LBT - way up in the blue
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Auf der Homepage des Trios lesen wir unter anderem: „Lebendiger Techno. Rein akustisch erzeugt, auf Klavier, Kontrabass und Schlagzeug, ohne Computer oder Synthesizer. Von lyrisch bis minimal, von deep bis industriell: Der Sound von LBT ist facettenreich, dabei stets angetrieben von einer pulsierenden Kickdrum. Ihre Musik ist eine Reise nach innen, lädt zum Träumen genauso ein wie zum ekstatischen Tanzen. Im Modern Jazz groß geworden, nimmt das Trio seine große Liebe zur Improvisation ernst. ...“
Zu hören sind auf dem vorliegenden Album u. a. nachfolgende Stücke: Nach einer Einführung hören wir „Arpeggione“, „Way up in the Blue“, „Circadian Dysrhythmia“, „The Riff“ und final dann „Moonglow“. Dabei erlebt man eine gekonnte Melange von Jazz, House, Techno und Minimal. Die Mehrzahl der Kompositionen sind dem Kontrabassisten Maximilian Hirning zu verdanken. Ein String Quartet unterstützt das Klaviertrio bei „Circadian Dysrhythmia“. Neben dem Pianisten Leo Betzl sind der Bassist Maximilian Hirning und der Drummer Sebastian Wolfgruber Teil von LBT.
Nach der Einführung ist „Arpeggione“ das erste vollständige Stück, dem wir lauschen. „Arpeggione“ - da war doch was? Hat das mit Harfenspiel zu tun oder mit einer besonderen Zupftechnik für diverse Saiteninstrumente? Nein, es bezeichnet ein 1823 erfundenes Saiteninstrument, das Merkmale der Gitarre mit dem Cello vereint. Dafür hat unter anderem Franz Schubert eine Sonate geschrieben. Das aber ist weniger von Interesse, taucht LBT doch in die Welt von Acid Jazz und Techno ein und das so, dass tonale und rhythmische Wellen auch körperlich spürbar sind. Kurz angespielte Tasten, kristalline Klangformen, rhythmisches Basszupfen mit Feingefühl erleben wir bereits in der „Intro“. Dabei ist durchaus ein klanglicher Fluss zu erkennen, auch wenn spitze Stakkatos angesagt sind. Dies liegt vor allem an der rotierenden Interaktion der Beteiligten. Und auch der stampfende Rhythmus der Basstrommel ist zu erleben.
Elektronisches Brummen geht auch über in „Arpeggione“ und obendrein erleben wir ein gemorstes Klackklack und sanftes Fellwischen. Sprunghaftes ist außerdem auszumachen. Lang gestrichen kommt der Bass daher, sonor und der „Kontrapunkt“ zum nervösen Rhythmusgeschwirr. Dabei verliert sich der Bass durchaus auch in hohe Lagen, die man eher von der Viola erwarten würde. Und dann eruptiert es, brummt und brodelt es gewaltig, entlädt sich Tastenklang, vergeht der gestrichene Bass. Hört man da nicht auch eine kurz gezupfte Mandoline oder Gitarre? Oder ist das nur ein elektronischer Effekt? Rollende Klangwellen reihen sich im weiteren Verlauf aneinander und im Hintergrund rumort der Bass wie das bedrohlich gurgelnde Meer in einem Felsenlabyrinth.
„Way up in the Blue“- Klickklick und Tacktack vernehmen wir zu Beginn. Man muss dabei an auf Asphalt auftreffende dicke Regentropfen denken, ehe ein nachhaltiger Stampfrhythmus dominant den Klangraum einnimmt und sich das Klavierspiel ein wenig verflüssigt. Mehrstimmige Lautmalerei ist dem instrumentalen Klangfluss beigemengt. Der dumpfe Klang der Basstrommel reizt das Trommelfell, leicht verdrängt von Kaskadierungen, die dem Pianisten geschuldet sind. Und am Ende hören wir mehrstimmig „Way Up in the Blue“
„Circadian Dysrhythmia“ bezeichnet in der Chronobiologie die Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, kurz auch die Störung der inneren biologischen Uhr genannt. Musikalisch treffen fein gestrichene Streichinstrumente – an diesem Stück ist auch ein String-Quartett beteiligt – auf rhythmischen Sternenstaub und ein kurzes Klickklick sowie gehemmte Tastentöne, die der Pianist beisteuert. Der Eindruck von einer industriellen Geräuschkulisse aus Tagen von Kohle und Stahl drängt sich auf. Robotergesteuerte und CAD-gesteuerte Werkprozesse klingen anders. Violinen quietschen, ein Bass dröhnt. Toktoktok ist steter rhythmischer Begleiter der Streicher. Saitentänze erleben wir und galoppierende Schlagwerkeinheiten.
Zu Beginn von „The Riff“ meint man, der Bass würde ein klassisches Stück einläuten. Doch die wahrnehmbaren Redundanzen sprechen eine andere Sprache. Das Klangspektrum ist minimalistisch ausgelegt. Melodischer Fluss ist nicht intendiert, auch wenn man beim Titel des Stücks an klassische Gitarrenriffs aus der Rockmusik erinnert wird. Weit gefehlt, eher synkopiertes Spiel dringt ans Ohr des Zuhörers. Fragmentiert erscheint das, was wir zu hören bekommen. Bewusst gesetzte Wiederholungen sind angesagt. Dabei erleben wir einen klanglichen Malstrom bis zum letzten Ton. Völlig aus der Art geschlagen und stilistisch eher an Garner und Basie erinnernd ist dann das letzte Stück des Albums namens „Moonglow“, eine swingende Komposition von 1933 aus der Feder von Will Hudson und Irving Mills. Ja, das unterstreicht die musikalische Bandbreite des Trios, oder?
© ferdinand dupuis-panther
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