Lars Danielsson Liberetto II
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ACT 9571-2
Wer wie der schwedische Cellist und Bassist Lars Danielsson seine Einspielung Liberetto nennt, der macht deutlich, wo er sich musikalisch verortet: in der europäischen Klassik und nicht im Great American Songbook. Für den einen oder anderen mag europäischer Jazz ein Schlagwort sein, das er lieber durch Jazz aus Europa ersetzt sehen möchte – nun gut. Aber Danielsson ist nicht nur mit Schweden, sondern auch mit Europa verbunden, wenn er auch im Laufe seiner Karriere mit so bekannten us-amerikanischen Musikern wie Michael Brecker und Randy Brecker aufgetreten ist.
Danielssons Verbundenheit mit Europa spiegelt sich in 'Passacaglia' – wer da einen Bezug zu Johann Sebastian Bach sieht, liegt vielleicht gar nicht mal so falsch – und in 'Swedish Song' wider. Doch die schwedische Volksweise stammt nicht, wie man vermutet, von Danielsson, sondern von dem aus Armenien gebürtigen Pianisten Tigran, den Danielsson für viel begabter als sich selbst hält, derartige Musik zu komponieren.
Ob die Melodien, die auf der aktuellen Einspielung zu hören sind -, man denke an 'Africa' oder 'Grace' - als einfache Melodien zu charakterisieren sind, mag der Zuhörer für sich entscheiden. Doch ohne höchstmögliche Freiheit des Improvisierens sind die Kompositionen Danielssons ganz und gar nicht denkbar. Von den zwölf Aufnahmen der CD ist eines das Werk des Pianisten Tigran und 'View From the Apple Tree' das Gemeinschaftswerk von Bassisten und Pianisten des Quartetts, zu dem noch der Gitarrist John Parricelli und der Drummer und Perkussionist Magnus Öström gehören.
Als Gäste für die aktuelle Einspielung hat sich Danielsson den Trompeter Mathias Eick dazugeholt. In 'Grace' tritt der Gitarrist Dominic Miller in Erscheinung und in 'Beautiful Darkness' die Sängerin Cæcilie Norby, die auch als Produzentin von 'Liberetto II' verantwortlich zeichnet. Für den musikalischen Ausflug in den israelischen Badeort 'Eilat' gesellte sich zudem Zohar Fresco zur Band. Weitgehend dezent hält sich bei 'Grace' die gezupfte Gitarre mit ihrem dunklen Klangbild im Hintergrund, während Matthias Eick mit seiner Trompete das Hohelied auf den „Liebreiz“ anstimmt.
Zu einem munteren Tänzchen mit flotten und eingehenden, teilweise ausufernden Klavierläufen sowie aufgeregtem Schlagwerk wird anschließend eingeladen: 'Passacaglia' steht auf dem Programm. Für diesen spanischen Volkstanz ist kennzeichnend, dass er traditionell eine Basslinie besitzt, über die variiert wird. Kein Wunder also, dass man dann auch das durch den Bass gespielte Thema heraushören kann.
Hört man 'Miniature', so kann man sich diese beinahe als schwermütig zu bezeichnende Weise auch sehr gut bei einer Aufführung in einem gotischen Kirchenschiff vorstellen, dessen Akustik nicht nur diese, sondern auch weitere Kompositionen der vorliegenden CD besonders gut zur Geltung kommen lassen würde.
Nein, Abdullah Ibrahim ist nicht zu Gast bei der Komposition 'Africa', auch wenn man meint „African Market Place' ist nicht weit weg. Aus den Tiefen seiner Saiten schöpft Danielsson, um eine fröhlich gestimmte Weise anklingen zu lassen. Dann setzt eine für afrikanische Musik so charakteristische Stegharfe ein, obgleich doch in der Besetzungsliste gar kein Stegharfenspieler zu finden ist. Doch heutzutage kann man ja fast jedes Instrument elektronisch modulieren, selbst eine Gitarre oder ein Fender Rhodes. Flott beschwingt geht es angesichts der Hitze Afrikas durch die weite Savanne und den feuchten Regenwald, jedenfalls musikalisch. Stakkato-Beats des Schlagzeugs gleichen dem durchdringenden Gezirpe der Zikadenscharen. Dann beginnt nochmals ein Part, der so klingt, als wäre er einer Kora entlockt worden und Danielsson habe sich mit Ali Faka Touré zum Jammen verabredet. Spätestens, wenn man die Musik von diesem afrikanischen Gitarristen hört, weiß man, was einer Gitarre alles an Klang zu entlocken ist, auch Stegharfensounds!
Danach folgt ein eher ruhiger Dreiklang – fast an eine Sonate erinnernd: 'Tima', 'Blå' und 'Violet'. Alle drei Werke werden sehr stark von dem virtuosen Bassspiel Danielssons bestimmt, in das Tigrans Klavierbegleitung und Eicks Trompetenphrasierungen einfallen.
'Eilat' nimmt dezent orientalische Rhythmen auf, während 'View From the Apple Tree' dem Zuhörer dank eines gefälligen Klavierspiels im Gedächtnis bleibt. Mit der 'Schönen Finsternis' endet das Libretto von Danielsson. Als Zuhörer wünscht man sich ein ebenso fröhlich gefärbtes Liberetto III, oder?
© Ferdinand Dupuis-Panther