Lederkoralle: Ausflug
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Unit Records, UTR 4569
Von „Subwater Jazz“ ist die Rede, wenn man auf das Trio Lederkoralle, bestehend aus Joachim Wespel (Gitarre), Florian Kockott (Kontrabass) und Arne Müller (Schlagzeug), zu sprechen kommt. Doch was ist das? Ein neues Subgenre, ein Versuch, die Musik irgendwie fassbar zu machen oder nur ein Link zum Bandnamen? Lederkorallen gibt es tatsächlich. Es sind Kolonien von Einzelpolyphen, die verzweigt, baumartig und krustig oder fingerförmig wachsen. Auf dem Cover des Albums scheinen die drei Herren auch gerade der Unterwasserwelt entstiegen zu sein. Einer von ihnen trägt noch Schnorchel und Maske. Was aber haben die Drei unter Wasser gesucht? Den ultimativen Sound? Das Knabbern der Papageifische? Im Pressetext des Labels ist Folgendes zu lesen: „Lederkoralle vereinen Jazz (Vijay Iyer Trio, Avishai Cohen Trio), Beats (Hip Hop, Drum'n'Bass, Dubstep) und Pop (Songs, Soundkollagen à la Radiohead).“
Na dann, hören wir mal ein bisschen hinein ins Unterwassergeplätschere. Mit einem „Ausflug“ beginnt unsere Begegnung mit Lederkoralle und mit „Schöne Zeit“ endet sie. Insgesamt wurden elf Titel aufgenommen, die alle aus der Feder des Gitarristen Joachim Wespel stammen. Wer denn glaubt, der Gitarre falle bei all den Kompositionen eine führende Rolle zu, der wird sich schnell eines Besseren belehren lassen. Gewiss ist eine „hopsende Gitarre“ bei dem Stück „Ausflug“ zu vernehmen, die gleichsam das Hier und Dort eines Ausflugs einfängt. Doch auch die anderen Bandmitglieder tragen ihren Teil zum Ausflug bei. Immer wieder gibt die Gitarre zwischen dem Bassdumdum und dem Schlagwerk ein kurzes Stelldichein, mit Grooves und mit „Pizzicato“. Bisweilen meint man, das Trio fange eine touristische Bustour ein, bei der auch orientalische Klänge eine Rolle spielen. „15 Datteln“ präsentiert uns das Dreiergespann in einem sehr verhaltenen Gitarrenintermezzo, das beinahe einer klassischen Etüde gleicht. Konzertant ist diese Komposition in der Darbietung.
Wer auf Jazz im Geiste von Atilla Zoller oder Philip Catherine steht, der muss sich auf Lederkoralle und Joachim Wespel erst einstellen. Melodiöses paart sich mit rotzigem Rock. Tempobrüche sind gewollt, ebenso ein Stopp&Go im Spiel. Gefällig, fast ohrschmeichlerisch ist das Stück „Auf den Hügeln“ angelegt. Dabei lässt sich auch der Bass solistisch aufs Thema ein und klingt so wie ein ächzender alter Baum, der da einsam auf dem Hügel steht. Windgeräusche dringen an unser Ohr. Verlassen wir die musikalischen Hügel, dann machen wir uns auf dem Weg zum Horizont, wohin uns das Trio begleitet. Dabei heißt das Motto dann auch funky, funky, funky. „Saitenchaos“ und lyrische Passagen machen den Klangteppich aus, den das Trio auslegt. Nachdem der tonale „Nebelmond“ am Himmel erschienen ist, geht es mit dem Trio dann endlich unter Wasser auf „Tauchsafari“. Doch wer auf eingespielte Walgesänge hofft, der wird eine Enttäuschung erleben. Eine Mischung aus Jazz, Hardrock und Metal ist das Rezept, auf das das Trio bei seinem Tauchgang zurückgreift. Ruhige Passagen sind nicht zu vernehmen. Der Duktus ist nervös und hektisch fernab von den gleitenden Bewegungen eines Tauchers. In die Alpenwelt zu „Tornadokuh & Alpensau“ nehmen uns Lederkoralle auch mit. Kuhschellen sind zu hören, auch das Muhen der Rindviecher. Doch wo sind denn die Alpensäue?
Erfrischende und unvorhersehbare Hörfarben bietet uns das Trio Lederkoralle an. Ob dass dann als Subwater Jazz zu bezeichnen ist, kann man mal dahingestellt sein lassen.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
Unit Records
www.unitrecords.com
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