Lars Duppler: Naked
L
GLM Music, EC 565-2
Wer solistisch unterwegs ist, der ist auf sich allein gestellt. Alle Aufmerksamkeit richtet sich auf eine Person. Der Solist muss ständig fokussiert sein.
Schwächen machen sich gnadenlos bemerkbar. Insoweit ist der Name des Albums durchaus richtig gewählt. Im übertragenen Sinne ist ein Solist nackt. Er zeigt sich, er entblößt sich, auch in seinen Schwächen. Stärke muss er zeigen. Alles muss er geben. Niemand ist da, der ihn stützt, trägt und mitnimmt. Er allein verantwortet die Kompositionen und deren Umsetzungen. Das ist eine Herausforderung und ein Wagnis zugleich, angefangen bei „Nichts geht mehr („Rien Ne Va Plus“) über „Sixth Sense“, „Folksong (Lars Duppler)“ und „My Favourite Things“ (Richard Rodgers) bis hin zu „How Deep Is The Ocean“ (Irving Berlin). Zwischenspiele bilden die Bindeglieder zwischen den Kompositionen, die wie der aufmerksame Leser schon festgestellt hat, nicht ausschließlich aus Lars Dupplers Feder stammen.
„Das Album ist die logische Antwort auf (mein Vorgänger-Album) raetur“, sagt Lars Duppler. „Nach rockigem Quartett jetzt nur der Flügel und ich.“ Streng genommen waren es drei verschiedene Steinway D-Flügel, die Duppler im ehrwürdigen Kammermusiksaal des DLF für diese Aufnahmen zur Verfügung standen. „Ich wurde ganz pur auf mein Spiel zurückgeworfen“, meint Duppler. „Was natürlich sehr ehrlich ist, dabei etwas völlig Neues. Es war fast so, als würde man den ganzen Tag über nur die eigene Stimme auf dem Anrufbeantworter hören oder sich selbst nackt auf einem riesigen Plakat in der Innenstadt entdecken und mehrfach täglich daran vorbeifahren.“
Tonale Quellwolken verbreitete Lars Duppler bei „Rien Ne Va Plus“. Allerdings muss man m. E. beim Zuhören nicht an ein Roulettespiel mit hohem Einsatz denken, sondern sieht eher einen modernen Ausdruckstanz auf der Bühne. Wieso ging es ihm eigentlich bei der zweiten Einspielung auf dem Album um sechs Gefühle („Six Senses“) und nicht um den siebten Sinn? Sehr lyrisch ist die Komposion angelegt und in der Spielweise dem Vortrag von Bill Evans doch ein wenig ähnlich. Sieht man da nicht jemand ganz unruhig im Haus herumgehen, wenn man Lars Duppler zuhört? Auch kindliche Unbefangenheit und Unbeschwertheit strahlt m. E. die Musik aus. Kinder, die selbstvergessen spielen, lässt der Pianist mit seinem unbeschwerten Spiel vor unserem geistigen Auge auftauchen.
Warum die Zwischenspiele Farben haben, von Grün über Gelb bis Blau, bleibt rätselhaft. Gibt es für Lars Duppler einen Zusammenhang zwischen Akkorden und Farben? Vorgestellt wird uns auch ein Volkslied („Folksong“). Jedoch ist die Melodie nicht so eingängig wie erwartet. Nur in einigen Passagen kann man sich einen kindlichen Abzählreim dazudenken. Lars Duppler verweigert bei diesem Stück Walzer- und Polkaanmutungen – beides spräche fürs Volkstümliche. Mitsummen vom ersten Moment an ist auch nicht möglich, da das Stück doch eher komplex angelegt ist. Also, warum heißt es dann „Volkslied“?
Noch einige Worte zu zwei Standards, die wir auf dem Album finden: „My Favourite Things“ (Richard Rodgers) und „How Deep Is The Ocean“ (Irving Berlin). Duppler bleibt bei der Interpretation dieser Standards seiner Spielanlage treu. Die Dramaturgie zeigt dabei nur einen flachen Spannungsbogen. Streckenweise meint man gar, einem kammermusikalischen Vortrag beizuwohnen. Konzertant trifft als Charakterisierung am besten auf das aktuelle Album zu.
© ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
GLM Music
http://www.glm.de
Musiker
http://www.duppler.de