Kilian Kemmer Trio - ... und Zarathustra tanzte

Kilian Kemmer Trio - ... und Zarathustra tanzte

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GLM

Nietzsche als Ideengeber für ein Jazz-Trio? Für den einen oder anderen, der den Albumtitel liest, erscheint es als Herausforderung, sich nicht nur mit der Musik, sondern auch mit der Gedankenwelt eines deutschen Philosophen zu befassen. Von diesem sind ja so „Leitsätze“ wie „Wenn du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht“ überliefert. Wer aber hat die Zeit sich in Nietzsches Kosmos zu vertiefen, wer will sich mit „Also sprach Zarathustra (Untertitel Ein Buch für Alle und Keinen, 1883–1885) auseinandersetzen? Oder geht es gar bei dem vorliegenden Album um die Lehre des persischen Priesters Zarathustra und, wenn ja, in welcher Weise?

Dass der promovierte Philosoph und Musiker Kilian Kemmer sich mit derartigen Fragen beschäftigt, scheint nicht abwegig. Doch was mutet er dabei seinen Hörern zu? Denn in erster Linie wollen die sich doch in die Musik vertiefen, sich in sie fallen lassen, wenn das möglich ist. Nun gut, an dieser Stelle ist nicht der Ort, sich kritisch mit Nietzsche zu befassen. Nur sehr verkürzt: Seine Abneigung zeitgenössischer Kultur und einer gewissen Verehrung der klassischen Antike ist ebenso bekannt, wie seine „Konzepte vom Übermenschen“ und vom „Willen zur Macht“. Wohin Letzteres in einer ideologischen Umdeutung des Ansatzes von Nietzsche auch führte, nämlich zur Herrschaft der Herrenmenschen zwischen 1933 und 1945, ist bekannt.

Ist all dies schon als intellektuelle Herausforderung anzusehen, will man sich heute damit auseinandersetzen, so auch die vorgelegte „Vertonung“ von Nietzsches Aphorismen. Zu hören sind Stücke wie „Ewige Wiederkunft“, „Hirte“ oder „Auf glückseligen Inseln“. Auch ein Gedicht von Nietzsche vertont das Trio: „Das andere Tanzlied“. Nietzsches Stück „Das Fragment an sich“ findet sich auch auf dem Album, interpretiert von Kilian Kemmer in einem kurzen Solofragment auf ganz eigene Weise. Und schließlich hören wir zwischendrin  „It don’t mean a thing if it ain‘t got the Swing“ von Duke Ellington.

Und was sagt der Pianist zu seinem Album? „Bei all den Stücken gibt es eine Leitidee“, so Kemmer. „Ich lese `Also sprach Zarathustra` so, dass sich Zarathustra von diesem allerschwersten Gedanken der ewigen Wiederkunft nicht erdrücken lässt. Im Gegenteil: Er begreift ihn als den göttlichsten Gedanken, der ihn tanzen lässt.“

Der Pianist eröffnet „Ewige Wiederkunft“,  und dazu vernimmt man Schlagwerkrascheln. Wählt man für die Sequenzen des Pianisten ein Bild, so kommt dem einen oder anderen vielleicht eine kurze Treppenflucht oder Eschers „endlos erscheinende Grafiken“ in den Sinn. Nach einem kurzen Basssolo ist es erneut der Pianist Kilian Kemmer, der die Klangstruktur vorgibt. Dabei verlässt er hier und da das Lineare, zeigt sich in gleichsam spiraligen Wendungen und in leichten Perlungen der Klangfolge. Dabei ist er weniger mit Verve als mit Zurückhaltung unterwegs. Nachfolgend hören wir „Hirte“ und können wohl nicht umhin Anmutungen klassischer Musik auszumachen. In den wahrzunehmenden Harmonien verbirgt sich ein Moment des Melancholischen. Beinahe ist man geneigt, von einem Lamento zu sprechen. Getragen ist das Stück auf jeden Fall. Leise ist die Stimme des Bassisten Masaki Kai in seinem Solo, der sich im Duktus dem des Pianisten anschließt. Man hat insgesamt den Eindruck, das Trio widme sich in diesem Stück der inneren Einkehr und der Stille. Aufgeweckt und frisch ist hingegen „Das andere Tanzlied“. Wobei der Pianist die jeweiligen „Strophen vorsingt“. Hier und da hat man beim Hören den Eindruck, dass diese Komposition auch etwas von einem französischen Chanson hat, dabei nicht an die Piaf, sondern eher an Juliette Greco denkend. Überraschend ist es schon, dass in das eher lyrisch und elegische Spiel auch ein Schlagzeugsolo eingebettet ist, das durch distinktes Beckenschwirren im Gedächtnis haften bleibt.

Bündeln sich in der vorliegenden Musik nicht Musik der Romantik und die Suche nach der „Blauen Blume“? Man hat beim Hören von „Oh Mensch“ jedenfalls den Eindruck, auch wenn der Titel eher an einen Kirchenpsalm denken lässt. Das wäre wohl außerhalb des Kontexts von Nietzsche, der ja erklärte: „Gott ist tot!“. Nun ja, auch das sind nur Gedankensplitter, die man wohl nur vertiefen könnte, wenn es O-Töne von Kilian Kemmer gäbe und diese dem Rezensenten vorlägen. So bleibt es bei der Charakterisierung des Stücks als sehr kontemplativ und meditativ, auch wenn der Bassist sich zu Wort meldet. Im Duktus, wenn auch ein wenig beschwingt, knüpft „Oh Himmel“ an das Stück zuvor an. Und dann, ja dann widmet das Trio dem deutschen Philosophen Nietzsche noch einen Blues, auch wenn wir „Blues for Nitzsche“ lesen. Absicht?

Es sei aus den insgesamt ein Dutzend Kompositionen auch Ellingtons „It don't mean a thing ...“ herausgegriffen: Dabei changiert die Interpretation des Standards zwischen Ballade und Blues, oder? Aus der Reihe fällt auch „Das größte Schwergewicht“, da wir hier einen rezitierten Text hören, der im Fokus steht. Die Musik erscheint streckenweise als Beiwerk im Hintergrund. Dabei vernehmen wir sinnschwere Zeilen wie: „Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts, ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nachschliche und dir sagte: ,Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; ...“. Mit dieser ein wenig düster anmutenden „Botschaft“, die nicht nach einem optimistischen „Carpe Diem“ klingt, wird der Hörer dann allein gelassen. Quo vadis?

© ferdinand dupuis-panther


Infos

https://www.glm.de/news/
https://kiliankemmer.com

Line-up

Kilian Kemmer – Piano
Masaki Kai – Bass
Matthias Gmelin – Drums
Gastauftritt Stimme – Katharina Neudorfer


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