La Nuée – La Nuée

La Nuée – La Nuée

L

Umland Records

Das in Brüssel beheimatete Ensemble um den eigentlich aus Münster stammenden Saxofonisten Johannes Eimermacher, der zunächst bei dem Münsteraner Saxofonisten Jan Klare Unterricht nahm und danach an der Folkwang Universität studierte, legt mit dem aktuellen Album ein Debüt vor, das sich vor allem durch lange, beinahe sphärisch anmutende Klangbilder auszeichnet. Bisweilen hat man auch den Eindruck von Geräuschmusik, die nicht immer zu spezifizieren ist. Zu dem Saxofonquintett, das zu hören ist, gehören neben Eimermacher als weitere Altsaxofonisten Audrey Lauro und Frans Van Isacker. Am Tenorsaxofon agiert Sylvain Debaisieux und am Baritonsaxofon Hanne De Backer. Am Drums hört man João Lobo.

Drei Stücke sind zu hören: „flottant“. „l'éveil“ („Erwachen“)  und „le départ“ („Abfahrt“, „Abreise/Aufbruch“). Beginnen wir unser Hörerlebnis mit dem Stück „schwebend“: Hören wir da ein lang gezogenes Nebelhorn, das Gebläse eines Ventils oder eine Fabriksirene? Das zu entscheiden, fällt schwer. Irgendwann gesellt sich auch ein Tiefgebläse dazu, vermutlich der Baritonsaxofonist mit seinem Holzbläser. Nach und nach legt sich eine Art Klangnebel über den Zuhörer. Schriller Klang paart sich mit Erdigem. Alles ist Teil eines Kontinuums. Es scheint, als würde das „Horngebläse“ aus unterschiedlichen Distanzen erfolgen, mal fern, mal nah. Eruptives ist nicht vorhanden. Alles scheint sich entlang einer klanglichen Nulllinie zu bewegen. Müsste man eine bildhafte Umsetzung des Klangspiels finden, so würde man unter Umständen auf Gotthard Graubners Kissenbilder verfallen oder aber auf monochromes Grau. Fein sind im weiteren Verlauf die Nuancierungen gesetzt, scheint ein Teil des Ensembles einen samtenen Klangteppich auszubreiten, in den ein anderer Teil Klang-Drippings im Sinne von Jackson Pollock setzt. Zugleich muss der eine oder andere auch an surreale Welten eines Yves Tanguy denken, an bizarre Landschaften, die künstlich skulptiert sind. Durch diese streicht der Wind kontinuierlich. Es entsteht ein Windrauschen, das  auch das Saxofonquintett um Eimermacher auf die eine oder andere Weise bis zum letzten Ton  erzeugt.

Wie auch im ersten Stück wird in „Erwachen“ das s-förmige Saxofon zu einem Atemrohr, durch das die ausgeatmete Luft ständig streicht, an- und abschwillt. Flirren und Säuseln liegen in der Luft. Hier und da ist auch ein gebrochenes Röcheln auszumachen. An manchen Stellen muss man an das Geräusch einer Fräse denken, die Span für Span von Metall abträgt. Und auch die Vorstellung von Obertonsingen könnte sich bei dem einen oder anderen Hörer aufdrängen. Oder dringen da Kreissägen oder eine Gattersäge in zu bearbeitendes Material? Drehen sich da nicht die Rotoren eines Helikopters? Schnurrt nicht irgendwo entfernt ein Motor eines Rasenmähers? Solche Assoziationen können auch aufkommen, wenn man dem Stück „Erwachen“ folgt. Untergründiges Surren und Summen nimmt man gegen Ende des Stücks obendrein wahr. Schließlich  heißt es „Abfahrt“ und der „Geräuschzug“ setzt sich in Bewegung, oder? Nur noch Atemgeräuschen lauschen wir zu Beginn. Da gibt es ein Pusten mit und ohne abgeblähte Backen. Irgendwie liegt ein Knistern in der Luft. Rascheln dringt ans Ohr des Hörers? Knistern und Laubrauschen kommen hinzu. Wie soll das enden, fragt man sich, angesichts der Dauer des Stücks von fast einer halben Stunde? Zischen und Zischlaute werden angefügt. Wispern kann man außerdem identifizieren. Gibt es da etwa Signale einer nahenden Lok, die evoziert werden. Zarte tonale Klangbilder werden als Puzzle zusammengefügt. Beckenschwingungen werden eingestreut. An eine Shruti Box erinnern machen Passagen des Schlussstücks. Raumfüllend erscheint der Klang. Spitze kurze Töne schrecken auf. Dabei muss man an Tinnitus denken, oder? Ansonsten breitet sich ein dichter Klangschwaden aus, ähnlich wie bodennaher Nebel, der nicht weichen will. Eine Armada von Insekten scheint auch noch Teil des letzten Stücks. Man muss beim Hören an das intensive Schwirren von Hornissen und Bremsen denken, oder? Im Hintergrund agiert der Drummer, dessen Paukenschläge den Klangfluss der Bläser aufbrechen. Eruptionen werden präsentiert. Gerade das letzte Stück fordert geduldiges Zuhören. Kann das noch in Zeiten von Zappen und Bildüberflutungen aufgebracht werden? Gewiss das letzte Stück zeigt im Verlauf Dynamik, scheint sich in ein Klanginferno zu steigern, sodass der Zuhörer aufhorcht. Doch massenkompatibel ist ein derartiges Hörspiel eher weniger. Massenkompatibilität mag ja auch nicht Intention von La Nuée sein, aber was dann?

© ferdinand dupuis-panther

Infos

https://umlandrecords.bandcamp.com/artists
https://umlandrecords.bandcamp.com/album/la-nu-e
http://johanneseimermacher.com
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