LBT - Levitation
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Auf der Homepage des Trios lesen wir: „Von lyrisch bis minimal, von deep bis industriell: Der Sound von LBT ist facettenreich, dabei stets angetrieben von einer pulsierenden Kickdrum. Ihre Musik ist eine Reise nach innen, lädt zum Träumen genauso ein wie zum ekstatischen Tanzen. Im Modern Jazz groß geworden, nimmt das Trio seine große Liebe zur Improvisation ernst. ...“
LBT – bestehend aus Leo Betzl (piano), Maximilian Hirning (double bass) und Sebastian Wolfgruber (drums) – heizen mächtig ein. Klang-Stakkatos sind angesagt. Locker machen für eine tänzerische Klangreise steht auf dem Programmzettel. Da darf dann beim Zuhören auch gezappelt werden. Einige der Kompositionen des Albums haben durchaus biografische Bezüge so „Boston Suite“ entstanden im Kontext des Aufenthalts von Leo Betzl am legendären Berklee College of Music, aber auch „Waltz for Jazz“, ohne allerdings im Klappentext Details zu verraten. „El Bachelor“ stammt nicht aus der Feder des Pianisten, sondern ist Sebastian Wolfgruber geschuldet. „Tech Tech Tech“ wurde vom Bassisten verfasst und ist ein totaler Klangkontrast zu den übrigen Kompositionen des Albums. Dass sich das Trio aber durchaus im Kontext der Geschichte des Jazz bewegt, verraten „What Is This Thing Called Love“ und Ellington's „Caravan“.
Energetisches Tastenspiel des Pianisten vermischt sich bei „Levitation“ mit dynamischem Schlagwerk und einem quirligen Synthesizerklang, der Erinnerungen an die Musik von Alan Parsons wachruft. Kristalline Klangpassagen treffen mit einem bewegten Tieftöner zusammen. Das Spiel von Leo Betzl am Klavier hat nichts von verwässerten oder aquarellierten Tastensequenzen, sondern lebt von Dynamik und Energieausbruch. Sobald man die schlierigen Passagen des Synthesizers und dessen Wah-Wah vernimmt, scheint man eher in den Gefilden von Jazz Rock zu sein. Einer Windhose gleicht das, was der Schlagzeuger seinen Becken und Trommeln abfordert.
Klatschende Hände – vielleicht sind es aber auch Sticks, die aneinander schlagen – sind zu Beginn von „El Bachelor“ zu hören und man erwartet angesichts der „Kastagnettenrhythmik“ vielleicht Flamencogesang. Doch stattdessen antwortet der Pianist auf das klatschende Stakkato gleichfalls mit einem Stakkato und einem Tastengewitter sowie Kaskadierungen. Kristalline Passagen sind wahrzunehmen und dazu ein Tickticktick – schnell und nervös ausgeprägt sowie an auf Dielen klackende Absätze erinnernd. Im Verlauf bauen sich durchscheinende Klangwände auf. Nachhaltig ist zudem das Klickklickklick als Teil der Rhythmisierung des Stücks.
Sehr lyrisch arrangiert ist „Waltz For Jazz“ und erinnert an so manchen Song aus dem Great American Songbook. Die ersten Takte gehören ganz und gar dem Pianisten Leo Betzl. Beim Zuhören muss man an Musik der 1940er Jahre am Broadway denken und an entsprechende Filmstreifen mit Fred Astaire, oder? Und „What Is This Thing Called Love“ ist ein Klassiker, der jedoch ein neues Gewand erhielt, vor allem einen beinahe rollenden Klavierbass. Unerwartet tritt eine Klangeruption des Dreigestirns zutage. Ansonsten gehört dem Pianisten die volle Aufmerksamkeit, der behänd klangliche Stromschnellen zum Besten gibt. Der reißende Fluss der Akkorde nimmt uns im Verlauf des Stücks mehr und mehr mit.
„Boston Suite“ knüpft an Momente der Jazzgeschichte an, an Monk, an Garner und all die anderen Legenden des Piano-Jazz. Zugleich vernimmt man auch Anlehnungen an klassische Musik, insbesondere an romantische und neoromantische Musik. Eine Wendung erfährt der Charakter des Stücks durch die eingebundenen Synthesizersequenzen. Raum zur Entfaltung wird auch dem Bassisten gegeben, der sich solistisch zeigt und die Bass-Saiten ohne Kaskadenanklänge zum Klingen bringt. „Caravan“ ist ein Jazzstandard mit sehr eingängiger Melodielinie. Dieser Song wurde 1937 vom Duke Ellington Orchestra eingespielt. Doch auch die vorliegende Trio-Version weiß zu überzeugen, durchaus auch mit einer „orientalischen Einfärbung“.
Ticktickeditick-ticktickeditick – so meldet sich der Drummer bei „Tech Tech Tech“ zu Wort. Und der Pianist fällt in diesen abgehackten Rhythmus ein. Anschließend wummert mit aller Macht die Bass-Drum, so wie bei Technomusik auch. Ein lang schwingender Basston des Bassisten und dann wieder der redundante Rhythmus, den Pianist und Drummer gemeinsam vortragen, sind für den Fortgang des Stücks kennzeichnend. Dazu gesellt sich ein kurzes perlendes Pianointermezzo. Nachhaltig ist jedoch der hämmernde Rhythmus, der durch den ganzen Körper des Zuhörers geht. Das ist dann grenzüberschreitend und für Jazzpuristen gewöhnungsbedürftig.
© ferdinand dupuis-panther
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