Kristóf Bacsó TRIAD & Lionel Loueke: Pannon Blue (f. dupuis-panther)
K
BMC
Gegründet wurde die Formation TRIAD vor drei Jahren. Alle Musiker des Trios sind Absolventen des bekannten Berklee College of Music! Dazu im O-Ton Kristóf Bascó: „... so that we could discover together the great musical unknown, places never seen before, places we could only get to with each other’s help. On this adventure we are joined by the brilliant guitarist Lionel Loueke, who with his openness, modesty, and special personality, made our journey even more beautiful and exciting. I feel that the music welcomed us, and we found a new home.“ Und weiter: „ Millions of people are setting out for real into the unknown, hoping for a better life, because they want to – or because they have to. I hope they too will somewhere find welcome and acceptance...“, Das sind mahnende Worte in Zeiten der Abschottung, in denen vom Wir und Ihr die Rede ist, völkisch wieder einen umgewerteten Klang erhalten soll, von identitärer Kultur gesprochen wird und es nicht nur „America first“ heißt.
Das Trio, das „Pannon Blue“ eingespielt hat, besteht aus: Kristóf Bacsó (saxophones, effects), Árpád Tzumo (keyboards, Fender Rhodes, piano) und Márton Juhász (drums). Als Gast hören wir außerdem den Gitarristen und Vokalisten Lionel Loueke u. a. beim Vortrag von Ad Libitum No. 1“, „This is for Ornette“ und „Angry Little Pig“, aber auch von „Nu Blue“.
Mit Ausnahme von „Don’t Turn Back“ (comp. Árpád Tzumo) sowie „Ad Libitum No. 1“ und „Ad Libitum No. 2“ (comp. TRIAD und Lionel Loueke) stammen alle anderen Kompositionen von Kristóf Bacsó. Die veröffentlichten Aufnahmen sind Liveaufnahmen aus dem BMC Opus Jazz Club in Budapest (Ungarn). Ehe wir dem „Ungarischen Blau“ lauschen, damit nicht wissend, ob sich das auf die blaue Donau oder ein anderes Phänomen bezieht, werfen wir noch einen Blick aufs Cover. Sind da nicht zwei stilisierte senegalesische Ringer zu sehen? Oder handelt es sich um zwei Tänzer?
„Nach Gutdünken“ so lautet die Übersetzung des lateinischen Titels des ersten Songs, mit dem das Album eröffnet. Geprägt wird diese Gemeinschaftskomposition durch eine sich nach und nach wellig ausdehnende Melodielinie des Saxofons, die von harten Tastensetzungen begleitet wird. Irgendwie scheint es, als ob die Töne schwerelos dahinfliegen, auf und ab. Sind da nicht auch Klicklaute und sanfter Lautgesang zu hören? Zum Schluss beschleicht den Zuhörer der Eindruck, man nähere sich den Rhythmen Afrikas. Lionel Loueke entführt uns bei „Hanna is Here“ sowohl gesanglich als auch mit seinem Saiteninstrument nach Westafrika. Welche Geschichte er uns erzählt, können wir nicht nachvollziehen, denn der Text ist auf dem Album nicht abgedruckt worden. Wer sich jedoch in der Musik Westafrikas auskennt – das meint nicht nur Fela Kuti – der begreift, dass wir eher in Bamako und Dakar sind als denn in Europa. Sehr auffällig ist der Fokus auf das Melodische gesetzt, mal mehr und mal weniger dramatisch inszeniert, aber stets mit afrikanischen Rhythmen unterlegt. Ein besonderer Genuss ist das Gitarrensolo von Lionel Louke, das sich dabei dem Rhythm and Blues wohl näher fühlt als der Folklore Westafrikas.
Dem Schöpfer des Free Jazz, Ornette Coleman, haben die vier Musiker „This is for Ornette“ gewidmet. Es ist eine besondere Verneigung, die vor allem Kristóf Bascó da an den Tag legt, ist Coleman doch sein Idol. Zu Beginn hören wir allerdings nicht den Saxofonisten der Band, Kristóf Bascó, sondern Arpád Tzumo am Klavier – durchaus mit ein wenig Monk-Attitüde. Dann aber setzt das Saxofon mit schmeichlerischem Klang ein. Es klingt stellenweise nach einer Hymne. Sehr gut gelungen ist außerdem das Wechselspiel zwischen Saxofon und Klavier, bei dessen Klang wir an Meerwellen denken müssen, wenn diese am Sandstrand sanft auslaufen. Die Töne rinnen dahin, auch wenn Arpád Tzumo das Klavier für sein Rhodes tauscht und Kristóf Bascó begleitet. Entfesselter Free Jazz ist jedoch nicht Teil des musikalischen Programms von TRIAD.
Funkelnde Melodieströme breiten bei sich „Don’t Turn Back“ aus, derweil sich das Stück fortentwickelt. Manchmal meint man, das Saxofon fange mit den Tönen tanzende Blätter im Wind ein, setze den Tanz von Papierdrachen am Herbsthimmel in Melodielinien um. Ist „Nu Blue“ als eine Erinnerung an „Kind of Blue“ gedacht? Wohl eher nicht. Es geht ja schließlich um ein neues Blau jenseits von „Gloomy Sunday“ oder „Autumn Leaves“. Zum Schluss begegnen wir beim Song „Pannon Betyars on the Land of the Pampas“ ungarischen Outlaws in der Pampa, so die Übersetzung ins Deutsche. Wer sich da nicht ein Augenzwinkern mitdenkt, ist wohl äußerst humorlos. Mit viel Hall unterlegt ist das Saxofon, das den musikalischen Reigen eröffnet. Man gewinnt beim Zuhören den Eindruck, die Töne würden sich im Raum verlieren und dieser Raum sei eine riesige Tropfsteinhöhle im Karst. Loops spielen im Vortrag auch eine Rolle, denn wir vernehmen sich überlagernde Klangwellen, die auf- und abschwellen. Das hat in gewisser Weise etwas Meditatives fern ab von New Age. Wollte man das Phänomen des Nordlichts vertonen, man könnte Fragmente der Komposition bestens verwenden. Allerdings ändert sich der Charakter des Stücks, sobald auch die anderen Akteure ins musikalische Geschehen eingreifen. Dann wird das Stück wesentlich rhythmischer und dynamischer. Das Meditative verblasst mehr und mehr. Dann, ja dann ist auch ein Stück Westafrika wieder gegenwärtig, wenn Lionel Loueke an seinem Saiteninstrument zu hören ist. Crossover im besten Sinne ist nicht nur dieses Stück des Album „Pannon Blue“ und davon lebt Gegenwartsmusik.
Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
BMC
http://www.bmcrecords.hu
Musiker
Kristóf Bascó
http://www.kristofbasco.eu