musik inne. Mit weicher Stimme, ohne jedwede Exaltiertheit, stimmt die aus dem Libanon gebürtige Vokalistin Rima Khcheich den „Liedtext“ an. Dazu wird sie von feinem Saitenfluss begleitet; zudem treten die Weichzeichnungen der Klarinette hinzu. Im Verlauf des Vortrags fühlt man sich hier und da an höfische Musik der Renaissance erinnert. Liest man die englische Übersetzung der Lyrik, so drängt sich der Eindruck auf, es handele sich um ein tragisches Liebeslied: „Would that death were tongued/And to the living could speak…/Telling of the absent/… Is my love happy or sad? Is his frolic witty in death as it was in life?“
Ähnlich getragen wie das obige Stück und mit ein bisschen Pathos kommt „Ghami“ daher: „On a cloud did my fancy throw me / My days unhinged in a blink of an eye/Alone with myself/A mirror and a question/A thousand and one nights and another in this dream“. Vom musikalischen Charakter her meint man eine Nähe zu einem Lamento auszumachen. Dabei wird der Vokalvortrag von Intermezzos auf der „Laute“ unterbrochen, die die melodischen Linien definiert und teilweise auch in einen Bassmodus abgleitet, sodass das volle Sopran der Sängerin gänzlich zum Tragen kommt.
Das Zusammenspiel zwischen Saiteninstrument und Holzbläser in „Ya Helou“ gestaltet sich sehr beschwingt. Man hat sogar anfänglich den Eindruck, es werde zum Tanz, zum Schreittanz, aufgespielt. Doch im Kern lauschen wir einem Liebeslied mit „blumigen Zeilen“ wie: „Be for me always a vivid dream/If it walked, flowers would bloom on its path Sweetheart, lune even/Or rather brown...“. Folgt man den Linien von Bassklarinette und Saiteninstrument, dann meint man, Tragik und Sehnsucht zu erahnen. Überschwang der Liebe hört sich gewiss anders an. Das ändert sich gegen Ende des Vortrags. Da scheinen die beiden Instrumentalisten eher losgelöst im Spiel. Von entfesselt und feurig – das verbindet sich vielfach mit dem Klischee von orientalischer Musik – kann dennoch nicht die Rede sein.
Tanzen da nicht bei „Le Tourbillon“ die steifen Höflinge mit ihren Damen? Zugleich drängt sich der Eindruck auf, Sebastian Bach sei zugegen, vor allem wenn man aufmerksam den klanglichen Schraffuren des Bassklarinettisten folgt. Hätte es in früheren Jahrhunderten schon Singer-Songwriter gegeben, „Cloy Corinde“ würde gewiss Eingang in dieses Genre gefunden haben. Im Text heißt es unter anderem „Reiche mir Wein – Roten … aus offenen Wunden fließend … Wein … Weißen wie die Tränen des Himmels ...“. Für uns zeugt das von einer gewissen Schwülstigkeit. Doch übersetzt man die Texte gegenwärtiger Singer-Songwriter wird man auch auf Süßliches bis hin zu Kitschigem stoßen.
Dass auch musikalisch das Lyrische und ein Hauch des Balladenhaften überwiegt, scheint mit dem Charakter der Musik und der Texte in Verbindung zu stehen. Das trifft auch auf „Les Voix Humaines“ zu, einem weiteren rein instrumental vorgetragenen Stück. Dabei steigt die Bassklarinette hier und da in ungeahnte Höhen auf und weist dem Saiteninstrument die Rolle der Rhythmisierung des „Liedguts“ und der „Zweitstimme“ zu.
Und zum Schluss noch eine Anmerkung zu „Zourouni“ („Besuch“): Über weite Strecken definiert die Bassklarinette, deren Klappen ab und an zu vernehmen sind, das musikalische Geschehen, dabei auch im Lento und Pianissimo ruhend. Doch sobald Rima Khcheich ihre Stimme erhebt, spielen Bassklarinette und Saitenspiel nur die zweite Geige. Auf den Text kommt es an, und den findet man im Booklet!
Text: © Ferdinand Dupuis-Panther – Der Text ist nicht public commons!
Informationen
https://www.zefirrecords.nl/album/fea308d6937a2844ba3/khcheich-ornstein-fentross_ombre-de-mon-amant.html
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