Lenny Sendersky & Moon Strings - Blues Mizrahi
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Losen Records
Zugegeben, gegenüber Jazzmusikern, die sich ein Streicherensemble zur Seite stellen, also ein durch und durch auf klassische Komposition hin strukturiertes Ensemble, kann man Vorbehalte hegen. Wie geht das zusammen, der freie Geist von Jazz, der von Improvisationen lebt und eben nicht von den strengen Notierungen, und Klassik, die zwar das Moment der Variationen kennt, aber ansonsten durchaus an die Textur der Komposition gebunden ist.
Lenny Sendersky, Saxofonist und Flötist, aufgewachsen in St. Petersburg, einige Zeit in Skandinavien und nunmehr in Israel lebend, hat es gewagt, Jazzmusiker mit einem Streicherensemble zu verbinden. Die Mehrzahl der aufgenommenen Tracks stammt aus seiner Feder. Der Jazzklassiker „Take Five“, den alle mit Dave Brubeck in Verbindung setzen, dabei vergessend , dass der Saxofonist Paul Desmond der geistige Schöpfer ist, wurde ebenso eingespielt wie Duke Ellingtons „In A Sentimental Mood“ und Gershwins „I Got Rhythm“.
In den Liner Notes liest man davon, dass die Musik von Sendersky aus der Folklore des Nahen Ostens ebenso schöpft wie aus Klezmer und aus Modern Jazz und Rock. Zitat aus den Liner Notes: „It’s a delightful blend played with the utmost sincerity by a line up consisting of,‘Moon Strings’ – Artur Adamyan (violin),
Andrei Rukhadze (violin),
Shamil Saidov (viola)
and Nikolai Solonovich (bass). On three tracks we are treated to the French horn player, the internationally renowned virtuoso, Arkady Shilkloper, his solo on „Blues In Palace“ is jubilant! On other tracks, the fabulous Oshy Daban guests on vocals and maestro Ehud Ettun solos on bass.“ (David Fishel)
Mit „Sea Of Galilee“ macht das Album auf, gefolgt vom „Standard“ namens „Take Five“, einem Ohrwurm des Jazz, wenn man das so sagen darf. Eine Ode an seine Heimatstadt ist „Walking In St. Petersburg“. Zu hören sind u.a. „Blues Mizrahi“, „In A Sentimental Mood“, „Sophie“, „Blues In Palace“ und zum Schluss „I got rhythm“.
Die Streicher eröffnen „Sea Of Galilee“ ehe dann die melodischen Linien von Lenny Sendersky sich wie in einer Art Doppelhelix mit den Streichern verbinden. Vom Charakter her gleicht der Song einer Mischung aus Operettenmelodie und ungarischer Volksweise. Gewiss auch ein wenig Klezmer ist dem Stück als Destillat beigefügt. Fein abgestimmt sind die Sopranklänge und die Basslinien in einem „Zwischenteil“, ehe der Song wieder ins eher Folkloristische abdriftet. Gezupfte Geigenklänge und ein tiefer Bassbeischlag machen den Beginn von „Take Five“ aus, ehe dann Sendersky auf den Spuren von Paul Desmond wandelt, dabei die Streicher immer im Schlepptau, die statt David Brubeck für das distinkte rhythmische Muster der Komposition zuständig sind. Sendersky enteilt derweil mit seinen melodischen Schlingen und Schleifen dem „Take Five“. Melodramatisch muten die Streicherszenen an, die beigefügt sind. Das erinnert dann an Kammermusik im Salon des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Die Streicher sind zu Beginn von „Walking In St. Petersburg“ ebenfalls präsent und hauchen wie auch die Saxofonsequenzen dem Stück etwas von romantisierender Filmmusik ein, wie man sie auch aus „Mantel-und-Degen-Filmen“ kennt. Ob es allerdings eines solchen Arrangements bedarf, kann hinterfragt werden, zumal die Streicher den Rahmen setzen. In diesem bewegt sich dann auch Lenny Sendersky. Wo bleibt da die `“Freiheit des Jazz“?
„Blues Mizrahi“ gibt dem aktuellen Album den Namen und lässt orientalische Klänge an das Ohr des Zuhörers dringen. Es ist eines der Stücke auf dem Album, das auch Vokales einbindet. Dabei ist die Stimme eher den Instrumenten gleichgestellt. Bestechend ist das tänzerische Bassspiel. Bilder von Bauchtänzerinnen drängen sich auf, ebenso Bilder eines orientalischen Marktes mit Schlangenbeschwörern und Jongleuren. Das ist auch dem Duktus geschuldet, dem sich Lenny Sendersky auf seinem Sopransaxofon verschrieben hat. Er ist die dominante Stimme des Stücks und nicht die vereinten Streicher von Cello, Bass, Viola und Violinen.
Ein Standardklassiker ist gewiss „In A Sentimental Mood“. Einem solchen die eigenen Farbnuancen aufzusetzen, ist eine Herausforderung. Die Musiker um den Saxofonisten Sendersky schaffen das durch das Arrangement, das auf die Streicher abgestimmt ist. In deren Klangwolken ist das weich gezeichnete Saxofonspiel eingebettet, das sich dem Thema widmet. Das Hörbild ist ungewohnt, denn es fehlen die vereinten Bläser und das Harmonieinstrument Piano wie beim Duke Ellington Orchestra.
Sehr selten und eher in der klassischen Musik vorhanden, ist das Waldhorn, das Arkady Shilkloper in „Sophie“ zum Klingen bringt. Auch in diesem Stück sind die Streicher nicht wegzudenken. Ein gestrichener Bass vereint sich dabei anfänglich mit Viola und Cello. Dann kann man dem sonoren Timbre des Waldhorns lauschen. Dabei taucht man dann gänzlich in die Sphäre klassischer Musik ein. Sehr ausgereift ist der Dialog zwischen Waldhorn und Saxofon. Doch die Allmacht der Streicher gibt dem Stück den Anstrich von Romantik, auch wenn das Saxofon mit einer gewissen Rotzigkeit dagegenhält. In „Blues In Palace“ hören wir nochmals ein Waldhorn, das man eher aus der höfischen Musik kennt. Bass und Waldhorn wandeln im vorliegenden Fall allerdings auf den Spuren des Blues. Dabei brodelt und schnurrt das Waldhorn einerseits, andererseits stimmt es in ein Zwiegespräch mit dem Saxofon ein und rückt dabei stimmlich in die Nähe einer Bassposaune. Im Verlauf des Stücks erlebt der Hörer aber auch Anklänge an Funk, wenn Sendersky sein Saxofon erschallen lässt. Zum Schluss heißt es „I got rhythm“. Jive oder Swing – das fragt man sich beim Hören. Das ist ein weiteres buntes Mosaiksteinchen im Rahmen eines Albums, das sich auf unterschiedliche Farben einer reichhaltigen Klangpalette einlässt.
text © fdp
Informationen
Line-up:
Lenny Sendersky alto and soprano saxophones, flute, tambourine track 1, vocal track 5
www.lennysendersky.com
Ehud Ettun bass solo tracks 5 & 8
Arkady Shilkloper French horn tracks 8, 9 & 10
Oshy Daban vocal tracks 4 & 5
Moon Strings:
Artur Adamyan violin
Andrei Rukhadze violin
Shamil Saidov viola
Nikolai Solonovich cello
Dmitri Semenishev bass
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