lorenzo petrocca organ trio: live in studio
L
in vino records, IVR 11-1601
Wie? Live eingespielt, aber im Studio? Da reibt man sich doch verwundert die Augen.
Doch Lorenzo Petrocca klärt uns auf: „Bei allen CD-Produktionen, die ich einspielen durfte, war fast immer die typische Aufnahmesituation die Musiker aus meiner Generation kennen: getrennte Räume, getrennte Musiker, durch Kopfhörer verbunden, digitales Einspielen um auch später eine Verbesserungsmöglichkeit zu haben. Für mich bedeutete das immer: No fun. Was Sie auf dieser CD hören, ist meine Band in einem Raum, mit ein paar guten Mikros, von einem genialen Toningenieur platziert und analog live aufgenommen … that‘s why „live in studio“ - ohne Reparaturen, Schnitte oder sonstige Tricks.“ Ja Lorenzo Petrocca liebt also handgemachte Musik und er liebt das Orgel-Trio, das seit Jimmy Smith immer seltener geworden ist und nun seit ein paar Jahren wieder eine Art Revival feiert.
Noch etwas fällt beim vorliegenden Album auf, die Liebe zu den Standards, die die Grundlage des Jazz bis heute bilden. So findet man Jerome Kerns „All the Things you are“ ebenso auf dem Album wie „Beautiful love“ (Victor Young) oder „So what“ von Miles Davis. „Peace“ von Horace Silver“ ist zu hören, zudem erfreuen uns aber auch Kompositionen von George Benson wie „Eternally“ und „Myna bird blues“. Benson ist im Übrigen einer der angesagten Jazz-Fusion-Gitarristen, also durchaus eine Herausforderung für ein Organ Trio, oder?
Das Stück „Eternally“, mit dem das Album aufmacht, scheint dem Gitarristen Lorenzo Petrocca wie auf dem Leib geschneidert. Während der Organist Thomas Bauser einen dichten Orgelflokati ausbreitet, lässt Petrocca auf seinem Sechssaiter mit flinken Fingern eine „klangliche Himmelsleiter“ entstehen. Doch Petrocca ist nicht der Meister des musikalischen Universums, sondern lässt seinen beiden Mitmusikern Raum für deren eigene Entfaltungen, insbesondere für Thomas Bauser, der seinem Tastenmöbel Funk und Soul einhaucht. Armin Fischer sorgt derweil für den steten, dezenten Beat im Hintergrund.
Aus der Feder des Hard-Bop-Vertreters und Begründers des Soul-Jazz Horace Silver stammt „Peace“. Wir hören eine Komposition mit überaus ohrschmeichlerischen und lyrischen Passagen. Dabei ist es an Lorenzo Petrocca die Linie der Komposition umzusetzen, während Thomas Bauser eher für eine Art basslastige Struktur sorgt. Kontemplation pur strahlt der Vortrag aus. Hier und da vernimmt man perlendes Wasser, das zu einem stetigen Fluss wird. Eine sachte sommerliche Brise spürt man beim Zuhören außerdem. Das ändert sich auch nicht, wenn Thomas Bauser das musikalische Zepter in die Hand nimmt. Irgendwie sehen wir vor unserem geistigen Auge ein spiegelglattes, azurblaues Meer, Sonnenbadende und Badende – alle sind total entspannt im Hier und Jetzt. Aus dem Broadway-Musical „Very Warm for May“ stammt „All the things you are“. Zunächst hören wir Lorenzo Petrocca an der Gitarre, der über weite Strecken solistisch agiert und die Melodielinie prägt, ehe er den Staffelstab dann an die Hammond B3 und Thomas Bauser übergibt, der ohne Frage mit einer gehörigen Prise Swing zu hören ist.
Dass Petrocca und Co. auch musikalische Grenzgänger sind, unterstreichen sie mit „Volare“. Dem einen oder anderen mag der Titel etwas sagen. Er stammt von Domenico Modugno und Franco Migliacci und wurde zum ersten Mal auf dem San-Remo-Festival 1958 präsentiert. Der Siegertitel des Wettstreits nahm im gleichen Jahr am Grand Prix Eurovision de la Chanson teil, wo er den dritten Platz belegte. Irgendwie entwickelte sich das obendrein mit einem Grammy ausgezeichnete Lied in der Folgezeit zu einem Ohrwurm. Doch gassenhauerisch interpretieren Petrocca und Co. das Lied nicht, das eigentlich „Nel blu dipinto di blu“ heißt, sondern geben ihm einen Schuss Swing mit.
Zum Schluss steht dann die Frage an, die schon Miles Davis stellte: „So What“. Vielleicht ist es auch eine fragende Feststellung, die da einst vom Großmeister des Jazz und Tausendsassa auf der Trompete getroffen wurde. Diesmal ist es anfänglich an Thomas Bauser Drive und Groove zu entwickeln, ehe dann das virtuose Fingerspiel von Lorenzo Petrocca dem Miles-Stück mit sehr flott gespielten Phrasierungen und Paraphrasierungen eine ganz eigene Note beifügt. Soulig und funky klingt's, wenn dann die Hammond B3 ihrem Klangschwall freien Lauf lässt.
Fazit: Ja, ja und nochmals ja – so muss es klingen, wenn Standards interpretiert werden, frisch, mit Groove und Soul, aber auch mit einer gehörigen Portion Swing.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
http://www.invivo-records.de/
Musiker
Lorenzo Petrocca
https://www.facebook.com/pages/Lorenzo-Petrocca/191137740900621
http://www.lorenzopetrocca.de/