LEV – Shesh-Besh

LEV – Shesh-Besh

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Malasartes

Das Duo LEV (hebräisch für „Herz“), bestehend aus dem kanadisch-israelischen Gitarristen Samuel Bonnet und dem Oud-Spieler Jean-Philippe Reny, ermöglicht uns eine musikalische Erkundung an der Schnittstelle zwischen geschriebenen und improvisierten Texten, eine intime Konversation zwischen zwei „verwandten“ Instrumenten mit einer so reichen musikalischen Geschichte: der Gitarre und der Oud. Als Gast ist übrigens der aus Argentinien stammende und in Montreal lebende Saxofonist und Sänger Damian Nisenson auf dem Album zu hören.

Im Westen besser bekannt als Backgammon ist „Shesh-Besh“ ein sehr beliebtes Spiel im Nahen Osten, das oft vor den Häusern oder auf den Terrassen der Cafés an schönen, kühlen und sonnigen Nachmittagen gespielt wird. Und derweil die beiden Musiker Shesh-Besh zur Albumeröffnung spielen, erklingen im Nachgang weitere Kompositionen und Arrangements uralter sephardischer Melodien, angereichert mit jazzigen Aromen.

Aufgemacht wird „Shesh-Besh“ mit einer Einführung durch den Oud-Spieler, ehe sich dann die beiden Musiker in einem Duett vereinen und jeder in seiner Stimmlage und Färbung die Melodielinien spielt. Zwischenzeitlich hat dieses Zusammenspiel viel Dynamik, so als würden die Spielsteine des Backgammon in schneller Folge gesetzt. Folgt man der Stimme der Oud, so meint man ab und an auch ein schmachtendes Lied herauszuhören, muss man an mittelalterliche Minne in Mitteleuropa denken. Zeitweilig hört man, wie Bonnet seine Gitarrenstimme über die Tieftönigkeit der Oud schweben lässt. Hier und da kann man nicht umhin, an Etüden für Saiteninstrumente zu denken. Nach der ersten Komposition, die aus der Feder des Oud-Spielers stammt, folgt mit „Madeleine“ eine seiner weiteren Kompositionen. Ist man nicht, so der Höreindruck in Al Andalus, wenn das Stück erklingt? Und zugleich muss man auch an klassische Gitarrenmusik denken. Ob nun gerade an Sor ist eine andere Frage. Zumindest muss man an Andres Segovia und andere Gitarristen denken, die klassische Gitarrenmusik im Repertoire hatten. An diese scheinen die beiden Musiker bei der „Hymne“ für eine gewisse „Madeleine“ anzuknüpfen. Gelegentlich muss man aber auch an eine Tarantella denken, oder?

„Complices“ (S. Bonnet) und „Sebta“ (S. Bonnet) sind Stücke aus der Feder des Gitarristen, der französische und israelische Wurzeln hat, aber nunmehr Kanada als seinen Lebensmittelpunkt gewählt hat. „Complices“ hat alles, was man von einer Partitur für Gitarre erwartet, das Erzählerische, das Lyrische, die Klangreinheit einer akustische Gitarre ohne irgendwelche Modulationen. Dabei meint man, Bonnet lasse musikalisch mediterrane Wellen an unsere Ohren dringen, als würde ein Barde bzw. Singer-Songwriter zu hören sein. Doch von welchen „Komplizen“ hören wir? Bezieht sich das vielleicht auf das Zusammengehen der beiden Saiten-Instrumentalisten? Zu erwähnen ist, dass im zweiten Teil des Stücks, der Oud-Spieler phrasierend auf den Gitarristen eingeht. Bei „Sebta“ erleben wir schnell schwingende und flirrende Saiten. Von den Harmonien her entschwinden wir in der Medina und im Suq, riechen Weihrauch, Minze und andere Spezereien. Das Spiel beider Musiker ist im übrigen sehr rhythmisch ausgerichtet. Dem Oud-Spieler fällt dabei auch die Rolle des Bassisten zu, im übertragenen Sinne.

Die Lyrik von „Yo m'enamori d'une ayre“ (trad. Sefardic, arr. by LEV) ist in Ladino getextet worden. In der Transkription in Englisch lautet der erste Vers: „I fell in love with a breeze, / a breeze of a woman; / a woman so pretty, / dearer to me than my heart. / Tra la la la la… / …“. Als Sänger erleben wir bei diesem Stück Damian Nisenson. Verdeutlichen muss man, dass dies kein schmalzig-süßes Liebeslied ist. Dieses lebt eben nicht nur von der Lyrik, sondern auch von der verspielten Oud, zu deren Klang man sich durchaus eine grazile Tänzerin in Seidenkleidern vorstellen kann. Es erscheint eher wie höfische Musik und weniger als Volksliedmusik. Besonders fein ziseliert sind die Melodielinien, die Samuel Bonnet uns vorträgt. Eine neue Färbung erleben wir bei dem Vortrag von „Yerushalayim shev zaav“ (N. Shemer, arr. by S. Bonnet), da hier der Saxofonist Damian Nisenson zu hören ist. Dessen Ansatz passt sich gut dem lyrischen Stil der beiden Saiten-Instrumentalisten an. Das Saxofon klingt sonor, säuselt und ist weichgezeichnet, auch in den zu hörenden Duetten. Die getragene Melodie ist ein Ohrenschmaus. Sie gleicht einem bunten Klang-Aquarell. Wunderbar!

Dem Gitarristen Bonnet verdanken wir „Simcha Shalom“ (S. Bonnet): Sehr jazzig und sehr rhythmisch durchwirkt kommt dieses Stück daher. Der Oud-Spieler übernimmt dabei so etwas wie die Rolle des Kontrabassisten. Hören wir da zwischen beiden nicht so etwas wie einen Kanon? Und noch ein Dritter ist mit im Spiel: der Saxofonist, der linear aufgreift, was die beiden Mitspieler zuvor als Klangschraffuren entfaltet hatten. Zugleich erleben wir ein Solo des Holzbläser, der über die Kernmelodie teilweise paraphrasiert. Dabei zeigt er sich bewegt, aufgeweckt und durchaus ein wenig röhrend und nervös.

Noch ein Wort zu „Adio Kerida“ (trad. Sefardic, arr. by LEV), getragen durch den Gesang von Damian Nisenson. Dabei werden wir noch lange eine Verszeile wie „Adio, Adio Querida, / No quero la vida, / Me l'amagrates tu …“ nachklingen hören, ehe  mit einem weiteren sephardischen Lied namens „Suenyo de la hija / Madre la mi madre“ der Schlusspunkt des Albums gesetzt wird. 

© fdp2025




https://www.samuelbonnetguitar.com/lev

Tracks
Shesh-Besh (J.P. Reny)
Madeleine (J.P. Reny)
Complices (S. Bonnet)
Sebta (S. Bonnet)
Yo m'enamori d'une ayre (trad. Sefardic, arr. by LEV)
Yerushalayim shev zaav (N. Shemer, arr. by S. Bonnet)
Jeanne (J.P. Reny)
Simcha Shalom (S. Bonnet)
Adio Kerida (trad. Sefardic, arr. by LEV)
Suenyo de la hija / Madre la mi madre (trad. Sefardic, arr. by LEV)


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