Lorenz Kellhuber - Contemporary Chamber Music
L
Blackbird Music
Die aktuelle Veröffentlichung liegt sowohl als Vinyl als auch als CD vor. Lorenz Kellhuber hat alle Stücke des Albums aus dem Moment heraus entwickelt. Die Klassik ist das Fundament, auf dem die musikalische Karriere des Pianisten baut. Doch die freien Improvisationen und der Jazz sind Teil seiner musikalischen Vision. Beide vereinen sich zu Kellhubers Konzept von Kammermusik der Gegenwart, nichts anderes bedeutet der Titel der Veröffentlichung. Im Begleittext zum Album lesen wir: „Sein neues … Solo-Album umfasst zehn Stücke, die in ihrer Intimität alle Winkel der pianistischen und kreativen Könnerschaft Kellhubers ausleuchten. Er lässt Stille und Dunkelheit erstrahlen, taucht die Szenerie impressionistisch in pastellene Farben, erweitert das harmonische Spektrum hin zu fein ausdifferenzierter Breite und Tiefe und spielt sich in rhythmischer Expressivität in Trance, um an anderer Stelle mit schon barocker Klarheit die Töne zu setzen.“
Anfänglich ist der Zuhörer geneigt, Kellhuber in die Welt von Chopin und Schubert einzuordnen. Ausgeprägt ist das lyrische Spiel, ohne in Verwässerungen abzugleiten. Seine Klangbögen sind nicht mit aquarellierten Verläufen gleichzusetzen, sondern eher mit den Bildtupfern des Luminismus. Teilweise fühlt sich der Hörer in ein mehrdimensionales Gitterfeld des Klangs eingebunden. Insbesondere in „Part 1“ überwiegt das Spiel im Diskant, ohne dass die Basshand in Passivität verharrt. Das, was Kellhuber anklingen lässt, lässt sich bildhaft mit einer Folge von niedrigen Kaskaden umschreiben zwischen denen sich kleine Strudel abzeichnen. Mit tiefen Stimmanteilen eröffnet Kellhuber „Part II“. Eine gewisse Sprunghaftigkeit wohnt den ersten Takten inne. Die Art der Musik scheint bestens für eine Stummfilmbegleitung geeignet. Man denke insbesondere an frühe Slapstick-Verfilmungen. Im weiteren Verlauf verflüssigt sich die Klangfolge, erscheint dramatisch inszeniert. Man sieht gleichsam vor dem geistigen Auge, wie Menschen hastig durcheinanderlaufen, sich anstürmende Massen in ein Treppenhaus ergießen und eilig die Stufen nehmen.
Kellhuber hat gut daran getan, die einzelnen Stücke nicht durch bildhafte Titelgebungen zu kennzeichnen. So gibt es keine unmittelbaren Assoziationen, muss sich der Hörer auch bei „Part III“ seinen eigenen Zugang zum Stück verschaffen. Ohne Frage hat dieser Teil nicht unwesentliche düster anmutende Teile. Szenarien wie die von Trauernden drängen sich auf. Turbulente Seestücke niederländischer Maler mit dramatisch-dunklen Wolkenfeldern scheinen als bildhafte Annäherung an die musikalischen Linien des Stücks durchaus passend. Dabei muss man allerdings anmerken, dass Kellhuber sich nicht allein auf die Düsternis begrenzt, sondern immer wieder auch klangliche Sonnenbündel ist seine Stücke einwebt.
Sehr rhythmisiert kommt „Part V“ daher. Irgendwie erinnert das, was wir hören, an Maschinenwelten, in die sich beispielsweise Charly Chaplin filmisch verstrickt hat, als er „Modern Times“ konzipierte. Das, was Kellhuber vorträgt, erscheint wie ein ineinandergreifendes Räderwerk, das sich unablässig bewegt. Bedächtig entwickelt sich „Part VII“. Dabei meint man, hier werde das Gurgeln einer Quelle oder eines Baches in Noten umgesetzt. Rollende Klangfolgen sind auszumachen. Dabei entwickelt sich das Rollen aus den Bassnuancen des Pianos hin zum Diskant und den kristallinen Nuancen des Tasteninstruments. Ist bei „Part IX“ nicht „Stop and Go“ auszumachen? Kann man nicht in den Klangfolgen ein Hin und ein Her sehen? Irgendwie hat man davon ausgehend auch das Bild einer Flucht vor Augen. Es ist das Fliehen und das Einhalten, das man in dem Stück sehen kann. Es gibt Momente, die an das Bild eines Rennenden anzuknüpfen scheinen und auch an ein Verharren, ähnlich wie in „Die Langsamkeit des Langstreckenläufers“, oder? Das Finale ist mit „Part X“ gegeben, im wesentlichen von kristallenen und kristallinen Klangstrukturen durchzogen.
Solopräsentationen sind immer eine Herausforderung, die Kellhuber hervorragend meistert, weil er eben seine einzelnen Stücke sehr variantenreich angelegt hat. Redundanzen und Gewöhnungen gibt es bei dem Pianisten Kellhuber nicht. Fazit: sehr hörenswert!
© ferdinand dupuis-panther
Info
www.blackbird-music.de
http://www.lorenzkellhuber.com
https://www.instagram.com/lorenz_kellhuber/