KNU! My Horse doesn't Give a Shit
K
Unit Records, UTR 4609
Achim Zepezauer am so genannten „Tischlein-Deck-Dich-Elektrisch, Florian Walter am Baritonsaxofon und am Synthesizer sowie Simon Camatta an den Drums – da sind Knu! „Dieses Trio aus dem Ruhrgebiet, sprich aus Essen, spielt freie Improvisationen mit einem klaren Ziel: keine Kompromisse, stattdessen große Spielfreude und blindes Vertrauen. Alles kommt in den Klangtopf. Rock mischt sich mit Noise, Free Jazz mit Cage und Space is the Place. Immer auf den Punkt und trotzdem hypnotisch. Kaum zu fassen.“ So steht es in einem zur Verfügung gestellten Pressetext des Labels Unit Records. Alle drei Musiker sind in NRW keine Unbekannten, spielen sie doch regelmäßig mit The Dorf oder anderen Formationen wie dem Tieftonorchester oder CamattaMonk.
Was die drei Musiker allerdings dazu getrieben hat, ganz aufs Pferd zu setzen, ohne aus der Pferderegion Münsterland zu stammen, entzieht sich gewiss dem einen oder anderen. Das Cover zeigt einen indischen Edelmann hoch zu Ross. Zwei Sprechblasen sind zu sehen: Das Pferd wiehert nicht, sondern lässt ein „Knu“ hören und der Reiter bemerkt: „My Horse Doesn't Give A Shit“, übersetzt: „Meinem Pferd ist es scheißegal“. Nur was, wollte man doch wohl gerne wissen. Auf der Rückseite des Covers blicken wir auf dicke Pferdehintern. Die Pferde im Stall malte der französische Maler Théodore Géricault. Auch die CD selbst ist künstlerisch gestaltet und zeigt eine antike Szene, in der eine Dame in einem blauen Gewand, auf einige Rindviecher zeigend, ein „Knu“ vernehmen lässt. Müsste es nicht eigentlich Muh heißen?
14 Kompositionen wurden auf der vorliegenden CD eingespielt. Sie scheinen, so muss man den Text auf der CD-Hülle verstehen in Gemeinschaftsarbeit entstanden sein. Titel wie „Erwin“ und „Thank You Mom“ gibt es ebenso zu hören wie „My Horse“ und „Ausritt“, mit dem die Einspielung endet.
Wer auch immer „Erwin“ sein mag, ob ein stämmiger Kaltblüter aus dem Landgestüt NRW oder auch nicht, sei dahingestellt. Nicht zu überhören sind die „Jagdbläser“ und das Vogelgezwitscher zu Beginn und die „Schellen des Almviehs“. Dann treten „Tonstörungen“ zutage, die die genannten Hörbilder teilweise zerstören. Das Schlagzeug ist mit verstetigten Schlägen zu hören, zu denen sich elektrische Klänge gesellen. Schließlich steuert Florian Walter noch die schwirrenden und knurrenden Klänge seines Saxofons bei. Aber wo ist bloß Erwin?
Schluckspecht ist als Begriff bekannt, aber „Rummelschlucke“ eher weniger. Doch einen solchen Titel findet man auf der vorliegenden Veröffentlichung unter all den Kompositionen auch. Nur „Knu“ heißt keines der Stücke. Der genannte Titel klingt jedenfalls nach einer feucht-fröhlichen Sause über den Hamburger Dom oder die Cranger Kirmes. Zu Beginn meint man, Herr Franz Lambert habe seine Hammond-Orgel wieder einmal angeworfen und gebe „Happy Hammond“ zum Besten. Seniorentanztee steht auf dem Programm, wären da nicht die Verzerrungen und das Besenspiel von Simon Camatta. Ach nein, die Hammond-Orgel wird vielleicht gar nicht live gespielt, sondern ist ein Automat, für den allerdings die gestanzten Spielvorlagen nicht mehr funktionieren. Streckenweise denken wir auch, die eingespielte Platte habe einen Sprung, denn die Sequenzen der Hammond-Orgel wiederholen sich unentwegt. Eher zum Ende des Stücks meldet sich wieder Florian Walter zu Wort und lässt sein Saxofon schreien und brüllen. Nein, Pferdegewieher gibt es nicht, wenn „My Horse“ ertönt. Nimmt Simon Camatta bei seinem Schlagwerkspiel nicht das Pferdegetrappel auf? Man könnte es meinen. Florian Walter hingegen scheint die Angriffsfanfaren ertönen zulassen: Attacke, Attacke auf den Gehörgang – so das Motto.
Der Dank an Mutti, „Thank You Mom“, fällt ziemlich schrill aus, was Florian Walter am Saxofon geschuldet ist. Er lässt sein „Horn“ in Ekstase geraten. Kurz hört man Marschmusik, die eingeblendet wird, allerdings vom Getöne des Saxofons schnell in den Hintergrund gedrängt wird. Teilweise wird der Holzbläser auch vom Tonrohr zum Windrohr. Es überschlagen sich die Tonfolgen. Bei „Fifty Shades Of I Don't Give A Fuck“ scheint es irgendwie nicht zu gelingen, ohne Störfunk auszukommen. Geknister, undeutlicher Gesang, hochtönige Frequenzen und Camattas starke Trommelschläge – das ist die Melange der 50 Schatten. Schiffsirenen – Fehlanzeige und doch sind wir mit Knu bei dem Stück „Mit dir am Hafen“ irgendwie maritim unterwegs. Schlagen da Wellen an die Kaimauer? Irgendwer redet aus dem Off Unverständliches. Kurz sind die Schläge, die auf die Felle der Trommel niederregnen. Störgeräusche breiten sich aus. Teilweise vermeint man, knarrende Türen zu hören. Und dann, ja dann heulen auch die Nebelhörner, wenn Florian Walter sein Saxofon ansetzt. Ein Schiffssirenenkonzert der besonderen Art ist zu erleben. Ein gewisses Chaos ist darin eingeschlossen. „Störfeuer“ macht seinem Namen alle Ehren. Es zischt und zischt; es pfeift, so als würde jemand Nasenflöte spielen. Besen streichen über die Felle der Trommeln. Es knistert und knirscht. Über all diesen Lauten und Geräuschen legt Florian Walter zaghaft seine Tonfolgen, die er dem Saxofon abringt.
Schließlich lädt uns Knu noch zu einem akustischen „Ausritt“ ein. Nur das Pferd müssen wir noch suchen, oder?
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Unit Records
Musiker
Simon Camatta
http://simoncamatta.de/knu.php
Florian Walter
http://florianwalter.yolasite.com/
Achim Zepezauer
http://kuhzunft.bandcamp.com/album/knu-7
Interview mit Simon Camatta
http://www.jazzhalo.be/index.php?option=com_content&view=article&id=220&Itemid=159
Video
https://www.youtube.com/watch?v=NKCioPU2XMM
http://florianwalter.yolasite.com/video-des-monats.php