Luciano Biondini/Klaus Falschlunger – Once In A Blue Moon
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ATS Records
Akkordeonist Luciano Biondini und Klaus Falschlunger an der Sitar schlagen Brücken zwischen indischer Musik sowie Jazz, Pop und Folk. Auch wenn Ravi Shankar über Jahrzehnte unsere Vorstellung von indischer Sitarmusik prägte, so sollte man sich schon auf das Klangerlebnis der besonderen Art einlassen, das uns das Duo präsentiert. Dabei scheint im Spiel von Falschlunger hier und da ein Ansatz vorhanden zu sein, den wir von Gitarristen mit ihren Riffs her kennen. Ohne Frage lauschen wir auf dem vorliegenden Album dem Obertonreichtum der Sitar, wenn Falschlunger spielt. Bisweilen meint man, eine Shruti Box oder ein indisches Harmonium zu hören, wenn sich beide Musikanten im Spiel vereinen. Auffallend ist auch der Klang gezogener Saiten und das Glissando, was an unser Ohr dringt.
Die Mehrzahl der Kompositionen stammt von Klaus Falschlunger, derweil „Powerplay“ der Feder Biondinis entstammt. Anlässlich von Jazzin the Black Forest Villingen 2020 schrieb der Rezensent über den Liveauftritt der beiden Musiker u. a. : „Es schien als spielte er vornehmlich die Melodiesaiten und verzichtete auf die Resonanzsaiten. Selten war das so typische Vibrieren einer Sitar zu hören. Schloss man die Augen, meinte man gar, man höre eine Mandoline. Die Klangsymphonie, die wir erlebten, nahm uns mit auf eine Wüstensafari, so konnte man sich vorstellen. Jenseits von Ravi Shankar spielte der österreichische Sitarspieler sein Instrument. Dazu gesellte sich ein wenig Musette dank an Luciano Biondini. Klangwellen im Unisono vernahm man stellenweise. Für längere Phasen geriet der Sitarspieler in eine Nebenrolle. Aufdringlich zeigte sich die „Zugmaschine“ in den Händen von Biondini, der weite und ausladende Klangzüge ausführte.“
Auf der vorliegenden Einspielung des Albums bedient der Sitarspieler Falschlunger jedoch auch die Resonanzsaiten seines Instruments. Ob das Duo auf gleicher Augenhöhe agiert, ist gewiss eine Debatte wert. Das Zuginstrument in den Händen Biondinis übernimmt schon sehr oft das letzte Wort und überlagert das Sitarspiel oder ist gar solistisch unterwegs. Falschlunger kommt dann lediglich die Rolle zugesprochen, Anmerkungen und Fußnoten zu setzen, so in „Powerplay“. Das verwundert auch nicht, denn das Stück stammt ja von Biondini! Übrigens Falschlunger versteht sich im genannten Stück „Powerplay“ sehr gekonnt auf indischen Gesang, Fachbegriff Konnakol. Dieser Sprechgesang ist dem klassischen Scat Vocals im Jazz sehr nahe!
Eher in Erdfarben getönt, zumindest anfänglich, ist „Incredible World“. Im Weiteren verliert sich Biondini in einem starken Rhythmus, derweil man Klaus Falschlunger dazu mit Gesang erlebt, der das Rhythmische aufgreift. Zudem spielt Falschlunger Sitar. Dabei spielen die Resonanzsaiten aber weniger eine Rolle. Neben dem Wellenschlag des Klangs, den wir Biondini verdanken, lässt er uns auch an Musette teilhaben. Im Wechselspiel begegnen sich beide Musiker, mal melodisch, mal nur rhythmisch engagiert. Das Stück ist voller Dynamik bis zum letzten Takt. Stillsitzen beim Zuhören ist eher unmöglich. Mit einem Sitar-Solo beginnt „Sweet & Salty“. Irgendwie scheint es bei diesem Stück von den Harmonien und dem Duktus her eine Nähe zum Klang einer chinesischen Wölbzither zu geben, sieht man einmal davon ab, dass dieser die Resonanzsaiten fehlen. Aus den lang gezogenen Passagen entwickelt sich dann im Duett ein „wilder Tanz“, sieht man bildlich gesprochen wilde Reiterhorden in der asiatischen Steppe. Da gibt es galoppierende Sequenzen auf dem Akkordeon. Begleitend dazu „wimmert“ die Sitar für Momente ähnlich einer E-Gitarre im Blues. Und gelegentlich hat man auch den gedämpften Klang einer Shruti Box im Ohr und weniger den gedehnten Saitenklang einer Sitar. Überbordend jedoch ist der satte und ungestüme Klang des Zuginstruments. Da tanzen die Finger Biondinis über die Knöpfe. Eher getragen kommt „Strangers in Paradise“ daher. Man könnte ab und an meinen, die Sitar versuche es einer Posaune gleich zu tun oder sich mit einem Hackbrett zu messen. Zudem gleicht dieses Stück vom Charakter her einem Volkslied. Man meint gar, Biondini würde in seinen Passagen ein Lamento vortragen. Keine Frage, melancholische Momente werden vorgestellt. Und was erzählt uns der Sitarspieler für eine Geschichte? Vielleicht ein tragische Geschichte aus 1001 Nacht?
Nein Balkanova ist nicht das, was uns die beiden Musiker genuin vortragen, obgleich man die Akkordeonpassage in „Timelines“ so deuten könnte. Auch einen feurigen südamerikanischen Tanz, inklusive Tango, meint man, in diesen Passagen dechiffrieren zu können. Die Bühne gehört über weite Strecken Biondini. Erst im zweiten Teil des Stücks steigt der Sitarspieler musikalisch ein und entwickelt das Klangbouquet weiter. Im Duett setzten die Musiker mit starken rhythmischen Notierungen das Stück fort. Rumba, Samba, Tango – oder was? Das ist die generelle Frage, oder?
Mit „Once in a Blue Moon“ hören wir das namensgebende Stück für das Album. Beinahe so, als ob Falschlunger eine Baritongitarre spielen würde und zudem ein Santur zum Klingen bringt, klingen weitere Passagen. Klopfgeräusche werden von Akkordeonklängen abgedeckt. Jubelgesang meint man zu erleben. Losgelöstheit und Ausgelassenheit strahlt das Stück aus, wenn Biondini die musikalische Regie führt. Und dann weckt das Stück auch Erinnerungen an Rocksongs mit Sitar, als da wären „Paper Sun” (Traffic) oder “Within You Without You”(The Beatles). Mit „A Hippie in a Tipi“ wird schließlich ein Album abgeschlossen, das einen besonderen Hörgenuss bietet, ist doch die Sitar aus dem Rock und Jazz nahezu gänzlich verschwunden.
© ferdinand dupuis-panther
Infos
http://www.ats-records.com/
http://www.sitarmusic.at/
Luciano Biondini – accordion
Klaus Falschlunger – sitar, konnakol
https://www.shazam.com/de/track/543257656/powerplay
Tracks
1 Incredible World
2 Sweet & Salty
3 Strangers in Paradise
4 Mind the Gap
5 Timelines
6 Once in a Blue Moon
7 Powerplay
8 A Hippie in a Tipi