KUU! - Artificial Sheep
K
ACT
Zum Album lesen wir bei ACT Folgendes: „Lampedusa Lullaby, das ACT-Debüt des Quartetts KUU!, wurde im Jahr 2018 von der Kritik gefeiert – und zwar mit unüblichen Begriffen, weil es für diese Musik noch keine Schublade gab. In der Süddeutschen wurden „kubistische Rockmusik“ und „wunderbare, harte Poesie“ gehört. …. die Zeitschrift Kultur titelte mit „ProtoPostPunkJazz“. Begeistert waren alle.“ Doch eigentlich wollte die Band, so der aus Finnland gebürtige und in Berlin beheimatete Gitarrist Kalle Kalima, nur spielen. Dem pflichtet die Sängerin und an den Münchner Kammerspielen engagierte Schauspielerin Jelena Kuljić bei. Zu beiden kommen noch der Gitarrist Frank Möbus und der Schlagzeuger Christian Lillinger dazu, um den Zwischenbereich zwischen Rock und Punk sowie Jazz zu bespielen und in der musikalischen Alchemistenküche Klanghörspiele zu entwickeln, die aufhorchen lassen. Nicht alle Stücke auf der CD stammen von einem der vier Musiker. Auch eine Referenz an die Beastie Boys („Sabotage“) gibt es zu hören.
Schon bei den ersten Takten von „Crimes That Bring Me Joy“ ist man eher in der Welt von Clash oder andere Bands, deren Musik gegen den Strich gebürstet ist. Das will mitnichten sagen, dass KUU! schrillem Punk, Jazz Rock oder Free Jazz frönt. Im Gegenteil, die Band ist eher im Rock der Gegenwart und im Acid Jazz verwurzelt, oder? Neben den Rezitationen von Jelena Kuljić sind es die beiden Gitarristen, die die Klangpalette der Band mit expressiven Farbnuancen bereichern. Dabei schickt sich keiner der vier Musiker an, sich in den Vordergrund zu stellen, auch nicht wenn die Gitarren röhren und jaulen. Balance im Klang ist angesagt, wenn auch die Songhaftigkeit der einzelnen Tracks ausladenden Improvisationen ein Korsett aufzwängt. Eher an eine Ballade erinnert „My Body is a Cage“, ein Stück, bei dem man hier und da angesichts des Stimmvortrags an Pattie Smith und Kate Rush erinnert wird. Herrlich verspielt sind die Gitarrenpassagen, die sich dem Textvortrag von Kuljić anschließen. Ja, wer wimmernde und jaulende Klangschlieren einer Gitarre mag, dem geht spätestens bei diesem Stück das Herz auf.
Dem Konzept der „Frischzellenkur“ für Clash, Deep Purple und andere Bands der vergangenen Jahrzehnte bleibt KUU! auch in „Sheperd“ treu. Wild und flink gleiten die Finger über Gitarrensaiten, derweil Kuljić in eine Art eigenen abgeschliffenen Rap-Modus verfällt. Ist da nicht auch ein Gitarren-Synth als Bereicherung der Klangnuance mit im Spiel? Hier und da hat man den Eindruck, man höre auch elektronische Tastensequenzen. Im Übrigen verfolgt das Quartett ähnlich wie die Doors die Idee eines Erzählduktus. Bei den Doors war es Jim Morrison, der sich als Poet des Rocks verstand, bei KUU! ist es Jelena Kuljić. Diese überzeugt stimmlich auch und gerade durch ein rauchiges Timbre, so wie in „E-Major Peace“. In diesem Stück blitzt der schnörkellose Gitarrenklang von Kalima und Möbus auf, wie man ihn auch bei der erfolgreichsten Instrumentalband des Rocks, The Ventures, schätzt. Da gibt es keinen Schnickschnack, keine elektronische Verfremdung. Die Gitarre ist eine Gitarre … ist eine Gitarre – basta!
„Miss Stress“ - nette Wortspielerei zu Mistress, oder? - eröffnet mit einer distinkten Rhythmuspassage, in die die Sängerin ihre Textbausteine einfügt. Anleinhe an psychedelischen Rock folgen, was den beiden Gitarristen zu verdanken ist. „Don't touch me, love me or leave me“ hören wir. Wie gesagt, bei der instrumentalen „Begleitung“ kann man sich des Eindrucks nicht verschließen, dass Alvin Lee ebenso kurz vorbeischaut wie Jeff Beck. Bei all dem verbreitet die Sängerin ungehindert und lautstark ihre Botschaften: „ I have a choice to show you my love, my hate whenever I want … I am the revolution I am waiting for“. Das dechiffriert zumindest der Rezensent und hat hoffentlich die Botschaft wortgetreu wiedergegeben. Und zum Finale schlagen wir das „Book of Nihil“ auf. Anfänglich flirren feine Saiten und vereinen sich zu einem dichten Klanggewebe, über das die Sängerin ihre lyrischen Linien setzt. „In the jungle there are many beasts that want to eat you/they are hungry/they are fast / ...“ nehmen wir auf und denken wohl unwillkürlich an Alpträume oder kafkaeske Situationen. Und man fragt sich während des Zuhörens obendrein, ob da nicht einem gewissen Nihilismus und Fatalismus das Wort geredet wird. Man muss ja nicht jede „Wortbotschaft“ von KUU! teilen, doch für die peppige und aufwühlende Klangwelt der Band kann man sich gewiss begeistern, allerdings nicht, wenn man Purist ist.
© ferdinand dupuis-panther
Infos
www.actmusic.com/Kuenstler/KUU
Tracks
01 Crimes That Bring Me Joy (Kalima / KUU!) 5:57
02 My Body is a Cage (Arcade Fire) 4:43
03 Shepherd (Kalima / Kuljić) 5:14
04 E-Major Peace (Kalima & Kuljić / Kuljić) 4:45
05 Miss Stress (Kalima / Kuljić) 5:13
06 Sabotage (Beastie Boys) 4:04
07 Officer KD6-3.7 (KUU!) 7:21
08 Eraserhead in the City (Kalle Kalima) 4:29
09 Hourglass (Kalle Kalima) 6:05
10 Book of Nihil (KUU!) 5:09